
Folge steigender Zinsen Ansturm auf Baukredite
Die steigenden Bauzinsen machen den Traum von den eigenen vier Wänden teurer. Viele Häuslebauer und Wohnungskäufer wollen die noch günstigen Kredite nutzen. Doch Experten warnen vor übereilten Entscheidungen.
Bei Bausparkassen und Baufinanzierungs-Vermittlern laufen derzeit die Telefone heiß. Seit Jahresanfang hat die ohnehin starke Nachfrage nach Baukrediten weiter zugenommen. Viele Menschen befürchten, dass die Bauzinsen und die Immobilien bald noch teurer werden. Die Landesbausparkasse Bayern hat eigenen Angaben zufolge in den ersten vier Monaten des Jahres über 70 Prozent mehr Geld an Darlehen zugesagt. Die LBS West meldet einen Anstieg von 50 Prozent. Ebenfalls teils zweistellige Zuwachsraten vermelden Banken bei ihrem Baufinanzierungsgeschäft.
Hohe Nachfrage bei Vermittlern
Und auch bei den Finanzierungsvermittlern, die meist online Baukredite abwickeln, hat die Nachfrage stark zugenommen. "Die Zahl der Anfragen und Abschlüsse ist 2022 bisher deutlich höher als in den letzten Monaten des vergangenen Jahres", sagte Mirjam Mohr, Vorständin beim bundesweit tätigen Finanzierungsvermittler Interhyp, am Wochenende.
Seit Weihnachten sind die Bauzinsen so stark gestiegen wie seit 1999 nicht mehr. Die Kosten für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung haben sich mehr als verdoppelt. Betrugen die Zinsen für zehnjährige Darlehen im Dezember 2021 noch 0,9 Prozent, liegen sie nun schon laut Interhyp bei 2,6 Prozent.
Bauzinsen mehr als verdoppelt
Denn die Bauzinsen hängen nicht vom Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) ab, der immer noch bei null Prozent liegt, sondern von der Entwicklung der Bundesanleihen. Und da ist die Zinswende schon zu spüren. In der vergangenen Woche kletterte die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen erstmals seit sieben Jahren wieder über die Marke von einem Prozent.
Da die US-Notenbank Federal Reserve die Zinsen weiter anheben wird und wohl auch bald die EZB die Zinswende einläutet, dürften die Bauzinsen in den kommenden Monaten weiter steigen. Experten wie Max Herbst von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt rechnen schon in den Sommermonaten mit einem Niveau von drei Prozent. "Die Inflation zieht die Bauzinsen nach oben. Wenn die EZB im Juli die Leitzinsen anheben wird, wird dies nochmals eine kleine Aufwärtsbewegung auslösen", sagt Herbst tagesschau.de. Und es sei noch kein Stopp der steigenden Bauzinsen zu erkennen.
Um 400 Euro höhere Kosten im Monat
Die höheren Bauzinsen machen Kredite teurer. "Der Anstieg der Zinsen für zehnjährige Darlehen von ein Prozent zu Jahresbeginn auf aktuell rund 2,6 Prozent bedeutet bei einem Immobilienkredit über 300.000 Euro und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent, dass die monatliche Rate von 1000 Euro auf 1400 Euro gestiegen ist - also um 400 Euro im Monat", so Interhyp-Vorständin Mohr. "Pro Jahr sind das zusätzliche Zinskosten von 4800 Euro."
Was sollte man also tun, wenn man den Bau eines Hauses oder den Kauf eines Eigenheims plant und einen Kredit braucht? Experten empfehlen, möglichst nicht überstürzt eine Baufinanzierung einzugehen. "Jede Zinssteigerung bei den derzeitigen Immobilienpreisen und daraus folgend hohen Darlehen kostet zwar richtig Geld, aber das falsche Objekt, übereilt gekauft oder unterschrieben, kann noch mehr Ärger und Unkosten erzeugen", warnt Finanzexperte Max Herbst von FMH. Man sollte jetzt auf keinen Fall das nächstbeste Objekt kaufen oder sich von einer Bank unter Druck setzen lassen.
