Wolodymyr Selenskyj bei einer Videoansprache
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ Lage in Borodjanka "schrecklicher als in Butscha" ++

Stand: 08.04.2022 00:39 Uhr

Der ukrainische Präsident Selenskyj spricht von einer schlimmeren Lage in dem Ort Borodjanka als in Butscha. UN-Nothilfekoordinator Griffith hält einen Waffenstillstand in der Ukraine für unwahrscheinlich. Die Entwicklungen im Liveblog.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nennt die Lage in dem Ort Borodjanka "deutlich schrecklicher" als in der nahegelegenen Stadt Butscha. Dort sollen russische Soldaten nach Darstellung der Regierung in Kiew und des Westens Kriegsverbrechen begangen haben. Die Regierung in Moskau weist dies zurück.

Nach zähen Verhandlungen über viele Stunden haben sich Bund und Ländern bei der Verteilung der Kosten für die Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge auf einen Kompromiss geeinigt. Dies teilten die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, Manuela Schwesig und Dietmar Woidke, am späten Abend nach dem Ende der Beratungen von Bundeskanzler Olaf Scholz und den Länderchefs in Berlin mit.

Der Bundeskanzler sprach von zwei Milliarden Euro, die der Bund an die Kommunen und für Integration zahlen will. Laut Scholz sollen Geflüchtete aus der Ukraine zudem ab dem 1. Juni Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Nach dem Rückzug russischer Truppen aus der nordukrainischen Stadt Borodjanka sind dort nach ukrainischen Angaben Dutzende Leichen in Wohngebieten entdeckt worden. "Allein aus den Trümmern von zwei Wohnblöcken wurden 26 Leichen geborgen", erklärte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa auf Facebook. Wie viele weitere Tote in der nordwestlich von Kiew gelegenen Stadt noch gefunden werden, sei "unmöglich vorherzusagen".  Wenediktowa warf Russland erneut Kriegsverbrechen vor. Beweise dafür "finden sich auf Schritt und Tritt", erklärte sie. In Borodjanka gebe es keine militärischen Einrichtungen, "ihr einziges Ziel war die Zivilbevölkerung".

Der Leiter der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, Martin Griffith, ist wenig optimistisch gegenüber einer Aussicht auf einen Waffenstillstand zur Beendigung der Kämpfe in der Ukraine. Nach hochrangigen Gesprächen in Moskau und Kiew sagte er der Nachrichtenagentur AP, dass diese deutlich gemacht hätten, wie weit die beiden Seiten voneinander entfernt sind. Das Ziel liege noch in weiter Ferne, deutete er an.

Griffith teilte diese düstere Einschätzung in einem Interview mit AP in der ukrainischen Hauptstadt, nachdem er seine Gespräche mit Ministerpräsident Denys Schmyhal und anderen Spitzenbeamten beendet hatte. Zuvor hatte er zu Beginn der Woche mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und Beamten in Moskau gesprochen.

Russland hat als Antwort auf Sanktionen Einreiseverbote gegen führende Vertreter Australiens und Neuseelands verhängt. 228 Vertreter der Führung, darunter Premierminister Scott Morrison, und Parlamentarier Australiens sowie 130 Repräsentanten Neuseelands, unter ihnen Regierungschefin Jacinda Ardern, kämen auf die "schwarze Liste", teilte das russische Außenministerium am Abend in Moskau mit. Veröffentlicht wurden auch die Namen der Regierungsmitglieder und Parlamentsabgeordneten.

Die Ukraine kann auf weitere EU-finanzierte Waffenlieferungen hoffen. Wie EU-Ratspräsident Charles Michel am Abend mitteilte, hat der Außenbeauftragte Josep Borrell den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorgeschlagen, zusätzliche 500 Millionen Euro zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Armee bereitzustellen. Damit würden sich die zur Verfügung stehenden Mittel auf 1,5 Milliarden Euro erhöhen. Er unterstütze den Vorschlag Borrells, erklärte Michel.

