Der russische Botschafter Schulgin spricht vor dem Internationalen Strafgericht in Den Haag.
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Krieg gegen die Ukraine ++ 32 Länder unterstützen Klage gegen Russland ++

Stand: 09.06.2023 22:11 Uhr

Der Internationale Gerichtshof hat den Weg freigemacht für eine Beteiligung von Verbündeten der Ukraine in einem Prozess gegen Russland. US-Spionage-Satelliten sollen Explosionen am Kachowka-Staudamm erfasst haben. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Obwohl die Zerstörung des Kachowka-Damms die Region Mykolajiw schwer getroffen hat, wollen nicht alle Bewohner das überflutete Gebiet verlassen.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Anträge von 32 Ländern zur Unterstützung der Ukraine in einem Völkermordprozess gegen Russland angenommen. Das gab das höchste UN-Gericht bekannt. Es handelt sich um die bislang höchste Zahl von Ländern, die sich der Klage eines anderen Landes vor dem Gericht angeschlossen haben. Die Regierung in Kiew reichte die Klage wenige Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 ein. Anhörungen im Folgemonat blieb der Kreml fern.

Die Klage macht geltend, dass Russland gegen die UN-Völkermordkonvention aus dem Jahr 1948 verstoßen habe, indem es die Ukraine fälschlicherweise des Völkermords in deren östlichen Regionen Luhansk und Donezk beschuldigt und das als Vorwand für den Einmarsch genommen habe. Lettland schloss sich als erstes Land der Klage an. Insgesamt 33 Staaten - darunter die USA, Kanada, Australien und alle EU-Staaten außer Ungarn - beantragten, sich dem Fall aufseiten der Ukraine anzuschließen. Den US-Antrag wiesen die UN-Richter aus formalen Grünen ab. Alle anderen Anträge seien zulässig, erklärten die Richter. Jedes Land, das die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ratifiziert hat, hat das Recht, sich an entsprechenden Fällen zu beteiligen.

Nach russischen Angaben zum Beginn der lange erwarteten Gegenoffensive der Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Streitkräfte für ihr "Heldentum" gelobt. "Für unsere Soldaten, für alle, die sich in diesen Tagen in besonders harten Kämpfen befinden. Wir sehen euer Heldentum und wir sind euch dankbar für jede Minute eures Lebens", sagte Selenskyj in seiner täglichen Ansprache am Freitagabend. 

Die russische Großbank VTB erwartet trotz Finanzsanktionen des Westens für dieses Jahr einen milliardenschweren Rekordgewinn. Nach einem Rekordverlust 2022 gehe das im Staatsbesitz befindliche Geldhaus von einem Ergebnis von rund 400 Milliarden Rubel (umgerechnet 4,5 Milliarden Euro) für das laufende Jahr aus, sagte VTB-Chef Andrej Kostin. In den ersten fünf Monaten habe sich der Gewinn bereits auf 239 Milliarden Rubel belaufen.

Großbritannien hat zwei Tage in Folge Kampfjets entsandt, um mehrere russische Flugzeuge nahe des NATO-Luftraums abzufangen und zu eskortieren. "Die russischen Flugzeuge hielten sich nicht an die internationalen Regeln, indem sie nicht mit den entsprechenden Fluginformationsgebieten (FIR) kommunizierten", erklärte das britische Verteidigungsministerium. Die russischen Flugzeuge seien bei den Vorfällen am Donnerstag und Freitag jedoch im "internationalen Luftraum" geblieben und "professionell geflogen".

In der EU soll es künftig Mindestvorschriften für die Bestrafung von Verstößen gegen EU-Sanktionen geben. So soll zum Beispiel die Lieferung von Militärgütern an Russland künftig EU-weit mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren geahndet werden. Das bedeutet, dass Strafregeln nicht mehr möglich wären, die für solche Vergehen nur Strafen von bis zu zwei Jahren vorsehen.

