
Druck auf IOC wächst Drei Szenarien für Olympia
Stand: 23.03.2020 09:37 Uhr
Kanada will wegen der Corona-Pandemie keine Sportler zu den Olympischen Spiele nach Japan schicken. Nun denkt auch das IOC über eine Verschiebung des Events nach. Drei Szenarien sind denkbar.
Kanada will wegen der Corona-Pandemie keine Sportler zu den Olympischen Sommerspielen sowie den Paralympischen Spielen in Tokio entsenden, wenn diese wie bislang geplant vom 24. Juli bis 9. August stattfinden. "Nichts ist wichtiger als die Gesundheit und Sicherheit unser Athleten und der Weltgemeinschaft", begründeten das kanadische Olympische Komitee und das kanadische Paralympische Komitee in einer gemeinsamem Erklärung ihren Beschluss.
Premier Abe: Verschiebung möglich
Inzwischen findet der Protest gegen die planmäßige Ausrichtung des Großevents auch in Japan Gehört: "Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen", sagte Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees von Tokio. Auch Japans Premierminister Shinzo Abe sprach erstmals von einer Verschiebung der Sommerspiele in seinem Land. Vor dem Parlament sagte er, dass damit gerechnet werden müsse. Von einer Absage könne aber keine Rede sein. "Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat", sagte Premierminister Abe. Die endgültige Entscheidung aber liege beim Internationalen Olympische Komitee (IOC).
Werden die Olympischen Spiele verschoben?
tagesschau 12:00 Uhr, 23.03.2020, Barbara Jung, ARD Tokio
Kritik von Politikern und Athleten
Auch aus Deutschland kommt Kritik am IOC. Der Athletensprecher des Leichtathletik-Weltverbandes und Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler sprach sich für eine Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr aus. "Wir Athleten - international kann ich da für die Leichtathletik sprechen - sind der Meinung, dass 2021 aktuell die maximale Sicherheit bietet", sagte der 28-Jährige im ARD-Morgenmagazin.
Die Vorsitzende des Bundestags-Sportauschusses, Dagmar Freitag, kritisierte die vom IOC angesetzte Vier-Wochen-Frist bis zur Entscheidung über eine mögliche Verlegung. Diese Hinhaltetaktik produziere "einen massiven Vertrauensverlust" und zeige "ein eklatantes Führungsversagen", sagte sie im HR. "Herrn Bach laufen die Athleten davon. Das Produkt Olympia steht auf dem Spiel." Auch das Polnische Olympische Komitee sprach sich für eine Verschiebung der Spiele aus.
IOC unter Druck
Die Äußerungen und Entscheidungen erhöhen den Druck auf das IOC. Der Verband hatte am Sonntag angekündigt, innerhalb von vier Wochen über eine mögliche Verschiebung der Spiele zu entscheiden. Eine vollständige Absage des Großereignisses schloss IOC-Präsident Thomas Bach in einem Brief an die Sportler jedoch aus. Nun sind drei Szenarien denkbar.
Drei Optionen
Szenario 1: Die Olympischen Spiele werden in den Herbst verschoben. Von den klimatischen Bedingungen wäre das ohnehin die beste Variante, hatte es doch schon große Kritik an dem Sommertermin wegen der großen Hitze in Tokio gegeben. Doch ob sich die Corona-Krise nur wenige Monate nach dem derzeitigen Termin (24. Juli bis 9. August) tatsächlich gebessert hat, erscheint fraglich. Auch dürften die zahlungskräftigen TV-Sender aus den USA kaum damit einverstanden sein, da in dieser Zeit die großen amerikanischen Ligen wieder im Spielbetrieb sind.
Szenario 2: Das Event wird ähnlich wie die Fußball-EM um exakt ein Jahr verschoben, also weiterhin im Sommer. Diese Variante gibt dem IOC und den Veranstaltern alle Zeit, das Virus sollte bis dahin eingedämmt sein. Allerdings müsste der Sportkalender stark angepasst werden. Im Sommer 2021 sind zum Beispiel die Weltmeisterschaften der Schwimmer in Fukuoka (Japan) und die der Leichtathleten in Eugene (USA) vorgesehen.
Szenario 3: Olympia wird auf 2022 verschoben. Der Termin hätte den Vorteil, dass genügend Zeit bliebe, den Sportkalender anzupassen. Allerdings würden sie dann im selben Jahr wie die Olympischen Winterspiele stattfinden, und beide Ereignisse in einem Jahr wären für das IOC vermutlich schwer zu stemmen - auch wenn bis 1992 Sommer- und Winterspiele stets im gleichen Jahr stattfanden. Zudem ist Ende 2022 auch noch die Fußball-WM in Katar angesetzt.
Einmaliges Vorgehen
Eine Olympia-Verschiebung wäre eine historisch einmalige Entscheidung. Eine Absage gab es in der Vergangenheit dagegen schon einige Male. Im Ersten Weltkrieg wurden die Sommerspiele 1916 (Berlin), im Zweiten Weltkrieg die Sommerspiele 1940 (Tokio) und 1944 (London) sowie die Winterspiele 1940 (Cortina d'Ampezzo) und 1944 (Sapporo) gestrichen.
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