Vladimir Putin und im Hintergrund unter anderen Sergei Lavrov und Dmitry Peskov
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Krieg gegen die Ukraine ++ Kreml hält trotz westlicher Hilfe an Kriegszielen fest ++

Stand: 16.10.2022 23:41 Uhr

Russland will trotz der westlichen Unterstützung für die Ukraine an seinen Kriegszielen festhalten. Im AKW Saporischschja verschlechtert sich die Lage nach Angaben des ukrainischen Atombehörden-Chefs mit jeder Woche. Die Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

16.10.2022 • 23:41 Uhr

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem Hintergrund zunehmender Drohungen Moskaus, das Getreideabkommen zu beenden, dessen Bedeutung für die Hungerbekämpfung betont. Obwohl der Krieg die Exporte weiter behindere, habe die Ukraine seit dem Inkrafttreten des Getreideabkommens fast acht Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Seeweg ausgeführt, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. "Das sind mehr als 300 Schiffe. 60 Prozent der Menge sind nach Afrika und Asien gegangen." Er kündigte an, die Exporte weiter auszubauen.

Erst vor wenigen Tagen hatte Russland damit gedroht, den Getreidedeal zu stoppen und die ukrainischen Häfen wieder zu blockieren. Im September schon hatte Russlands Präsident Wladimir Putin von "Abzocke" gesprochen. Die Vereinbarung werde bezüglich der Lockerung von Sanktionen gegenüber russischen Lebens- und Düngemitteln nicht eingehalten. Zuletzt führte der Kremlchef als Grund zudem die These an, dass die Ukraine vermutlich über den Seeweg den Sprengstoff für den Anschlag auf die Krim-Brücke geschmuggelt habe.

Die Außenminister der EU-Staaten beraten am Montag in Luxemburg über die weitere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Bei dem Treffen sollen ein Ausbildungseinsatz für die ukrainischen Streitkräfte sowie der Einsatz von weiteren 500 Millionen Euro für den Kauf von Waffen und Ausrüstung beschlossen werden.

Der neue ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev macht sich auf den Weg nach Berlin - mit dem Auto. Der Nachfolger von Andrij Melnyk wird am Montag an seiner neuen Wirkungsstätte erwartet. Der Wechsel an der Spitze der Botschaft wird formell aber erst mit Makeievs Akkreditierung bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vollzogen, für die es noch keinen offiziellen Termin gibt. Makeiev war bisher Regierungsbeauftragter für die Sanktionen gegen Russland.

Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR hat 100.000 Dollar (rund 103.000 Euro) Kopfgeld für die Ergreifung des einstigen russischen Geheimdienstoffiziers Igor Girkin ausgesetzt, der 2014 den Separatistenaufstand im Donbass angeführt hatte. "Die Hauptverwaltung für Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums garantiert die Auszahlung von 100.000 Dollar für die Übergabe von Igor Girkin (Strelkow) in ukrainische Gefangenschaft", teilte der Militärnachrichtendienst auf seiner Webseite mit. Girkin, bekannt unter seinem Decknamen "Strelkow", wird unter anderem für den Abschuss eines Passagierflugzeugs über dem Donbass verantwortlich gemacht.

Russland hält ungeachtet der westlichen Unterstützung für die Ukraine an seinen Kriegszielen im Nachbarland fest. Die NATO sei "de facto" schon in den Konflikt involviert, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in einem Interview des Staatsfernsehens. Dies beeinflusse aber nicht Russlands Ziele. Mit Blick auf die vor knapp acht Monaten gestartete Invasion sagte Peskow, die "Operation" werde fortgeführt und zu Ende gebracht.

Die Hilfe westlicher Staaten für die Ukraine erschwere dies zwar. Russland habe aber genug Potenzial zur Fortsetzung des Einsatzes. Eine Sache sei das "Kiewer Regime", eine andere das Potenzial der NATO, meinte er. Dies sei eine Zusatzbelastung.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat erschüttert auf Berichte reagiert, wonach der ukrainische Dirigent Jurij Kerpatenko von russischen Soldaten getötet wurde. "Offenkundig wenden die russischen Besatzer brutalste Repressionen bis hin zu Mord an, um die Ukrainerinnen und Ukrainer in den von Russland besetzten Gebieten dazu zu bringen, diese verbrecherische Okkupation hinzunehmen", erklärte Roth am Sonntag in Berlin. "Putin und seine Schergen wollen die eigenständige Kultur und kulturelle Identität der Ukraine zerstören", so die Politikerin. Dafür würden Kultur und Kulturschaffende gezielt missbraucht.