Die bei einem Innenministertreffen in Luxemburg vereinbarten Pläne wurden erarbeitet, um insbesondere die Umgehung von Strafmaßnahmen gegen Russland zu reduzieren. Bislang sind EU-Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, solche Verstöße strafrechtlich zu verfolgen. In Deutschland werden nach Angaben aus Regierungskreisen vermutlich keine Gesetzesänderungen notwendig sein, weil Sanktionsverstöße dort schon heute hart bestraft werden können.

Schweden hat sich bereit erklärt, vorläufige NATO-Stützpunkte auf seinem Territorium zu erlauben - noch bevor es ein volles Mitglied des Militärbündnisses ist. "Die Regierung hat entschieden, dass die Armee Vorbereitungen mit der NATO und NATO-Mitgliedstaaten vornehmen kann, um künftige gemeinsame Einsätze zu ermöglichen", erklärte der schwedische konservative Ministerpräsident Ulf Kristersson in einem Artikel in der Tageszeitung "Dagens Nyheter", den auch Verteidigungsminister Pal Jonson unterschrieb.

Das US-Verteidigungsministerium hat zusätzliche 2,1 Milliarden Dollar Militärhilfe für die Ukraine angekündigt. Das Paket umfasse Munition für "Patriot"- und "Raytheons HAWK"-Luftverteidigungssysteme, unbemannte "Puma"-Flugsysteme von AeroVironment und weitere Ausrüstung sowie Hilfen für Ausbildung in Instandsetzung, heißt es in einer Erklärung.

Island stellt ab dem 1. August den Betrieb seiner Botschaft in der russischen Hauptstadt Moskau ein. Das hat Außenministerin Thórdís Kolbrún Gylfadóttir beschlossen, wie das isländische Außenministerium mitteilte. Die Beziehungen zu Russland befänden sich auf einem historischen Tiefstand. Die Aufrechterhaltung des Botschaftsbetriebs lasse sich daher nicht länger rechtfertigen. Außerdem forderte Gylfadóttir Russland auf, seinen Botschaftsbetrieb in der isländischen Hauptstadt Reykjavik einzuschränken.

Das norwegische seismologische Institut Norsar hat nach eigenen Angaben eine Explosion am ukrainischen Kachowka-Staudamm zum Zeitpunkt seiner Zerstörung festgestellt. "Wir sind sicher, dass es eine Explosion gab", sagte Norsar-Chef Ben Dando. Dies würde die allgemeine Annahme bestätigen, dass der Staudamm durch eine bewusste Aktion zerstört wurde - und nicht aufgrund von Schäden durch vorherige Bombardierungen nachgab. Angaben zum möglichen Auslöser der Explosion machte das Institut nicht.

Die lang erwartete Gegenoffensive der Ukraine hat nach Darstellung des russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnen. "Wir können mit Sicherheit sagen, dass diese Offensive begonnen hat", sagte Putin der Agentur Interfax zufolge vor Journalisten. Zuvor hatten auch schon einige internationale Medien unter Berufung auf ukrainische Militärvertreter vermutet, dass die Aktion zur Befreiung von Russland besetzter Gebiete seit einigen Tagen laufe.

Kiew selbst hält sich bedeckt, hatte allerdings auch immer betont, dass es sich nicht zum Beginn der eigenen Offensive äußern werde. Putin sagte, es gebe bereits seit fünf Tagen "intensive Kämpfe". Außerdem behauptete er, die Ukrainer hätten an keinem Frontabschnitt ihre Ziele erreicht.

US-Spionage-Satelliten haben einem Zeitungsbericht zufolge kurz vor dem Bruch des Kachowka-Staudamms eine Explosion dort festgehalten. Die Satelliten hätten mit Infrarotsensoren eine Wärmesignatur entdeckt, die auf eine größere Explosion hindeutete, sagte ein US-Regierungsvertreter der "New York Times". Zwar gingen Analysten des US-Geheimdienstes davon aus, dass Russland hinter der Zerstörung des Damms stecke. Es lägen jedoch keine belastbaren Beweise vor.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hat auf dem Evangelischen Kirchentag die Lieferungen von Waffen an die Ukraine gerechtfertigt. "Wenn der Westen nicht mit Waffen unterstützt hätte, wäre der Krieg zu Ende, aber die Ukraine unter dem Joch Russlands. Der Krieg wäre vorbei, aber das Leiden ginge weiter", sagte er in Nürnberg.