Im NATO- und EU-Land Bulgarien haben Hunderte Demonstranten eine militärische Unterstützung der Ukraine gefordert. Mit ukrainischen Fahnen zogen sie am Abend durch die Innenstadt von Sofia unter dem Motto "Wir sind nicht neutral". Die Demonstranten riefen die Parlamentarier auf, eine Militärhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine zu beschließen. Vor dem russischen Kulturzentrum wurden alte Schuhe zum Gedenken an die ukrainischen Opfer der russischen Invasion gelegt.

Russland hat seine Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen nach einer Suspendierung nun selbst vorzeitig für beendet erklärt. Die Entscheidung wurde nun getroffen, nachdem die UN-Vollversammlung die Mitgliedschaft am Nachmittag ausgesetzt hatte, wie das russische Außenministerium in Moskau am Abend mitteilte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Abgeordneten von Zypern zur Erhöhung des Drucks auf Russland aufgefordert. Sie sollten die zyprischen Häfen für alle russischen Schiffe sperren und russischen Geschäftsleuten keine Annehmlichkeiten mehr gewähren, einschließlich der zyprischen Staatsbürgerschaft, sagte Selenskyj vor dem zyprischen Parlament. Er dankte dem Mittelmeerstaat für seine humanitäre und finanzielle Hilfe und sprach von der Zerstörung und dem Tod, die die russische Invasion angerichtet hat. Er warnte davor, dass die Tötung von Zivilisten, die in der Stadt Butscha stattfand, auch anderswo geschehen könnte.

In der Ostukraine ist anscheinend die letzte unter ukrainischer Kontrolle stehende Eisenbahnlinie nach Westen unter russischen Beschuss geraten. "Zeitweilig sind in Slowjansk und Kramatorsk drei Evakuierungszüge blockiert", teilte Eisenbahnchef Olexander Kamyschin im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die Bahn warte das Ende des Beschusses bei der Station Barwinkowe im Gebiet Charkiw ab. Die Passagiere würden vorerst in den beiden genannten Bahnhöfen untergebracht. Für heute waren aus den beiden Städten insgesamt acht Evakuierungszüge in westlichere Landesteile geplant. Mehrere Tausend Menschen konnten der umkämpften Region entkommen.

Die 27 EU-Staaten haben neue Sanktionen gegen Russland beschlossen, einschließlich eines Embargos für Kohleimporte. Das berichten verschiedene Nachrichtenagenturen. Mit dem Stopp von Kohleimporten nimmt der Staatenbund erstmals die lukrative russische Energieindustrie ins Visier. Das Embargo für Kohleimporte soll Schätzungen zufolge vier Milliarden Euro pro Jahr ausmachen. Zusätzliche Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine sehen weitere Strafmaßnahmen vor, an denen die EU bereits arbeitet, etwa ein Stopp von Ölimporten.

Es ist das fünfte große Paket mit Russland-Sanktionen. Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten billigten am Abend Vorschläge der EU-Kommission, die einen Importstopp für Kohle, Holz und Wodka sowie zahlreiche weitere Strafmaßnahmen vorsehen.

Damit die Sanktionen in Kraft treten können, müssen die notwendigen Rechtsakte nun nur noch im schriftlichen Verfahren angenommen und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Diese Schritte gelten allerdings als Formalie und sollen morgen abgeschlossen werden.

Der BND kann offenbar forensisch belegen, dass für die Gräueltaten in Butscha russische Staatsangehörige verantwortlich sind. Auch Söldner privater Sicherheitsunternehmen sollen beteiligt gewesen sein.

Der US-Kongress hat wegen des Ukraine-Kriegs ein Ende der normalen Handelsbeziehungen zu Russland besiegelt. Senat und Repräsentantenhaus stimmten nahezu geschlossen dafür, Russland und auch Moskaus Verbündetem Belarus den Status als meistbegünstigte Nation zu entziehen. Das ebnet den Weg für Zollerhöhungen und weitere Handelsbeschränkungen. US-Präsident Joe Biden hatte am 11. März angekündigt, Russland den Status der meistbegünstigten Nation zu entziehen. Notwendig war aber noch die Zustimmung des Kongresses. Im Senat wurde die Maßnahme nun einstimmig gebilligt. Im Repräsentantenhaus stimmten nur drei Abgeordnete der oppositionellen Republikaner mit "nein".

