Finanzmärkte Als selbst der große Newton sein Geld verlor

Stand: 03.07.2019 09:04 Uhr

Was für Holland die Tulpenblase und für Frankreich der Mississippi-Schwindel, war für Großbritannien die Südsee-Blase. Sie platzte vor fast 300 Jahren - und stürzte das Vereinigte Königreich in die Rezession. Auch der berühmte Physiker Isaac Newton war ein Opfer.

Von Notker Blechner, boerse.ARD.de

„Ich kann zwar die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht wohin die verrückte Menge von Menschen einen Börsenkurs hintreiben kann“, schrieb Newton 1720 verzweifelt. Der Physiker, Mathematiker und Astronom, einer der größten Wissenschaftler der Geschichte, soll Überlieferungen zufolge gut 20.000 Pfund mit dem „Südsee-Schwindel“ verloren haben. Das war auch für Sir Isaac Newton viel Geld.

Der bedeutende Wissenschaftler investierte damals wie viele Briten und auch Ausländer in die Aktien der South Sea Company. Sie sollte den Handel mit der „Südsee“ - darunter verstanden die Briten Anfang des 18. Jahrhunderts Südamerika - und Sklaven vorantreiben. Tatsächlich hatte die Gesellschaft keinerlei operative Aktivitäten und versprach den Anlegern nur unermessliche Reichtümer, bis die Blase im August 1720 platzte.

Am Anfang war der Schulden-Deal mit England

Entstanden war die von einer Gruppe von Kaufleuten gegründete South Sea Company durch einen Deal mit der britischen Regierung. Die Gesellschaft übernahm 1711 einen Großteil der britischen Staatsschulden, die durch den Krieg mit Frankreich auf über zehn Millionen Pfund gestiegen waren. Dafür erhielt sie eine Verzinsung von sechs Prozent jährlich und das Monopol für Handelsgeschäfte mit den spanischen Kolonien in Südamerika. Zur Finanzierung der Schuldenübernahme konnte die South Sea Company Aktien ausgeben.

Der Krieg zwischen England und Spanien 1718 bis 1720 bremste die Handelsaktivitäten der South Sea Company, während der Schuldenberg Großbritanniens weiter wuchs. Daraufhin bot die Gesellschaft der britischen Regierung an, weitere knapp 32 Millionen Pfund Staatsschulden zu übernehmen, wenn sie dafür das Recht bekäme, ihr Kapital unbegrenzt und zu jedem Kurs erhöhen zu dürfen. So begann die eigentliche „South Sea Bubble“. Im Januar 1720 erließ das Parlament ein Gesetz, das der Gesellschaft erlaubte, Aktien im Nominalwert von 31,5 Millionen Pfund auszugeben.

Kurs verzehnfachte sich

Der Kurs der Aktie, der jahrelang vor sich hingedümpelt hatte, schoss daraufhin binnen weniger Monate in die Höhe - von 100 Pfund auf 1.050 Pfund am 24. Juni. Die Manager der South Sea Company heizten den Kurs zusätzlich durch falsche Gerüchte an, wonach es bald Verträge zwischen England und Spanien geben solle, in denen der Freihandel mit den spanischen Kolonien garantiert sei.

Um den Kurs weiter zu beflügeln, kündigte das Management eine Mittsommerdividende von zehn Prozent an. Dadurch entstand im Sommer 1720 ein regelrechtes „Südsee-Fieber“. Immer mehr Aktionäre – vom Dienstboten bis zum ehrwürdigen Lord – machten bei der Spekulation mit und kauften Aktien. Viele Trittbrettfahrer gründeten Unternehmen mit skurrilen Geschäftsideen rund um das Südsee-Thema und gingen an die Börse.

Sonnenschein aus Gemüse

So gab es börsennotierte Firmen, die vorgaukelten, Sonnenschein aus Gemüse zu gewinnen oder London mit Kohlen aus dem Meer zu versorgen. Ein Unternehmen lockte gar Leichtgläubige mit der Ankündigung, den Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit erst später bekanntzugeben. Um den Wildwuchs zu begrenzen, beschloss das britische Parlament ein Gesetz, das börsennotierte Gesellschaften nur noch mit staatlicher Genehmigung und einem begrenzten Geschäftszweck erlaubte. Daraufhin stürzten die Kurse einiger windiger Firmen ab.

Die Blase platzt

Die South Sea Company, die zunächst von diesem Gesetz, dem so genannten „Bubble Act“ profitiert hatte, geriet nun auch zunehmend in Schwierigkeiten. Nachdem König George I. und auch einige Ausländer ausgestiegen waren, hatte sie Mühe, weitere Aktien zu platzieren. Die Anleger wollten jetzt endlich ihre ersten Dividenden sehen. Als diese ausblieben, trennten sie sich von ihren Papieren. Es kam zu Panikverkäufen. Der Aktienkurs stürzte von über 800 Pfund Mitte August binnen weniger Wochen auf nur noch 200 Pfund ab. Im Dezember war die Aktie nur noch 100 Pfund wert - so viel wie zum Jahresanfang vor Beginn der „Südsee-Blase“.

Viele Anleger – vom Dienstboten bis zum Lord, vom Bauern bis zum Adligen – verloren ihr Hab und Gut. Mehrere Unternehmen gingen pleite. Die geplatzte „Südsee-Blase“ führte zu einer Rezession in Großbritannien, von der sich die Insel lange Zeit nicht erholte.

Verhaftungen, Rezession und Aktienverbot

Die Regierung griff hart durch. Einige der Manager der South Sea Company wurden verhaftet und landeten im Gefängnis. Ihr Besitz wurde konfisziert. Andere begingen Selbstmord oder flüchteten ins Ausland. Drei Minister mussten gehen, weil sie Bestechungsgelder akzeptiert hatten.

Aktien waren nach der „Südsee-Blase“ gut ein Jahrhundert lang verpönt im Vereinigten Königreich. Erst 1825 hob die Regierung das Verbot von Aktienemissionen wieder auf.

Immerhin: Langfristig haben sich die Aktien der South Sea Company doch noch rentiert. Die historischen Originalaktien aus 1720 werden heute zu Tausenden Euro gehandelt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten Deutschlandfunk Nova am 29. März 2017 um 16:00 Uhr in "Eine Stunde Talk" und der BR am 14. März 2019 um 09:05 Uhr in "radioWissen".