Der Iran unterstützt Russland nach Informationen der US-Geheimdienste beim Bau einer Drohnenfabrik östlich von Moskau. Der Kreml wolle sich auf diese Weise ständigen Nachschub für den Angriff auf die Ukraine sichern, hieß es in einem Bericht der Geheimdienste, den das Weiße Haus am Freitag veröffentlichte. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, US-Geheimdienstmitarbeiter glaubten, dass eine Fertigungsanlage in der russischen Sonderwirtschaftszone Alabuga zu Beginn des kommenden Jahres betriebsbereit sein könnte.

Russland hat eigenen Angaben zufolge erneut mehrere ukrainische Angriffe im Süden der Ukraine zurückgeschlagen. In der südlichen Region Donezk sowie im Gebiet Saporischschja hätten ukrainische Kräfte in den vergangenen 24 Stunden "weiterhin versucht, eine Offensive auszuführen", seien aber von "Streitkräften, Luftwaffe und Artillerie" entscheidend zurückgeschlagen worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium.

An den nun zurückgeschlagenen ukrainischen Angriffen seien bis zu zwei Bataillone mit Unterstützung ukrainischer Panzer beteiligt gewesen. Als Orte des Kampfgeschehens nannte Moskau die Ortschaften Lewadnoje, Novodanyliwka und Malaja Tokmachka in der Region Saporischschja sowie Nowosilka in der Region Donezk.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die internationalen Hilfen für die Ukraine belaufen sich nicht nur auf Waffenlieferungen. Viele Freiwillige aus allen Winkeln Europas und der Welt unterstützen das angegriffene Land mit Sachspenden, Hilfstransporten oder ihren bloßen Händen. Auch aus Deutschland sind viele Helferinnen und Helfer bereits in die Ukraine gereist, János Kereszti hat einige von ihnen getroffen.

Russland hat elf ungarischstämmige Kriegsgefangene aus der Ukraine direkt an Ungarn übergeben. Der ungarische Vize-Ministerpräsident Zsolt Semjen bestätigte eine entsprechende Mitteilung der russisch-orthodoxen Kirche in Ungarn vom Vortag. Demnach habe Moskau einem Wunsch Ungarns entsprochen, hieß es darin. Die Ukraine sei in den Vorgang nicht eingebunden gewesen, berichteten Medien.

Russland will nach Angaben von Präsident Wladimir Putin Anfang Juli mit der Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus beginnen. Die Vorrichtungen dafür stünden am 7. bis 8. Juli bereit, sagt Putin bei einem Treffen mit dem belarusischen Staatschef Alexander Lukaschenko in der russischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi. "Alles läuft also nach Plan, alles ist stabil", erklärt Putin laut einer Mitteilung des Präsidialamts in Moskau.

Putin und sein enger Verbündeter Lukaschenko hatten bereits vor einiger Zeit vereinbart, dass russische Kurzstreckenraketen auf dem Territorium der benachbarten Ex-Sowjetrepublik stationiert werden. Dies hatte scharfe Kritik unter anderem der USA ausgelöst.

Die ersten gemeinsamen Gaseinkäufe in der EU sind unter Dach und Fach. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, sagte dazu: "Ich freue mich, berichten zu können, dass die ersten Verträge bereits unterzeichnet worden sind." Er sei zuversichtlich, dass weitere Verträge unterzeichnet würden.

Die EU-Länder hatten vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr beschlossen, gemeinsam Gas zu kaufen, um Unternehmen stabilere Preise zu sichern und die Gasspeicher wieder aufzufüllen. Außerdem soll vermieden werden, dass sich die EU-Staaten gegenseitig überbieten.