Nach mehreren Jahrzehnten ist die britische Rockband Pink Floyd angesichts des Krieges in der Ukraine für einen Solidaritätssong zusammengekommen. Nach Angaben der Band ist es das erste Mal seit fast 30 Jahren, dass die Musiker sich trafen, um einen neuen Song aufzunehmen. Das Stück "Hey Hey Rise Up" sollte morgen erscheinen.

Die Bilder von Tod und Verwüstung aus Butscha haben nach Einschätzung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu einen Schatten auf Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine geworfen. Dennoch müssten beide Seiten unter allen Umständen im Gespräch bleiben, betonte Cavusoglu nach einem Treffen der Chefdiplomaten der NATO in Brüssel. Seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba habe er gesagt, dass die Türkei zur Gastgeberrolle für mögliche Friedensverhandlungen bereit sei. "Der einzige Weg ist Diplomatie", sagte Cavusoglu. Ankara unterhält sowohl zu Moskau als auch zu Kiew enge Verbindungen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) gibt weitere 120 Millionen Barrel an Rohölreserven frei, um die Folgen des Krieges von Russland gegen die Ukraine an den Märkten abzumildern. Diese Menge über einen Zeitraum von sechs Monaten hätten die 31 Mitgliedsländer der Agentur im Nachgang ihrer Dringlichkeitssitzung vor einer Woche zugesichert, teilte die IEA in Paris mit. Es handelt sich um die zweite Freigabe von Reserven seit Ausbruch des Krieges und die größte in der IEA-Geschichte.

Die sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) haben wegen des Ukraine-Kriegs neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. "Wir untersagen neue Investitionen in Schlüsselbranchen der russischen Wirtschaft einschließlich des Energiesektors", hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung der Staatengruppe. Zudem solle "das Ausfuhrverbot auf höher entwickelte Produkte und bestimmte Dienstleistungen" weiter ausgebaut werden.

Estland setzt als eine Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine die Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen an Russen und Belarusen aus. Die Regierung des baltischen EU- und NATO-Landes will damit Möglichkeiten von Bürgern der beiden Staaten einschränken, in Estland zu arbeiten oder Geschäfte zu machen. Dies teilte die Staatskanzlei in Tallinn mit.

Bereits erteilte Aufenthaltsgenehmigungen seien von der Regelung nicht betroffen - sie bleiben gültig und können verlängert werden, wenn die Bedingungen erfüllt werden. Auch soll es weiter möglich sein, zur Familienzusammenführung oder aus humanitären Gründen in das an Russland grenzende Estland zu reisen.  

In der Ukraine sind seit Kriegsbeginn laut bestätigten UN-Angaben mehr als 1600 Zivilisten getötet worden, darunter 131 Kinder. Mindestens 2200 Zivilisten wurden verletzt, wie das Büro der Menschenrechtskommissarin in Genf mitteilte. Es betonte aber zugleich, dass die tatsächliche Zahl der Opfer wesentlich höher liege. Aus besonders umkämpften Orten lägen keine Berichte vor; viele Angaben würden noch überprüft.

Die unsichere Datenlage betrifft demnach vor allem die von russischen Truppen weithin zerstörte Stadt Mariupol sowie Wolnowacha in der Region Donezk, Isjum in der Region Charkiw, Popasna in der Region Luhansk und Borodjanka nordwestlich der Hauptstadt Kiew. Aus diesen Städten gebe es noch ungeprüfte Nachrichten vieler ziviler Opfer.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft gebe die Zahl der getöteten Kinder mit 167 und die der verletzten mit mindestens 297 an.

