Fiona Hill
#faktenfinder

Russische Einflussnahme Ablenken, manipulieren, erpressen

Stand: 14.10.2021 17:23 Uhr

Allerorten ist von russischer Einflussnahme die Rede. Doch was genau passiert da? Fiona Hill, Ex-Mitarbeiterin im Sicherheitsrat von US-Präsident Trump gab jetzt einen Einblick.

Als General Michael Flynn aus dem Team von US-Präsident Donald Trump 2017 nach einem Russland-Experten für den Nationalen Sicherheitsrat suchte, fanden sie in Fiona Hill eine ideale Kandidatin. Seit ihrem Studium in den 80er-Jahren ist sie mit der Region befasst. Sie studierte in Moskau und arbeitete bereits unter Präsident George W. Bush und Barack Obama im Nationalen Sicherheitsrat.

Neben dem zeitweiligen Verteidigungsminister Jim Mattis und anderen wurde sie als eine der "Erwachsenen im Raum" angesehen, die Trump mit ihrer Expertise in der Außenpolitik vor schweren Fehlern und riskanten Entscheidungen bewahren wollten.

John Bolton im Gespräch mit Wladimir Putin und Sergej Lawrow, begleitet von Sicherheitsberaterin Fiona Hill

Hill war mehr als zwei Jahre Mitarbeiterin im Stab von Trump, hier bei einem Gespräch mit Wladimir Putin in Moskau.

Hill blieb länger als andere im Weißen Haus. Doch nach zwei Jahren und fast vier Monaten entschied auch sie sich für den Abschied. Es war wenige Tage vor dem Telefonat Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskij am 25. Juli.

Jenes Telefongespräch steht nun im Mittelpunkt eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, das die Demokraten auf den Weg bringen wollen. Hill wurde dazu am 14. Oktober als Zeugin befragt. Das Protokoll dieser mehr als zehnstündigen Anhörung wurde nun veröffentlicht. Da Hill jede öffentliche Aussage zu ihrer Arbeit im Weißen Haus meidet, gibt die Aufzeichnung erstmals Einblicke dazu.

Offene Flanken

Darüber hinaus wurde Hill, die für ihr Wissen und ihre Integrität geschätzt wird, zur Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin befragt. Über ihn hatte sie mit einem Kollegen von der Brookings Institution in Washington ein Porträt von mehr als 500 Seiten veröffentlicht.

Aus ihren Antworten an die Abgeordneten sprach eine Warnung: Wenn sie sich vor Einflussnahme aus Russland und anderen Staaten wie China schützen wollten, dann müssten sie offene Flanken schließen. Die Schwächen im politischen System machten die USA angreifbar.

Dazu zählt Hill ethnische und religiöse Spannungen in der Gesellschaft, die scharfe Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern und Schmutzkampagnen mit falschen und irreführenden Informationen sowie Verschwörungstheorien gegen Politiker und Regierungsmitarbeiter. Sie nannte auch die engen Verbindungen zwischen Politik und Lobbyismus, Korruption sowie dubiose Geschäfte von Akteuren in der Politik.

Moskauer Deals

Putin verstehe die negativen Seiten der US-Gesellschaft und wisse sie zu nutzen. Hill verwies darauf, dass Putin als Führungsoffizier beim KGB ausgebildet worden sei und selbst oft betont habe, dass er auf die Arbeit mit Menschen spezialisiert sei. Dies bedeute, die Schwächen einer Person ausfindig zu machen, um sie manipulieren und erpressen zu können.

Der russische Präsident Putin.

Putin sprach oft darüber, dass er auf die Arbeit mit Menschen spezialisiert worden sei - ihre Schwächen zu finden und sie zu nutzen.

Aufgabe des KGB-Agenten im damaligen Leningrad sei es gewesen, Geschäftsleute aus dem Westen zu verfolgen und in geheime Operationen einzubinden. Nach dem Ende der Sowjetunion sei Putin als Vizebürgermeister von St. Petersburg für internationale Geschäftskontakte zuständig gewesen. Damals hätten sie und Kollegen immer wieder Besuch von Delegationen aus St. Petersburg bekommen.

Hill ist sich deshalb sicher, dass auch Donald Trump als Geschäftsmann im Visier war. Bevor er in die Politik einstieg, wollte er sein Business nach Osteuropa ausdehnen und Trump-Tower in Moskau, am Kaspischen und am Schwarzen Meer errichten.

Um sein Projekt in Moskau voranzutreiben, veranstaltete er dort 2013 einen "Miss Universe"-Wettbewerb und hoffte auf ein Treffen mit Putin. Er ging davon aus, dass sein Trump-Tower die Zustimmung aus dem Kreml bräuchte. Zwar war Putin unabkömmlich, aber Trump unterzeichnete 2015 einen Vorvertrag und verfolgte das Projekt nach Angaben seines inzwischen verurteilten Ex-Anwalts Michael Cohen bis in den Wahlkampf 2016.

Das Steele-Dossier - Einfallstor für Desinformation

Dass Trump kompromittiert sei und Putin ihn damit in der Hand habe, davor warnte der britische Ex-Geheimdienstagent Christopher Steele in einem von den Demokraten finanzierten Dossier, das kurz vor Trumps Amtseinführung 2017 öffentlich wurde und bis heute umstritten ist. Denn es enthält offensichtliche Fehler, die Angaben und Quellen wirken zu gut.

Auch Hill äußerte in der Anhörung Zweifel: Steeles Suche nach Informationen sei für die russische Seite wie ein Einfallstor gewesen für die Verbreitung von falschen und irreführenden, vermischt mit korrekten Informationen und damit geeignet, die Leser fehlzuleiten und abzulenken.

Fiona Hill, Ex-Mitarbeiterin des Nationalen Sicherheitsrates von Präsident US-Trump

Mit falschen und unwichtigen Informationen ablenken, ist eine Methode, die Hill aus ihrer Arbeit im Nationalen Sicherheitsrat kennt.

Hill kannte Steele aus seiner Zeit als MI6-Agent. Mehr noch ist sie aber mit der Methode vertraut: Als sie sich nach Informationen über Putin umgehört und die ersten Kapitel ihres Buches fertig geschrieben hatte, seien Telefon und Computer gehackt worden. Dann seien Kapitel im Internet aufgetaucht und plötzlich hätten sich Personen aus Russland gemeldet, an die sich nur vage erinnern konnte, um ihr Informationen zu jenen Kapiteln anzubieten.

Schon unter Präsident George W. Bush habe es Versuche gegeben, den Nationalen Sicherheitsrat mit Nachrichten über Putin irrezuführen und abzulenken.

Eine Frage der nationalen Sicherheit

Umso mehr zeigte sich Hill besorgt über aktuelle Kampagnen wie gegen die im Mai abberufene US-Botschafterin in der Ukraine, Maria Jowanowitsch. Sie sprach auch über die Aktivitäten von Trumps persönlichem Anwalt Rudolph Giuliani, der an den eigentlichen Verantwortlichen vorbei in der Ukraine aktiv war und sich darüber in der Öffentlichkeit verbreitete.

Mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020 warnte sie: "Wir werden in große Schwierigkeiten geraten, wenn wir uns nicht zusammenreißen und immer neues Material liefern, dass sie 2020 über uns ausschütten können." Das sei eine Frage der nationalen Sicherheit - und es könne jeden treffen.

Das Skript habe Russland im Wahlkampf 2016 geliefert und andere ruchlose Akteure China, Iran oder Nordkorea könnten es nutzen. Aber dazu benötigten sie Korruption, alternative Narrative und Zwiespalt in der Gesellschaft, sagte Hill.