Der ehemalige US-General Ben Hodges hält eine Befreiung der von Russland besetzten Halbinsel Krim bis zum Sommer kommenden Jahres für möglich. "Wenn ich mir die Situation anschaue, dann sehe ich, dass die Lage der Russen mit jeder Woche schlechter wird. Man sagt, Krieg sei ein Test des Willens und der Logistik - und in beiden Punkten ist die Ukraine weit überlegen", sagte der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Army in Europa der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Auf die Frage: "Wie kann dieser Krieg enden" antwortete der frühere Drei-Sterne-General: "Die Russen müssen verlieren - sonst versuchen sie es in zwei oder drei Jahren wieder."

Der von Russland und Belarus angekündigten gemeinsamen Eingreiftruppe gehören belarusischen Angaben zufolge knapp 9000 Soldaten aus Russland an. Die ersten Eisenbahnzüge mit russischen Mitgliedern dieser Truppe seien in Belarus angekommen, teilt das Verteidigungsministerium in Minsk mit. Der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko hatte die gemeinsame Truppe als Maßnahme zur Grenzverteidigung angekündigt.

Russland setzt seine massiven Deportationen von Ukrainern in den von Moskau besetzten Gebieten nach Einschätzung unabhängiger Experten fort. Die russischen Behörden hätten offen zugegeben, Kinder aus den besetzten Gebieten der Ukraine zur Adoption an russische Familien auf eine Weise zu vermitteln, die einen Verstoß gegen die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes darstellen könnte, schrieb die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington.

Zudem habe der russische Vizeregierungschef Marat Chusnullin am 14. Oktober erklärt, dass "mehrere tausend" Kinder aus der Oblast Cherson im Südosten der Ukraine "bereits in anderen Regionen Russlands in Erholungsheimen und Kinderlagern untergebracht sind". Möglicherweise betrieben die russischen Behörden darüber hinaus eine umfassendere Art der ethnischen Säuberung, indem sie ukrainisches Gebiet durch Deportationen entvölkern und ukrainische Städte mit ins Land gebrachten russischen Bürgern neu besiedelten, schrieb das ISW weiter. Ethnische Säuberungen sind den Experten der Denkfabrik zufolge an sich nicht als Verbrechen im Sinne des Völkerrechts definiert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Rückschlag für die Idee eines "gemeinsamen Hauses Europa" durch den Ukraine-Krieg bedauert. Der Wunsch des im August verstorbenen ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow sei ein Traum geblieben. Der Albtraum des Krieges sei an die Stelle des Traums getreten. Und dies verursache auch, dass "wir im Moment mit dem Widerspruch leben, dass das Getreide in den Lagern der Ukraine verdirbt und Menschen in anderen Teilen der Welt Hunger leiden", sagte Steinmeier im Kloster Schöntal (Hohenlohekreis) bei der Übergabe einer Erntekrone an ihn.

Russland hat nach eigenen Angaben einen Vormarsch ukrainischer Truppen in den Regionen Donezk, Cherson und Mykolajiw abgewehrt. Dabei seien der ukrainischen Seite erhebliche Verluste zugefügt worden, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland setze seine Angriffe gegen militärische Ziele und gegen die Energieversorgung in der Ukraine mit Präzisionswaffen fort. Dabei seien in der Region Charkiw drei US-Haubitzen vom Typ M777 zerstört worden.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Der ukrainische Generalstab hat pro-russischen Kämpfern in der Region Luhansk vorgeworfen, die dortigen Bewohner aus ihren Wohnungen und Häusern auszuquartieren. Sie würden dann zur Unterbringung von Offizieren genutzt, hieß es im Lagebericht des Generalstabs auf Facebook. Konkrete Beweise für dieses Vorgehen in der russisch besetzten Stadt Rubischne legte die Militärführung nicht vor. Sie warf den Gegnern einen Bruch des humanitären Völkerrechts vor.

Die Ukraine hat die russische Armee für weitere Angriffe auf zivile Ziele verantwortlich gemacht. Allein in Nikopol im Süden des Landes seien mehr als 30 Geschosse eingeschlagen, teilte der stellvertretende Chef des Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, per Telegram mit. Sechs Menschen wurden verletzt, mehr als 20 Häuser sowie mehrere Stromleitungen wurden beschädigt, hieß es. Berichte aus den Kampfgebieten können nicht unabhängig geprüft werden. Nikopol liegt dem zuletzt mehrfach beschossenen Atomkraftwerk Saporischja gegenüber - am anderen Ufer des hier zum Stausee geformten Fluss Dnipro.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hält bei der militärischen Unterstützung für die Ukraine derzeit die Stärkung von deren Luftverteidigung für vorrangig. "Wir haben gerade Anfang der Woche gesehen, wie wichtig die Luftverteidigung ist", sagte Baerbock dem Sender Phoenix mit Blick auf die russischen Angriffe. Dabei habe zum Glück rund die Hälfte der auf Kiew abgeschossenen Raketen abgefangen werden können. Baerbock führte dies auch auf deutsche Waffenlieferungen zurück. Es werde aber von deutscher Seite "gerade im Luftverteidigungsbereich weitere Unterstützung geben". Deutschland hat dem Land kürzlich bereits ein erstes Luftabwehrsystem vom Typ Iris-T SLM geliefert, drei weitere sollen möglichst bald folgen.