US-Außenminister Antony Blinken hat der Ukraine weitere und zügige Unterstützung im Kampf gegen den russischen Angriff zugesagt. "Wir schauen uns tagtäglich an, was sie unserer Meinung nach am meisten brauchen", sagte Blinken in Brüssel nach einem Treffen der Außenminister der NATO-Staaten. Bei dem Treffen hatte der als Gast eingeladene ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba angesichts der erwarteten Offensive Russlands im Osten der Ukraine Druck gemacht und sehr zur Eile gemahnt.

Blinken betonte, die USA hätten der Ukraine schon lange vor dem russischen Einmarsch im großen Stil militärische Unterstützung zukommen lassen. Seit Kriegsbeginn sei die Unterstützung noch mal deutlich intensiviert worden.

Nach dem Rückzug der russischen Streitkräfte aus Kiew ist Litauens Botschafter Valdemaras Sarapinas wieder in die ukrainische Metropole zurückgekehrt. Der diplomatische Vertreter traf nach eigenen Angaben am Donnerstag in der ukrainischen Hauptstadt ein. Das Außenministerium in Vilnius hatte jüngst seine Rückkehr angekündigt.

In litauischen Medien teilte Sarapinas einige Eindrücke aus Kiew. "Vor ein paar Wochen war es eine tote Stadt", sagte er der Agentur BNS. Nach dem Rückzug der russischen Armee kehre nun das normale Leben zürück. "Jetzt gibt es Menschen und Autos auf den Straßen, und Cafés öffnen. Da ist Leben."

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat "bedeutende Verluste" russischer Truppen in der Ukraine eingeräumt. Dies sei "eine große Tragödie für uns", sagte der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin dem britischen Fernsehsender Sky News. Zahlen nannte er nicht. Zuletzt hatte Russland von 1351 getöteten Soldaten gesprochen. Die Ukraine geht von mehr als zehn Mal so vielen russischen Soldaten aus, die getötet wurden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat humanitären Zugang zur seit Wochen von russischen Truppen belagerten ukrainischen Stadt Mariupol gefordert. Einige Gebiete der Ukraine seien von medizinischer Hilfe abgeschnitten, sagte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, auf einer Pressekonferenz im ukrainischen Lwiw. "Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Mariupol definitiv Priorität hat."

Die WHO hat Kluge zufolge mehr als 185 Tonnen medizinischer Hilfsgüter für eine halbe Million Menschen in die am stärksten betroffenen Gebiete der Ukraine geliefert. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs wurden nach Angaben der WHO 91 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine bestätigt, darunter mehrere Krankenhäuser. "Dies ist eindeutig ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht", sagte Kluge.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Zypern und die EU aufgefordert, die Häfen für russische Schiffe zu sperren. "Wir bitten darum, alle zyprischen Häfen für alle russischen Schiffe zu schließen", sagte Selenskyj in einer Videoansprache an das zyprische Parlament und fügte hinzu: "Das muss auch der gemeinsame Beschluss der Europäischen Union sein." Selenskyj bedankte sich bei Zypern für die humanitäre Hilfe an die Ukraine und berichtete einmal mehr von den Gräueltaten der Russen in seinem Land.

Die russischen Airlines Aeroflot, Azur Air und UTair sollen künftig keine Waren mehr aus den USA beziehen dürfen. Den Fluggesellschaften würden die Exportprivilegien verwehrt, da sie gegen die vom US-Handelsministerium auferlegten Ausfuhrkontrollen verstoßen hätten, die im Zuge des russischen Angriffskriegs auf Ukraine erlassen wurden, teilte das Ministerium mit. "Wir unterbinden nicht nur ihren Zugang zu Gütern aus den Vereinigten Staaten, sondern auch die Wiederausfuhr von Gütern mit US-Ursprung aus dem Ausland", erklärte Handelsministerin Gina Raimondo.

