Diamantschmuck in einem Schaufenster in Antwerpen | EPA

Russische Diamanten Lupenreine Ausnahme

Stand: 16.05.2022 07:36 Uhr

Der Verkauf von Luxusgütern nach Russland ist wegen des Ukraine-Kriegs sanktioniert. Aber die Einfuhr russischer Diamanten bleibt erlaubt. In Antwerpen, Welthauptstadt des Diamantenhandels, hofft man, dass das so bleibt.

Von Jakob Mayr, ARD-Studio Brüssel

Händler, Boten, Touristen - es herrscht geschäftiges Treiben in der Hoveniersstraat in Antwerpen im Herzen des Diamantenviertels. Die belgische Hafenmetropole ist nach eigener Einschätzung die Weltstadt des Handels mit den kostbaren Steinen. Organisiert wird dieser in einem glasverspiegelten Bau, dem Antwerp World Diamond Center (AWDC). "Jeden Tag fließen 190 Millionen Euro durch dieses Gebäude", sagt AWDC-Sprecher Tom Neys. "Pro Jahr sind das allein bei uns 36 Milliarden."

Jakob Mayr ARD-Studio Brüssel

"Frieden ist viel wertvoller als die Diamanten"

Selbstverständlich ist das nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in diesem Umfang. Denn ein Viertel der nach Antwerpen eingeführten Rohdiamanten stammt aus Russland. Der Verkauf von Luxusgütern dorthin ist seit Mitte März verboten. Aber die Einfuhr der Steine bleibt erlaubt - anders als in den USA.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer Videobotschaft ans belgische Parlament appelliert: "Frieden ist viel wertvoller als die Diamanten, als die Verträge mit den Russen, als die russischen Schiffe in den Häfen, als das russische Öl und Gas. Deshalb helft uns. Jeder weiß, was getan werden muss, um den Frieden in Europa wieder herzustellen."

Man habe sich nie gegen Maßnahmen bezüglich Diamanten gewehrt, sagt Belgiens Regierungschef Alexander de Croo. Die Maßnahmen habe die EU-Kommission ausgearbeitet. "Ihre Begründung ist immer: Die Auswirkungen müssen auf Russland viel größer sein als auf uns", so de Croo. "Sollte die Kommission in den kommenden Wochen sagen: Wir wollen doch Maßnahmen im Bereich Diamanten ergreifen, dann würde sich unser Land dem nicht verschließen."

Russische Diamanten füllen Staatskasse

Im vergangenen Jahr hat Antwerpen russische Rohdiamanten im Wert von rund 1,8 Milliarden US-Dollar importiert. Die meisten stammten aus Minen des Konzerns Alrosa, die unter anderem in Jakutien liegen, einer Republik im eisigen Nordosten Russlands. Geschäftsführer von Alrosa ist Sergej Iwanow. Sein Vater gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auch Vorstandsmitglieder sollen enge Verbindungen zum Kreml unterhalten.

"Ideal ist das nicht, das verstehen wir", sagt AWDC-Sprecher Neys "Alrosa ist zu rund 20 Prozent im Besitz des russischen Staates. Also ja: Da gibt es natürlich ein gewisses Gefühl der Verwicklung. Das ist sicher richtig."

Konkret heißt das: Einnahmen von Alrosa fließen in die russische Staatskasse und könnten dazu beitragen, Putins Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Aber den Import von Diamanten aus Russland nach Antwerpen zu verbieten, davor warnt Handelsverbandssprecher Neys. Das würde Russland überhaupt nicht treffen.

Abwanderung nach Dubai befürchtet

Belgien dafür umso härter. "Man würde sofort 1,8 Milliarden Dollar mit einem Zehn-Stunden-Flug nach Dubai schicken und dann würden die Steine dort verkauft", sagt Neys. "Ein Einfuhrstopp würde also überhaupt keinen Unterschied machen. Nur den, dass hier Zehntausend Jobs verloren gehen. Und das Problem ist: Die würden nicht wiederkommen."

Es gehe um den Zugang zu Rohstoffen, sagt Neys. Das sei geostrategisch wichtig. Außerdem unterlägen Diamantenhändler in Antwerpen strengen Regeln gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, während Dubai nach Anhaben von Neys damit wirbt, dass dort gar nichts gilt.

Weltweiter Boykott?

Noch handeln sie in der Antwerpener Hoveniersstraat auch weiter mit russischen Rohdiamanten. Sicher ist sich Verbandssprecher Neys nicht, dass das so bleiben wird. "Wir sind offen dafür, mehr Druck auf Putin zu machen. Wir sind die ersten zu sagen: Warum nicht international einen Weg finden, um einen Handelsstopp für russische Diamanten weltweit zu beschließen? Vielleicht wäre das eine Lösung", sagt er.

Wenn schon den Diamantenhandel einschränken, so die Logik der Branche in Belgien, dann wenigstens überall. Damit weder der Kreml noch die Konkurrenz etwas davon hat.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Mai 2022 um 05:52 Uhr.