Nach Medienberichten über eine mögliche ukrainische Spur bei den Explosionen an den Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 fordern Bundestagsabgeordnete rasche Aufklärung. "Die Öffentlichkeit muss schnellstmöglich von den Behörden über den Stand der Dinge informiert werden", sagte Ralf Stegner (SPD) dem "Spiegel". Alle Informationen müssten ans Licht, um Verschwörungstheorien entgegenzuwirken.

Die "Washington Post" hatte berichtet, die US-Regierung habe drei Monate vor den Explosionen im September 2022 von einem europäischen Geheimdienst von einem Plan des ukrainischen Militärs erfahren. In dem Bericht hieß es, die Ukraine plane einen geheimen Angriff auf die Pipelines mithilfe von Tauchern, die direkt dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte unterstanden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Beteiligung seines Landes bestritten.

Das UN-Menschenrechtsbüro kann noch nicht beurteilen, ob die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine ein Kriegsverbrechen ist. UN-Sprecher Jeremy Laurence sagte dazu: "Da die Umstände des Vorfalls nach wie vor unklar sind, ist es verfrüht, die Frage zu prüfen, ob ein Kriegsverbrechen begangen worden sein könnte."

Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer unabhängigen, unparteiischen, gründlichen und transparenten Untersuchung.
Jeremy Laurence, UN-Sprecher

Nach Angaben von Lawrence sind alle Anträge, die ukrainischen Gebiete unter russischer Besatzung aufzusuchen, bislang abgelehnt worden. Die Ukraine beschuldigt russische Truppen, das Wasserkraftwerk an dem Staudamm vermint und dann gesprengt zu haben. Dagegen behauptet Russland, der Staudamm sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden. Experten schließen auch nicht aus, dass der von Russland seit langem kontrollierte Staudamm schlecht gewartet und unter dem Druck der Wassermassen zerstört wurde.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg wirft Russland vor, die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verursacht zu haben. Die Folgen des Dammbruchs seien "absolut entsetzlich und schrecklich", sagt sie der Nachrichtenagentur Reuters während eines wöchentlichen Klimastreiks vor dem schwedischen Parlament.

Russland muss für sein Handeln und seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Augen der Welt sind jetzt auf sie gerichtet.
Greta Thunberg, Klimaaktivistin

Bereits am Donnerstag sprach die 20-Jährige auf Twitter von einem Ökozid, der "als Fortsetzung der unprovozierten umfassenden Invasion Russlands in der Ukraine" eine "weitere Gräueltat" sei, die der Welt die Sprache verschlage.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Video-Botschaft nur vage über die jüngsten Kämpfe gegen die russischen Angriffstruppen berichtet. Er sei in Kontakt mit den ukrainischen Einheiten in "allen heißesten Gegenden" und lobte sie für das "Ergebnis" ihrer Anstrengungen, das er aber nicht näher erklärte.

Das am Freitag von seinem Büro veröffentlichte Video, das der Präsident offenbar nach seinem Besuch in den Überschwemmungsgebieten am Kachowka-Damm am Donnerstag von einem Zug aus aufgenommen hatte, wurde von einigen Beobachtern als mögliche Anspielung auf die lange erwartete ukrainische Gegenoffensive verstanden. Mehrere westliche Militärexperten vermuten, dass diese Offensive bereits im Gange ist, die ukrainische Führung hat das aber bisher nicht bestätigt. Selenskyj sagte in dem Video, die Zeit sei noch nicht gekommen, um Einzelheiten der Kämpfe offenzulegen.

Aus Protest gegen Marktverzerrungen durch günstige Agrarimporte aus der Ukraine haben polnische Bauern einen Grenzübergang zum östlichen Nachbarland blockiert. Der Grenzübergang Dorohusk sei derzeit für den Güterverkehr aus der Ukraine nicht passierbar, teilte die Straßenverkehrsdirektion mit. Nach Angaben der Organisatoren soll die Blockade bis Sonntagabend anhalten. Sie wollen damit gegen den Preisverfall protestieren, der durch den Import von Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine entstanden ist.