In dem von russischen Truppen besetzten Kernkraftwerk Saporischschja verschlechtert sich die Situation nach Worten des ukrainischen Atombehörden-Chefs mit jeder Woche. Die Besatzer hätten unter anderem das Verwaltungsgebäude, ein Schulungszentrum und einen Block des AKW beschädigt, sagte Petro Kotin dem ZDF. Sie lagerten Ausrüstung und Lastwagen, was große Brandgefahr schaffe. "Niemand weiß, was sich in diesen Lastwagen befindet."

Gleichzeitig stünden die Mitarbeiter unter hohem Druck. "Im Moment versuchen sie, das Personal zu drängen, Arbeitsverträge mit Russland zu unterzeichnen", so Kotin. "Das Personal hat die Wahl, entweder diesen Vertrag zu unterschreiben oder geschlagen oder gefoltert zu werden." Etwa 100 Menschen seien gefangen genommen worden, von anderen wisse man nicht, was mit ihnen passiert sei. Den Menschen sei es verboten, das Gebiet zu verlassen.

Die von Russland gelenkten Separatisten in der Ostukraine haben über einen Beschuss der Stadt Donezk durch die ukrainische Armee berichtet. Dabei sei ein Verwaltungsgebäude stark beschädigt worden, teilte Bürgermeister Alexej Kulemsin der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge mit. Unter anderem seien Scheiben zerborsten und Autos in Brand geraten, hieß es. "Wie durch ein Wunder ist niemand gestorben", wurde Kulemsin zitiert. Unabhängig bestätigen ließen sich die Angaben nicht.

Die Industriestadt Donezk steht seit 2014 unter der Kontrolle von prorussischen Separatisten. Die von Moskau unterstützen Kräfte machten die ukrainische Armee am Sonntag für 40 Attacken auf Ziele in der von Russland anerkannten "Volksrepublik Donezk" innerhalb von 24 Stunden verantwortlich. Dabei sei ein Zivilist getötet worden, vier weitere wurden verletzt.

Russland kommt nach britischen Angaben wegen seines Vorgehens beim Angriffskrieg gegen die Ukraine bei der Produktion von Munition nicht mehr hinterher. "Die russische Verteidigungsindustrie ist vermutlich nicht in der Lage, fortschrittliche Munition in dem Maße zu produzieren, in dem sie verbraucht wird", teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg mit. Die mehr als 80 Raketenangriffe auf mehrere ukrainische Städte zu Wochenbeginn bedeuteten eine weitere Verschlechterung der russischen Bestände an Langstreckenraketen, erklärten die Briten. Dies schränke voraussichtlich die russischen Möglichkeiten ein, in Zukunft erneut diese Anzahl an Zielen zu treffen.

Laut ukrainischem Präsident Wolodymyr Selenskyj sind die Kämpfe in den östlichen Provinzen Donezk und Luhansk an der Grenze zu Russland im Moment besonders heftig. Wie er in einer Videoansprache erklärte, ist die Situation in den genannten Regionen nach wie vor schwierig. "Am schwierigsten ist die Lage in Richtung Bachmut. Wir halten unsere Positionen", so Selenskyj. Russische Streitkräfte hätten wiederholt versucht, Bachmut einzunehmen.

Karte: Ukraine mit den Städten Kiew und Bachmut

Kiew hatte am Freitag erklärt, es erwarte, dass die USA und Deutschland noch in diesem Monat hoch entwickelte Flugabwehrsysteme liefern würden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach der Lieferung eines deutschen Luftabwehrsystems vom Typ Iris-T SLM an die Ukraine fordert CSU-Chef Markus Söder eine Anschaffung solcher Militärtechnik auch zum Schutz deutscher Großstädte. "Wir müssen Raketen- und Luftabwehrschutzsysteme für deutsche Städte installieren", sagte Söder der "Bild am Sonntag". "Damit hätten wir einen kompletten Schutzschirm über Deutschland. Es reicht nicht, nur unsere Partner zu schützen, sondern wir müssen das auch für das eigene Land tun."

Deutschland hatte vor wenigen Tagen ein erstes hochmodernes Luftabwehrsystem Iris-T SLM an die Ukraine geliefert. Drei weitere dieser Systeme sollen im kommenden Jahr folgen. Das Iris-T SLM kann zur Abwehr von anfliegenden Raketen in einer Höhe bis zu 20 Kilometern und in einer Entfernung von bis 40 Kilometern eingesetzt werden. Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge kann das System "eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen" schützen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. Oktober 2022 um 09:00 Uhr.