Hintergrund

Die wichtigsten Punkte im Überblick Gesetzentwurf gegen ein neues Lehman Brothers

Stand: 25.08.2010 12:18 Uhr

Spätestens seit der Lehman-Pleite oder dem Beinahe-Zusammenbruch der HRE ist klar: Bisher gibt es kein Konzept, wie systemrelevante Banken gerettet oder abgewickelt werden können, ohne das Finanzsystem zu gefährden. Das will die Regierung mit ihrem Gesetzentwurf ändern. Der Entwurf soll 2011 in Kraft treten und den bisherigen Bankenrettungsschirm ersetzen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Insolvenz, Reorganisation, Abwicklung

Das "Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten" sieht zwei Verfahren für Banken in Schieflage vor. Zunächst soll es ein Sanierungsverfahren geben. Es lehnt sich an das für das andere Betriebe seit 1999 geltende Insolvenzplanverfahren an und ist freiwillig. Es soll dem Vorstand ein frühzeitiges und entschiedenes Eingreifen ermöglichen, Eingriffe in Drittrechte wie die von Aktionären sind noch nicht vorgesehen. Ein Insolvenzgericht kann einen Sanierungsberater einsetzen, der für die Umsetzung des von der Bank vorgelegten Sanierungsverfahrens verantwortlich ist.

Das Lehman-Brothers Hauptquartier in New York

Der Gesetzentwurf des Bundes will die Auswirkungen von Pleiten wie bei Lehman Brothers künftig abmildern.

Als zweite Stufe sieht der Gesetzentwurf ein Reorganisationsverfahren vor. Es ermöglicht tiefgreifende Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Rechte wie das Eigentumsrecht und kann deshalb nur angewendet werden, wenn durch eine Pleite dem gesamten Finanzsystem Gefahr droht. Die Bankenaufsicht kann dieses Verfahren jederzeit auch ohne Zustimmung der Geschäftsleitung der Bank anordnen, auch ohne dass es zuvor ein Sanierungsverfahren gegeben hätte. Die Bankenaufsicht kann die systemrelevanten Teile der Bank ausgliedern und auf einen privaten Käufer oder auf eine staatliche Brückenbank übertragen - was an einer Bank systemrelevant ist, entscheidet die Aufsicht. Die restlichen Teile der Bank sollen dann marktschonend abgewickelt werden. Der Vorstand kann durch einen Sonderbeauftragten ersetzt werden.

Bankenabgabe und Restrukturierungsfonds

Um ein solches Verfahren auch finanziell abzusichern, wird ein Fonds für die Restrukturierung von Banken eingerichtet, der von der Finanzmarkt-Stabilisierungs-Anstalt (FMSA) verwaltet wird, die bereits den Bankenrettungsfonds SoFFin führt. Das Kapital dafür soll über einen Bankenabgabe zusammenkommen: In den Fonds müssen alle Kreditinstitute einzahlen, die ihren Sitz in Deutschland haben - Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Versicherungen oder Investmentfonds zahlen nicht.

Die Höhe der Abgabe orientiert sich am individuellen Risiko des jeweiligen Instituts und an seiner Finanzlage. Die Höhe der einmal jährlich erhobenen Abgabe darf 15 Prozent des Jahresergebnisses des Institutes nicht übersteigen. Ist kein Jahresüberschuss vorhanden, wird nur ein Mindestbeitrag erhoben. Im letzten Jahr vor der Finanzkrise - 2006 - wären auf diesem Weg etwa 1,3 Milliarden Euro zusammengekommen. Davon hätten 690 Millionen Euro die Privatbanken, 319 Millionen Euro die Landesbanken, 60 Millionen Euro die Sparkassen und 27 Millionen Euro die Genossenschaftsbanken getragen. Die restlichen 268 Millionen Euro wären auf Spezialbanken entfallen.

Wegen der durch die Krise geschwächten Ertragslage vieler Banken dürfte die derzeitige Belastung deutlich geringer sein - Schätzungen gehen in "normalen" Jahren von einem Gesamtbetrag in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr aus. Kritiker bemängeln, dass diese Summe im Notfall selbst nach zehn Jahren Einzahlung kaum für ein einziges größeres Institut reichen werde. Zum Vergleich: Zur Rettung der inzwischen verstaatlichten HRE stellte der Bund insgesamt rund 100 Milliarden Euro bereit.

Fahnen der Sparkasse

Auch Sparkassen sollen in den Fonds einzahlen.

Auch der Gesetzentwurf geht davon aus, dass weitere Mittel erforderlich sind. Daher soll der Bund dem Restrukturierungsfonds Kredite in Höhe von 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen können. Dazu wird ein Teil der Gelder, die bisher dem SoFFin zur Verfügung stehen, umgewidmet. Die Kredite müsste die Bankengemeinschaft später zurückzahlen. Dazu können auch Sonderabgaben angeordnet werden. Zudem kann der neue Fonds Kreditgarantien von bis zu 100 Milliarden Euro vergeben, wozu ebenfalls die Mittel des SoFFin abgesenkt werden.

Aus SoFFin wird FMSA

Der neue Fonds wird den SoFFin langfristig ersetzen, denn ab 2011 können keine neuen Anträge auf SoFFin-Hilfen mehr gestellt werden. Altfälle werden aber weitergeführt. Außerdem soll es möglich sein, dass Institute, die Geschäftsbereiche in eine "Bad Bank" mit SoFFin-Hilfe ausgelagert haben, dorthin weitere Teile auslagern, wenn das ihren eigenen Verkauf erleichtert. Mit dem Gesetz soll außerdem der Ausstieg des Bundes aus Bankenbeteiligungen erleichtert werden. So sollen stille Beteiligungen - die der Bund zurzeit etwa an der Commerzbank hält - einfacher in Aktien umgewandelt werden können, die leichter am Kapitalmarkt verkäuflich sind. Einsprüche der anderen Aktionäre haben dabei keine aufschiebende Wirkung.

Commerzbank in Frankfurt

Stille Beteiligungen des Bundes sollen künftig leichter in Aktien umgewandelt werden können.