Russlands Notenbank tastet den Leitzins nicht an und hält sich zugleich die Tür für eine Erhöhung weiter offen. Sie beließ den Schlüsselzins bei 7,5 Prozent. Das hatten die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Experten erwartet. Die Zentralbank sieht steigende Inflationsrisiken und schließt daher ein Anziehen der geldpolitischen Zügel auf künftigen Sitzungen nicht aus. Der nächste Zinsentscheid steht am 21. Juli an.

Die Zentralbank rechnet damit, dass die Inflationsrate dieses Jahr bei 4,5 bis 6,5 Prozent landen wird und erst 2024 zum Stabilitätsziel von vier Prozent zurückkehren wird

Russlands Präsidialamt wirft der Ukraine abermals vor, nach dem Dammbruch wiederholt auf Flutopfer zu schießen. Dabei seien Zivilisten getötet worden, darunter eine Schwangere. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnet die angeblichen Angriffe als barbarisch.

Die Ukraine hat wiederum Russland vorgeworfen, auf Zivilisten und Rettungskräfte in dem Überschwemmungsgebiet zu schießen. Das Gebiet befindet sich entlang des Flusses Dnipro, der in der Gegend etwa die Front zwischen den Kriegsparteien bildet. Einige Teile werden von ukrainischen Soldaten kontrolliert, andere von russischen Einheiten.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will am Montagabend in Paris mit den Präsidenten Frankreichs und Polens, Emmanuel Macron und Andrzej Duda, über die Lage in der Ukraine beraten. Dabei gehe es sowohl um die weitere militärische Unterstützung als auch um humanitäre Hilfe nach der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms, teilte der Elysée-Palast mit. Themen des Arbeitsessens seien zudem Sicherheitsgarantien für die Ukraine sowie die Vorbereitung der anstehenden Gipfel der EU und der NATO. Das jüngste Treffen im Format des sogenannten Weimarer Dreiecks hatte im Februar in München stattgefunden.

Zuvor hatten sich bereits der britische Premierminister Rishi Sunak und US-Präsident Joe Biden getroffen. Sie bekräftigten dabei ihre Unterstützung für die Ukraine.

In der Region Donezk gibt es nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Verteidigungsministerin Hanna Maljar heftige Kämpfe. "Die Lage ist angespannt in allen Bereichen der Front", erklärt sie auf Telegram. Russland richte seinen Fokus weiterhin in Richtung der Donezker Städte Lyman, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka. "Die schweren Kämpfe gehen weiter." Die ukrainischen Truppen wehrten die russischen Angriffe jedoch ab. Zuvor hatte bereits Russland Kämpfe in der Region gemeldet.

Vier Menschen sind in der Region Cherson nach ukrainischen Angaben infolge der Überschwemmungen nach dem Dammbruch ums Leben gekommen. 13 würden noch vermisst, teilt Innenminister Ihor Klymenko auf Telegram weiter mit. 2412 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden.

Nach der Zerstörung des ukrainischen Kachowka-Staudammes stellt die Caritas im Norden 10.000 Euro für die Opfer bereit. Zudem rief die katholische Hilfsorganisation zu weiteren Spenden auf. Es bestehe ein großer Bedarf an Hygieneprodukten, Reinigungsmitteln, Antiseptika, Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Zudem benötigten die Menschen Pumpen, Gummistiefel, Handschuhe, Schaufeln und andere Haushaltsgegenstände zum Reinigen von Schlamm. Die Caritas im Norden ist seit mehr als 20 Jahren in der Ukraine humanitär tätig und pflegt Kontakte zu den ukrainischen Caritasverbänden.

Die Wirtschaft in der Ukraine ist zu Jahresbeginn eingebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10,5 Prozent gesunken, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Der Rückgang sei allerdings geringer ausgefallen als zunächst befürchtet. Dies deute darauf hin, dass sich die Wirtschaft schneller als erwartet an die Lage nach der russischen Invasion angepasst habe. Das Ministerium hatte zunächst mit einem Rückgang des BIP um 14,1 Prozent für das ersten Quartal gerechnet.

