Statt Asmussen wird Praet Chefvolkswirt Merkel sieht EZB-Personalie nicht als Schlappe

Stand: 04.01.2012 14:59 Uhr

Die Europäische Zentralbank hat sich gegen die Berufung des deutschen Kandidaten Asmussen als neuen Chefvolkswirt entschieden. Die Bundesregierung betonte, sie werte das Votum nicht als Niederlage. Denn die Übernahme anderer Aufgaben in der EZB verschaffe Asmussen eine Schlüsselsposition.

Die Bundesregierung wertet die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen eine Berufung des deutschen Kandidaten Jörg Asmussen als Chefvolkswirt nicht als Schlappe. "Das ist in keiner Weise eine Niederlage", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. "Die Bundeskanzlerin wusste immer, dass es keine Erbhöfe in der EZB gibt, und es kann nicht immer ein Land einen bestimmten Posten besetzen", fügte er hinzu. Der Posten, den Asmussen jetzt einnehme, sei "von außerordentlicher Wichtigkeit und großer Bedeutung und quasi eine Schlüsselposition".

Asmussen: "Ich bin zufrieden"

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußerte sich positiv zur künftigen Ressortverteilung innerhalb des EZB-Direktoriums. "Der neue Aufgabenzuschnitt im Direktorium der EZB ist eine ausbalancierte Entscheidung", sagte er. "Die EZB ist für die anstehenden Herausforderungen personell gut aufgestellt." Asmussen selbst trat ebenfalls dem Eindruck einer Niederlage entgegen. "Ich bin zufrieden", sagte der ehemalige Finanzstaatssekretär der "Bild"-Zeitung. Gemeinsam mit EZB-Präsident Mario Draghi werde er sich nun um das Krisenmanagement und die langfristige Ausgestaltung der Eurozone kümmern.

Die EZB hatte gestern überraschend mitgeteilt, dass der Belgier Peter Praet neuer Chefvolkswirt der Notenbank werde. Seit Gründung der EZB hatte stets ein Deutscher diese wichtige Position inne gehabt - zuletzt Jürgen Stark, der im Herbst aus Protest gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank seinen Rücktritt verkündet hatte. Asmussen galt neben dem Franzosen Benoît Coeuré als Favorit für die Nachfolge.

Im EZB-Direktorium, dem Asmussen seit Jahresbeginn angehört, soll er aber statt der Abteilung Volkswirtschaft nun die Abteilung Internationales leiten. Er wird damit die EZB bei internationalen Treffen wie denen der EU-Finanzminister und der Eurogruppe vertreten und Notenbank-Präsident Draghi bei wichtigen Gipfeln der EU und der G20 begleiten. Zudem ist Asmussen künftig für die Rechtsabteilung verantwortlich, der vor allem bei der Bewertung des Kaufs von Staatsanleihen Bedeutung zukommt.

FDP bedauert, Grüne sprechen von Schlappe

Die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestags, die FDP-Politikerin Birgit Reinemund, zeigte sich überrascht von der Personalentscheidung. "Schade, dass Deutschland nicht den Posten des Chefvolkswirts bekommen hat", sagte sie dem "Handelsblatt". Vielleicht wäre ein anderer deutscher Kandidat besser zu vermitteln gewesen. Trotzdem sei die Entscheidung der EZB keine Schlappe für Bundeskanzlerin Merkel.

Anders sehen das die Grünen. "Für die Bundesregierung ist das eine peinliche personalpolitische Schlappe", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, der "Rheinischen Post". Er fügte hinzu: "Der Versuch der Bundesregierung, das Amt des EZB-Chefvolkswirts als eine Art Erbhof zu betrachten, ist gründlich gescheitert". Eine Richtungsentscheidung sei mit der Ressortverteilung in der EZB aber wohl nicht gefallen.