Die UN-Vollversammlung hat sich dafür ausgesprochen, die Mitgliedschaft Russlands im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu suspendieren. Eine entsprechende Resolution wurde von der UN-Vollversammlung in New York verabschiedet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird am Freitag zu einem Solidaritätsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erwartet, wo sie unter anderem Präsident Wolodymyr Selenskyj treffen wird. Die ehemalige Bundesverteidigungsministerin wird von einer Delegation begleitet, der auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell angehört.

Die EU-Kommissionspräsidentin ist die erste westliche Spitzenpolitikerin, die seit Bekanntwerden der Kriegsgräuel im Kiewer Vorort Butscha die Ukraine besucht. Mitte März waren allerdings schon die Regierungschefs Polens, Sloweniens und Tschechiens dort, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Vergangene Woche besuchte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola Kiew.

Ursula von der Leyen

Indien versucht nach eigenen Angaben, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu stabilisieren. Man arbeite an einem Zahlungsmechanismus beim bilateralen Handel angesichts der westlichen Sanktionen gegen die Regierung in Moskau, erklärt ein Sprecher des Handelsministeriums.

Indien unterhält gute politische Beziehungen zu Russland. Die Regierung in Neu-Delhi hat zwar zu einem Ende der Gewalt in der Ukraine aufgerufen, das russische Vorgehen dort jedoch nicht verurteilt. Seit Beginn der Invasion am 24. Februar haben indische Raffinerien mindestens 16 Millionen Barrel verbilligten russischen Öls gekauft. Das ist nach Reuters-Berechnung etwa so viel wie im gesamten vergangenen Jahr.

Die Internationalen Organisation für Migration (IOM) fordert eine umfassendere Registrierung der Geflüchteten aus der Ukraine. "Die Registrierung der Geflüchteten ist die Grundvoraussetzung dafür, dass weitere Maßnahmen zum Schutz der Menschen greifen können", sagte die stellvertretende IOM-Generaldirektorin, Ugochi Daniels. Eine Erfassung der ankommenden Menschen sei wichtig, um mehr über sie und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Unter den Geflüchteten aus der Ukraine seien vor allem Frauen, Kinder, Alte und Menschen mit Behinderung, sagte Daniels: "Das ist eine sehr vulnerable Gruppe, die besonderen Schutz bedarf."

Die G7-Staaten wollen den Druck auf Russland erhöhen, bis die Regierung in Moskau die Streitkräfte aus der Ukraine abzieht. Die Außenminister der G7 teilten mit, die Sanktionen würden weiter verschärft, bis dieses Ziel erreicht sei und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt würden. Die Minister, die am Rande der NATO-Gespräche in Brüssel zusammenkamen, kündigten zusätzliche Strafmaßnahmen an, um Russland an einer Fortsetzung der Aggression gegen die Ukraine zu hindern. Man wolle zusammenarbeiten, um die Abhängigkeit von russischer Energie rascher zu verringern.

Die Außenminister warnten Moskau erneut vor einem Einsatz chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen in der Ukraine: "Jeder Einsatz einer solchen Waffe durch Russland wäre inakzeptabel und würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen."

Die ukrainischen Streitkräfte haben dem US-Militär zufolge zwar erfolgreich den russischen Angriff auf Kiew abgewehrt. Ihnen stehe jedoch im Südosten des Landes noch eine größere Schlacht bevor, sagt General Mark Milley, Vorsitzender des Generalstabs, in einer Anhörung vor dem Kongress. "Wie das ausgeht, ist im Moment offen, glaube ich."

Russische Journalisten der investigativen Zeitung "Nowaja Gaseta" haben nach dem Stopp ihrer Arbeit in Russland ein neues Medienprojekt in Europa angekündigt. "Nowaja Gaseta Europa" sei ein Magazin, "das unsere Werte und Standards teilt", kündigte Chefredakteur Kirill Martynow an. Das Medium habe keine formelle Verbindung zu "Nowaja Gaseta".

Es würden Meldungen über Russland in verschiedenen Sprachen veröffentlicht, sagte Martynow. "Wir werden Nachrichten aus der ganze Welt und Russland abdecken für Menschen, die auf Russisch lesen und europäische Werte teilen." Langfristig hofften die Reporter, ihre Arbeit wieder in Moskau aufnehmen zu können.