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Berlin Hilfsgüter zur Unterstützung der Flutopfer in das Krisengebiet geschickt. Am Morgen sei ein Lastwagen im Logistikzentrum des DRK am Flughafen Schönefeld mit 13,3 Tonnen Hilfsgüter beladen worden und in Richtung Ukraine aufgebrochen, sagte DRK-Sprecherin Rebecca Winkels der Nachrichtenagentur dpa.

Zu den Hilfsgütern des DRK gehören vor allem Wasser und Hygienekits. "Bei Überschwemmungen besteht vermehrt die Gefahr, an verschmutztem Trinkwasser und fehlender Abwasserbehandlung zu erkranken", sagte Winkels. Deswegen sei sauberes Wasser besonders wichtig. Die gut 1000 Hygienekits seien unter anderem mit Zahnbürsten, Duschgel, Handtüchern und Toilettenpapier bestückt. "Ein Hygienekit bringt eine Familie von fünf Leuten durch einen Monat."

Russland droht erneut mit einem Ende des von den Vereinten Nationen (UN) und der Türkei vermittelten Abkommens, das trotz des Krieges in der Ukraine Ausfuhren von Getreide und Ölsaaten über das Schwarze Meer ermöglichen soll. Russland setze zwar die Beratungen mit den UN fort, sagte der russische Botschafter in der Türkei laut der Nachrichtenagentur RIA. Für eine Verlängerung der Vereinbarung gebe es aber keine Grundlage.

Wenn Russland sich weiter sperrt, läuft das Abkommen im Juli aus. Russland stellt eine Reihe von Bedingungen, darunter die Wiedereröffnung der seit Kriegsbeginn stillgelegten und zuletzt beschädigten Ammoniak-Pipeline zwischen dem russischen Togliatti und dem Schwarzmeer-Hafen Odessa. Wie der russische Vize-Außenminister Michail Galusin laut RIA sagt, soll die jüngste Sprengung eines Teils der Leitung bei den Beratungen über das Getreide-Abkommen berücksichtigt werden. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld an der Beschädigung.

Moskau dürfte nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten die im Juli anstehende Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine als Druckmittel für die Durchsetzung seiner Interessen nutzen. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London am Freitag hervor.

Demnach behindere Russland beinahe sicher schon jetzt die ukrainischen Getreideexporte durch die absichtliche Verlangsamung von Kontrollen. Derzeit werden demnach nur eines oder zwei Schiffe pro Tag kontrolliert - im Herbst vergangenen Jahres seien es hingegen zwischen sechs und acht Schiffen gewesen.

In der russischen Stadt Woronesch hat eine Drohne ein Wohngebäude getroffen. Drei Menschen seien leicht verletzt worden, sagte Gouverneur Alexander Gusew am Freitag im Staatsfernsehen. Auf Fotos waren herausgerissene Fenster und Schäden an der Fassade des Hauses zu sehen. Mehrere Wohnungen seien bei der Explosion beschädigt worden, berichteten staatliche Medien. Zur Herkunft der Drohne und zur Ursache des Einschlags wurde zunächst nichts mitgeteilt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben einen Beweis dafür, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudammes verantwortlich ist. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst teilt mit, es sei ein Telefonat russischer Truppen mitgeschnitten worden, das belege, dass sie das Wasserkraftwerk und den Staudamm in der südukrainischen Oblast Cherson gesprengt haben. Der Geheimdienst veröffentlicht auf seinem Telegram-Kanal den mutmaßlichen Mitschnitt eines eineinhalb Minuten dauernden Telefonats.

Die Ukraine hat russische Angriffe während der Hilfsmaßnahmen für die von Überschwemmungen getroffene Stadt Cherson verurteilt. "Wir verurteilen die Bombardierung der Evakuierungszonen aufs Schärfste", sagte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja am Donnerstag in New York. Er forderte die russischen Behörden auf, die Angriffe einzustellen und nach der Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms einen "vollständigen, sicheren und ungehinderten" Zugang für Hilfslieferungen zu ermöglichen. 

