Interview

Abstimmung in Bundestag "Völlig unklar, wer haftet"

Stand: 18.07.2012 12:12 Uhr

Die geplanten Milliarden-Hilfen für spanische Banken beschäftigen heute diverse Ausschüsse. Morgen soll der Bundestag darüber abstimmen. Im Gespräch mit tagesschau.de empfiehlt Bankenexperte Stephan Paul von der Ruhr-Uni Bochum den Politikern, zu warten. Denn noch sei gänzlich unklar, wer am Ende haftet.

tagesschau.de: Wie klar ist es zum heutigen Stand, wer für die Rettung der Banken haftet?

Stephan Paul: Ich glaube, das ist völlig unklar. Es ist gänzlich verwirrend, selbst für diejenigen, die sich damit beschäftigen. Es gibt zwei ganz entgegengesetzte Aussagen. Die eine ist von Klaus Regling, Direktor des Europäischen Rettungsfonds. Er hat dezidiert gesagt, wenn die Banken Geld bekommen, dann sind die Länder raus aus der Haftung. Und es gibt die entgegengesetzte Aussage der Bundesregierung. Regierungssprecher Seibert sagt, nein, nein, am Ende würden schon die Länder haften. Also, was nun zutrifft, man weiß es nicht.

Zur Person

Stephan Paul ist Professor am Institut für Kredit- und Finanzwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sein Forschungsschwerpunkt sind Banken und Finanzierungen. Seit 2010 ist er Berater des CRIS (Special Committee on the Financial, Economic and Social Crisis) des EU-Parlaments.

"Eine einheitliche Bankenkontrolle wird sehr schwer"

tagesschau.de: Es soll ja eine europäische Bankenaufsicht geben. Könnte die da helfen?

Paul: Die könnte im Prinzip schon helfen, aber bisher haben die Versuche, die Aufsicht zu vereinheitlichen, noch zu keinem Ziel geführt. Es ist gerade erst zu Beginn des vergangenen Jahres eine neue Behörde in London geschaffen worden, die sich erst einmal einarbeiten muss, und jetzt will man sie nach eineinhalb Jahren schon wieder beerdigen, was neues aufsetzen. Das halte ich für sehr waghalsig.

tagesschau.de: Wo sehen Sie die Probleme?

Paul: Sie liegen insbesondere darin, dass man die Verfahren, wie Banken zu kontrollieren sind, nach modernen Standards vereinheitlichen muss. Und das heißt vor allem Kontrolle des Risiko-Managements. Hier zu vereinheitlichen ist sehr schwierig. Wenn man ein gleiches Spielfeld für alle Spieler von Nord- bis Südeuropa schaffen will, dann dauert das nach meiner Einschätzung Jahre.

tagesschau.de: Wer könnte denn die Banken kontrollieren?

Paul: Das könnte zum Beispiel die Europäische Zentralbank machen, die jetzt auch wieder verstärkt ins Spiel gebracht wird. In den meisten Ländern ist das so, dass die Notenbank das tut. Wir in Deutschland dagegen verfolgen im Moment noch einen Sonderweg. Wir sind gerade dabei die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu stärken, um zusammen mit der Bundesbank diese Kontrolle durchzuführen. Wir fahren also in Deutschland noch zweigleisig und müssten uns dann auch erst wieder umstellen.

Hintergrund: Hilfspaket für Spaniens Banken

Das Kreditprogramm für spanische Banken umfasst bis zu 100 Milliarden Euro. Der Euro-Rettungsschirm EFSF stellt das Geld bereit. Es fließt an die spanische Regierung, in diesem Fall an den staatlichen Bankenrettungsfonds F.R.O.B. Der EFSF-Vertrag schreibt vor, dass Hilfskredite nur an eine Regierung fließen dürfen und nicht direkt an Banken. Das bedeutet, dass die spanische Regierung für die Rückzahlung der Kredite haftet.

Die Haftungsfrage sorgt aber wegen möglicher künftiger Änderungen für Verwirrung. Laut Beschluss der Euro-Staaten sollen die Hilfen für Spaniens Banken vom EFSF auf den neuen Rettungsschirm ESM übertragen werden, sobald dieser startet. Zwar verbietet auch der ESM-Vertrag bislang direkte Bankenhilfen. Die jeweilige Regierung - in diesem Fall die spanische - haftet für die Kredite. Doch die Euro-Staaten planen eine Änderung dieser Regel.

Sobald eine starke Bankenaufsicht installiert ist, sollen auch direkte ESM-Hilfen an Banken möglich sein - ohne den Umweg über die Regierung. Die Details dieser geplanten Änderung sind aber offen - auch die Frage, ob dann noch der einzelne Staat für den Kredit haftet oder die jeweilige Bank. Unklar ist zudem, ob die jetzigen Bedingungen für die spanischen Bankenhilfen rückwirkend umgewandelt werden können. Sollte es dazu kommen, könnte sich am Ende Spanien der Haftung für die nun gewärten Kredite doch noch entledigen. Dies geht aber nur mit ausdrücklicher Zustimmung Deutschlands.

"Es wird ein Scheck gezogen. Man weiß nicht, ob er eingelöst wird"

tagesschau.de: Geht der Bundestag mit der morgigen Abstimmung einen gefährlichen Weg?

Paul: Ich würde schon sagen, es wird ein Scheck gezogen und man weiß nicht, ob er eingelöst werden kann. Weil wir noch nicht wissen, wer künftig in Europa die Bankenaufsicht hat und wie lange es dauern wird, bis wir wirklich eine harmonisierte Aufsicht haben werden.

tagesschau.de: Sollte die Politik ihrer Meinung nach noch etwas warten?

Paul: Das würde ich auf jeden Fall empfehlen, bis deutlicher ist, auf was sich die europäischen Länder einigen können.

Das Gespräch führte Michail Paweletz, tagesschau24