Im umkämpften ostukrainischen Gebiet Luhansk gibt es nach Angaben von Gouverneur Serhij Hajdaj keine funktionierenden Krankenhäuser mehr. "Seit Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine wurde jede medizinische Einrichtung in unserer Region beschossen", schrieb Hajdaj bei Facebook. Dazu veröffentlichte er zwei Bilder, die das zerstörte Krankenhaus der Stadt Rubischne zeigen sollen. "Neu. Modern. High-Tech-Ausrüstung. Das war einmal...", schrieb Hajdaj. Die russischen Truppen würden das Gebiet vorsätzlich aller Gesundheitseinrichtungen berauben, "damit die Verwundeten keine Chance haben zu überleben".

Nach Angaben aus Kiew liefern sich ukrainische Einheiten und russische Truppen derzeit im Gebiet Luhansk schwere Gefechte, auch um Rubischne. Die Russen hätten den Teil der Stadt besetzt, in dem sich die Klinik befinde, teilte Hajdaj weiter mit. Die russische Armeeführung hatte angekündigt, sich auf die Einnahme der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk zu konzentrieren, die von den moskautreuen Separatisten beansprucht werden. Das ukrainische Militär erwartet aber, dass Russland eine Eroberung von Kiew noch nicht endgültig aufgegeben hat.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

"Der Feind hat die Richtung geändert und wird versuchen, in naher Zukunft die Kontrolle über die Gebiete Donezk und Luhansk zu übernehmen", sagte der Vizestabschef des Heeres, Olexander Hrusewytsch. "Danach müssen wir mit einem weiteren Angriff auf die Hauptstadt rechnen." Derzeit gebe es im Gebiet Kiew "eine kleine Pause". Diese werde genutzt, um Personal auszubilden und die Verteidigung auszubauen. Die Ukraine wolle für einen neuen Angriff auf Kiew gerüstet sein, sagte Hrusewytsch.

Russische Ermittlungsbehörden werfen der ukrainischen Armee einem Medienbericht zufolge vor, am 29. März mindestens drei Raketen auf ein Munitionsdepot in der südrussischen Stadt Belgorod abgefeuert zu haben. Dabei seien acht russische Staatsbürger verletzt und ein Lagerhaus zerstört worden, meldet die Nachrichtenagentur Tass.

In der Schweiz sind mittlerweile russische Vermögenswerte in Höhe von 7,5 Milliarden Franken - etwa 7,4 Milliarden Euro - eingefroren. Es handle sich um Gelder auf Bankkonten und um Liegenschaften, die im Zuge von Sanktionen im Zusammenhang mit der russischen Invasion in die Ukraine gesperrt wurden, sagte Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern. Vor zwei Wochen hatte der hochrangige Beamte noch von 5,7 Milliarden Franken berichtet.

Die Schweiz ist ein wichtiger Finanzplatz für Russen. Laut der Schweizer Bankiervereinigung liegen 150 bis 200 Milliarden Franken von russischen Personen auf Schweizer Konten. Bollinger wies jedoch darauf hin, dass nicht alle diese Personen mit Sanktionen belegt sind. Derzeit beträfen die Maßnahmen nur knapp 900 Menschen. Deshalb sei auch nur ein Bruchteil des russischen Vermögens in der Schweiz eingefroren.

Estland will bis spätestens Jahresende von russischem Gas wegkommen. Die Regierung in Tallinn beschloss, Gasimporte aus dem Nachbarland vollständig einzustellen. "Wir müssen so schnell wie möglich aufhören, Gas von Putins Regime zu kaufen, weil es die Einnahmen aus dem Verkauf verwendet, um seinen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren", sagte Regierungschefin Kaja Kallas.