Humanitären Einsatzkräften insbesondere der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuzes (IKRK) müsse es ermöglicht werden, den  Menschen in den von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten am von Russland kontrollierten linken Ufer des Dnipro zu helfen, forderte Kyslyzja. 

Die russische Armee meldet schwere Kämpfe in den ukrainischen Regionen Donezk und Saporischschja. 21 ukrainische Panzer seien bei Gefechten an Schlüsselstellen der Front zerstört worden. Russische Militärblogger schreiben, es gebe intensive Schlachten an der Front in Saporischschja in der Nähe der Stadt Orichiw. Die Ukraine versuche dort, russische Verteidigungslinien zu durchbrechen und einen Keil zwischen die russischen Streitkräfte zu treiben.

In der russischen Grenzregion Belgorod, die seit Tagen von ukrainischer Seite beschossen wird, haben die Behörden am Morgen erneut nächtliche Angriffe gemeldet. Die Flugabwehr habe im Gebiet und in der Stadt Belgorod gearbeitet, sagte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow, in einer Videobotschaft. In einer Ortschaft seien Wohnhäuser zerstört worden. Er sprach von insgesamt drei Verletzten. Auch die Stadt Schebekino sei erneut beschossen worden, Wohnhäuser seien zerstört. Aber Inspektionen dort seien wegen des Beschusses derzeit nicht möglich, sagte er.

Bei neuen Angriffen auf die Ukraine hat Russland das Land mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Insgesamt seien 10 von 16 Drohnen und 4 Marschflugkörper abgeschossen worden, teilten die Luftstreitkräfte in Kiew mit. Im ganzen Land hatte es zuvor Luftalarm gegeben. In der Stadt Uman im zentralukrainischen Gebiet Tscherkassy schlugen laut Behörden zwei Raketen in ein Industrieobjekt und eine Autowaschanlage ein. Acht Menschen seien verletzt worden, zwei von ihnen schwer, hieß es.

In der Region Dnipropetrowsk beschädigten Trümmer abgeschossener Drohnen und Raketen zwei Wohnhäuser, eine Gasleitung und ein Auto, wie der Militärgouverneur des Gebiets, Serhij Lyssak, mitteilte. Es gebe keine Verletzten, sagte er. Russland überzieht die Ukraine immer wieder mit Drohnen- und Raketenangriffen. Auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gab es am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag wieder Luftalarm. Über Schäden wurde nichts bekannt.

Der ukrainische Präsident hat Erfolge bei den schweren Kämpfen in der Donezk-Region im Osten des Landes gelobt. "In der Region Donezk wird sehr heftig gekämpft", sagte Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft, die er aus einem Zug heraus übermittelte. "Es gibt Erfolge, und ich bin denen dankbar, die diese Erfolge erzielt haben. Gut gemacht in Bachmut. Schritt für Schritt." Er verwies auf andere Gebiete, in denen gekämpft wird, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Auf seinem Telegram-Account wurden Bilder veröffentlicht, die ihn bei einem Treffen mit Generälen zeigen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bei der durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms ausgelösten Flutkatastrophe sind mindestens 14 Menschen ums Leben gekommen. Das erklärten offizielle Stellen sowohl in der Ukraine als auch im von Russland besetzten Teil des überfluteten südukrainischen Gebiets Cherson.

Der vom Kreml eingesetzte Bürgermeister der direkt am Staudamm liegenden Stadt Nowa Kachowka, Wladimir Leontjew, sagte im russischen Staatsfernsehen, dass fünf Einwohner in den Fluten umgekommen seien. In der Gegend nordwestlich der Stadt Cherson sei ein Mensch gestorben, berichtete der Gouverneur der Region Mykolajiw, Vitali Kim. Der Exil-Bürgermeister von Oleschky, Jewhen Ryschtschuk, sprach gegenüber der Nachrichtenagentur AP von acht Personen, die in den Fluten gestorben seien.