Experten empfehlen längere Zinsbindung
"Wir raten auch im jetzigen Umfeld steigender Zinsen, die Finanzierung wohlüberlegt anzugehen und Angebote sorgfältig zu vergleichen", sagt Mirjam Mohr vom Interhyp-Vorstand. Interessenten sollten wissen, dass sich die zweite Kommastelle der Bauzinsen beinahe täglich ändert. Sobald jedoch ein konkretes Angebot von einem Kreditgeber vorliegt, gilt dieses fünf bis zehn Tage - je nach Bank. "In dieser Zeit müssen alle nötigen Unterlagen bei der Bank eingereicht werden, sonst verfällt dieses Zinsangebot."
Wer sich für die Baufinanzierung entschieden hat, dem rät Interhyp-Vorständin Mohr zu einer eher höheren Anfangstilgung und zu einer längeren Zinsbindungen. "Die im historischen Vergleich aktuell noch niedrigen Zinsen sollten sich Käufer möglichst lange sichern, am besten 15 Jahre und länger." Wer die monatliche Belastung finanziert, sollte sich eher für die teurere lange Zinsbindung entscheiden, um gegen höhere Zinsen gesichert zu sein, empfiehlt auch Finanzberater Max Herbst.
"Forward-Darlehen" zur Sicherung niedriger Zinsen
Wer bereits in einer Finanzierung steckt und bald seinen Kredit verlängern muss, sollte das aktuelle Zinsniveau für die Anschlussfinanzierung nutzen. Besonders so genannte Forward-Darlehen sind hier laut Experten sinnvoll. "Mit Forward-Darlehen lassen sich günstige Zinsen für die Zukunft sichern, sogar bis zu fünf Jahre im Voraus", erklärt Interhyp-Vorständin Mohr. Für die Vorlaufzeit werde ein gewisser Zinsaufschlag, der "Forward-Aufschlag", berechnet. Forward-Darlehen seien oft nicht viel teurer als heutige Darlehen. "Sechs bis zwölf Monate im Voraus fällt oft kein Aufschlag an."
Klar ist aber: Die steigenden Bauzinsen werden mittelfristig zu höheren Kosten für Häuslebauer und Wohnungskäufer führen. Sie "dürften den Trend, dass sich nicht mehr jeder Bauwillige eine Finanzierung leisten kann, verstärken", warnt Ditmar Rompf, Chef des Finanzierungsvermittlers Hüttig & Rompf. Schon ein kleiner Anstieg des Zinsniveaus könnte die monatliche Belastung um mehrere Hundert Euro erhöhen. "Die Interessenten, die sich in den vergangenen Jahren einen Immobilienerwerb nur wegen der extrem niedrigen Zinsen leisten konnten, fallen jetzt aus dem Markt“, glaubt auch Ludwig Dorffmeister, Fachmann für Bau und Immobilienmarkt am Münchner ifo-Institut.
Droht eine Immobilienblase?
Bei der deutschen Finanzaufsicht BaFin zeigt man sich besorgt über die aufgetürmten Risiken am Immobilienmarkt. Wenn die Bauzinsen stiegen, sinke die Nachfrage nach Wohnimmobilien, sagte Bafin-Chef Mark Branson kürzlich auf der Jahrespressekonferenz der Behörde. In der Folge könnten die Preise sinken und damit der Wert der Sicherheiten. Ist also die Stabilität des Immobilienmarkts in Gefahr?
Das sieht der Verband Deutscher Pfandbriefbanken (VDP) nicht so. Zwar stiegen derzeit die Kreditbelastungsquoten, also das Verhältnis zwischen den Ausgaben für Zinsen und Tilgung und dem verfügbaren Haushaltseinkommen. "Aber wir halten es für falsch, jetzt vor einer Immobilienblase zu warnen", sagt VDP-Präsident Louis Hagen. Trotz des Anstiegs seien die Kosten noch deutlich unter dem Niveau der 1970er und 1990er-Jahre. Damals mussten die Menschen weitaus länger für ihre eigene Immobilie arbeiten als heute. In den 1990er-Jahren lag die Kreditbelastungsquote bei 38 Prozent. Heute beträgt sie 25 Prozent.