Um die Energieversorgung sicherzustellen, will das baltische EU- und NATO-Land bis zum Herbst ein Flüssiggas-Terminal in Betrieb nehmen. Die schwimmende Anlage soll nach Angaben des Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit dem benachbarten Finnland geleast und betrieben werden. Anfangs soll das Terminal in Estland stehen, später in Finnland.

Die Anmietung des schwimmenden LNG-Terminals werde es Finnland ermöglichen, sich aus seiner Abhängigkeit von russischem Pipeline-Gas zu befreien, teilte das finnische Wirtschaftsministerium mit. Ein solches Terminalschiff sei der schnellste Weg, um sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Sowohl Finnland als auch Estland sind stark von russischen Gaslieferungen abhängig.  

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rechnet nach Beratungen mit den NATO-Staaten damit, dass seinem Land alle notwendigen Waffen zur Verteidigung gegen Russland geliefert werden. "Ich habe keine Zweifel daran, dass die Ukraine alle für den Kampf notwendigen Waffen haben wird. Die Frage ist nur der Zeitplan", sagte Kuleba in Brüssel. Die Diskussion gehe nicht um die Liste mit Waffen, sondern darum, wann die Ukraine die Waffen bekomme. "Und das ist entscheidend."

Welche weiteren Waffen NATO-Alliierte an Kiew liefern könnten, wollte Kuleba nicht sagen. "Waffen sind wie Geld. Sie lieben das Schweigen." Angesichts der erwarteten Offensive Russlands im Osten der Ukraine drang Kuleba auf Tempo. "Entweder Sie helfen uns jetzt, und ich spreche von Tagen, nicht von Wochen, oder Ihre Hilfe wird zu spät kommen." Dann würden viele Menschen sterben, viele Zivilisten ihre Häuser verlieren und viele weitere Städte und Dörfer zerstört - "eben weil diese Hilfe zu spät kam".

Die NATO-Staaten stehen weiter fest an der Seite der Ukraine und werden ihre Hilfen für das Land verstärken. Das Land müsse in der Lage sein, der russischen Aggression zu widerstehen, sagt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Beratungen der Außenminister in Brüssel.

Die italienische Regierung hat eine Preisobergrenze für russisches Erdgas vorgeschlagen, um die Finanzierung des Ukraine-Krieges über europäische Importe zu begrenzen. Ministerpräsident Mario Draghi sagte, die EU könnte eine solche Maßnahme in Erwägung ziehen, räumte jedoch ein, dass sein Vorschlag auf Widerstand stößt.

Draghi äußerte sich nach einem Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte, der Vorbehalte gegen die vorgeschlagene Preisobergrenze äußerte. Es sei bereits ein großer Fortschritt, dass Rutte das Vorhaben nicht völlig ausgeschlossen habe, sagte Draghi. Europa habe als größter Abnehmer von Gas eine Marktmacht und müsse diese nutzen. Rutte erklärte, er schließe den Plan nicht von vornherein aus und sei bereit, alle Optionen zu prüfen. Die Vorteile müssten allerdings die Nachteile überwiegen.

07.04.2022 • 15:59 Uhr

Neue Russland-Sanktionen verzögert

Streit unter den EU-Staaten hat die Annahme des fünften großen Pakets mit Russland-Sanktionen verzögert. Nach Angaben von Diplomaten wollte Polen nicht akzeptieren, dass die Übergangsfrist für den Importstopp für russische Kohle auf Wunsch von Ländern wie Deutschland um einen Monat von drei auf vier Monate verlängert wird.

Ebenfalls umstritten war die Forderung von Ländern wie Griechenland und Malta, die Regelungen für die geplante Hafensperre nicht ganz so streng zu formulieren wie dies von der EU-Kommission ursprünglich geplant wurde. Am Abend soll bei einer weiteren Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten versucht werden, die Meinungsverschiedenheiten beizulegen. In diesem Fall sollten die neuen Sanktionen spätestens an diesem Freitag in Kraft treten.