Offiziellen Angaben zufolge wurden mehr als 6000 Menschen auf beiden Seiten des Flusses Dnipro evakuiert.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, die nach der Zerstörung des Staudamms entstandene humanitäre Katastrophe noch zu vergrößern. "Russische Terroristen versuchen, die Situation, die sie mit ihrem Ökozid verursacht haben, noch zu verschlimmern", sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner täglichen Videoansprache.

Russische Truppen beschössen Rettungskräfte und Evakuierungspunkte, sagte Selenskyj. Entsprechende Videos waren am Donnerstag in den Medien aufgetaucht. Der ukrainische Staatschef warf Moskau zudem vor, die im von Russland besetzten Teil des überfluteten südukrainischen Gebiets Cherson lebenden Menschen im Stich zu lassen. "Dort weitet sich die Katastrophe bereits am zweiten Tag weiter aus", sagte Selenskyj.

Deutschlands Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, hält die russischen Luftangriffe auf die ukrainische Hauptstadt für Terror. "Die Kolleginnen und Kollegen und ich empfinden es definitiv als Terror, ein Nachbarland mit Raketen zu beschießen", sagte Feldhusen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ihrer Ansicht nach brechen die russischen Attacken den ukrainischen Kampfwillen jedoch nicht. "Hier lässt sich trotz manchmal auftauchender Müdigkeit niemand mürbe machen."

Feldhusen zufolge ist die Flugabwehr in der ukrainischen Hauptstadt sehr wirkungsvoll. "Kiew wird meist von Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen, dagegen ist die ukrainische Luftverteidigung schon seit Januar wirklich fast zu 100 Prozent effektiv. Das heißt, die Angst, dass wirklich eine Rakete einschlägt, ist gar nicht so groß." Dennoch würden aber Menschen durch herabfallende Trümmerteile der abgeschossenen Raketen getötet und verletzt. Zuletzt sei Kiew auch mit ballistischen Raketen angegriffen worden. "Die wurden zwar auch abgeschossen, aber da ist die Vorwarnzeit sehr kurz", sagte die Diplomatin.

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja erhält nach Angaben der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) auch nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms weiterhin Wasser für die Kühlung der Brennelemente aus dem Stausee. "Das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja pumpt weiterhin Kühlwasser aus dem Kachowka-Stausee", hieß in einer Erklärung der IAEA am Donnerstag. 

Eine Prüfung habe ergeben, dass der Pumpvorgang "auch dann fortgesetzt werden kann, wenn der Pegel unter die aktuelle Schwelle von 12,7 Metern fällt", die zuvor als kritisch eingestuft worden war, erklärte die UN-Behörde und legte als neuen kritischen Wert einen Wasserpegel von "elf Metern oder sogar darunter" fest.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach der Zerstörung des Staudamms Kachowka eine Krisensitzung zur Trinkwasserversorgung der Region Dnipropetrowsk abgehalten. Es gebe Probleme bei der Wasserversorgung der Städte Krywyj Rih, Marganez, Pokrow und Nikopol, berichtete der Militärgouverneur der Region, Serhij Lyssak, laut einer Mitteilung des Präsidialamts. Der Minister für Entwicklung und Infrastruktur, Olexander Kubrakow, stellte dabei ein Projekt für den Bau eines neuen Stausees vor, der zumindest teilweise auf dem Gebiet des bestehenden liegen soll.

Bei der Sitzung ging es laut Präsidialamt auch um den Bau neuer Wasserleitungen in der Region Dnipropetrowsk, die die alten aus dem Kachowka-Stausee ersetzen sollen. Bei einem Treffen zuvor mit Umweltaktivisten hatte Selenskyj die Zahl der potenziell von Trinkwassernot betroffenen Menschen in der Ukraine auf "Hunderttausende" beziffert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Juni 2023 um 07:00 Uhr in den Nachrichten.