Die Ukraine erhält einen Kredit der staatlichen deutschen Förderbank KfW über 150 Millionen Euro. Damit bekomme der ukrainische Haushalt dringend benötige Finanzmittel, teilte die KfW in Frankfurt mit. "Die Mittel stellen eine direkte Unterstützung der ukrainischen Regierung zur Abfederung der Folgen aus dem anhaltenden Krieg Russlands gegen die Ukraine dar", erklärte KfW-Vorständin Christiane Laibach.

Das Land könne sich derzeit nicht an den internationalen Kapitalmärkten refinanzieren. Die Gelder würden in Kürze ausgezahlt und sollen dem ukrainischen Mittelstand zugute kommen. Das Darlehen sei die letzte Tranche eines Finanzkredits der Bundesregierung im Gesamtumfang von 500 Millionen Euro von 2015.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warnt, die Schlacht um den Donbass im Osten seines Landes werde an den Zweiten Weltkrieg erinnern. Entweder der Westen helfe der Ukraine in den kommenden Tagen oder es werde zu spät sein, sagt Kuleba nach Beratungen mit den NATO-Außenministern in Brüssel. Die Sanktionen des Westens gegen Russland seien zwar zu begrüßen, aber sie seien nicht genug, um den Krieg zu beenden.

Der Bürgermeister von Dnipro ruft Frauen, Kinder und Ältere dazu auf, die zentralöstliche Großstadt zu verlassen, da mit einer Verschärfung der Kämpfe zu rechnen sei. "Die Lage im Donbass heizt sich nach und nach auf und der April wird wohl recht intensiv", sagt Borys Filatow in einer Online-Videoansprache. Dnipro kommt normalerweise auf etwa eine Million Einwohner. Es blieb von heftigen Kämpfen und Beschuss, die weiter östlich und südlich gelegene Städte wie etwa Mariupol verwüstet haben, bislang verschont.

Die EU unterstützt Mitgliedstaaten, die Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen, mit weiteren Milliarden. Das EU-Parlament stimmte in Straßburg einem Vorschlag der EU-Kommission zu, wonach die Auszahlung von 3,4 Milliarden Euro aus dem sogenannten React-EU-Paket vorgezogen werden soll, das eigentlich zur Bewältigung der Corona-Krise gedacht ist.

Besonders profitieren sollen die Nachbarländer der Ukraine - also Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei - sowie Staaten, in denen im ersten Kriegsmonat so viele Geflüchtete angekommen sind, dass es mehr als einem Prozent ihrer nationalen Bevölkerung entspricht. Dies sind Österreich, Bulgarien, Tschechien und Estland. Da die EU-Staaten den Vorschlag bereits gebilligt haben, müssen sie ihn nach der Parlamentszustimmung nur noch einmal formell bestätigen.

Flüchtende am Grenzübergang in Medyka, Polen.

Flüchtende am Grenzübergang in Medyka, Polen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtet unter Verweis auf ukrainische Augenzeugen von neuen Hinweisen auf russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Russische Truppen hätten ihren Informationen zufolge wiederholt unbewaffnete Menschen in deren Häusern oder auf offener Straße erschossen, teilte die Organisation mit. In einem Fall sei eine Frau mehrfach vergewaltigt worden, nachdem ihr Mann getötet worden sei.

"Die schockierenden Bilder aus Butscha sind ganz offensichtlich nur die Spitze eines Eisbergs der Grausamkeit und Brutalität", sagte Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland. "Alle Belege sprechen dafür, dass wir es hier mit Kriegsverbrechen zu tun haben."

Ein Amnesty-Team sprach den Angaben zufolge in den vergangenen Wochen mit mehr als 20 Menschen aus Orten nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew, die russische Gewalttaten miterlebt oder unmittelbar Kenntnis von den Gewalttaten erhalten hätten. Man habe alle Fälle "quergecheckt" und sich die Aussagen von weiteren Quellen bestätigen lassen, sagte ein Amnesty-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.

07.04.2022 • 15:02 Uhr

Schweiz sperrt weitere Vermögen

Die Schweiz hat in Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland weitere Vermögen gesperrt. Aufgrund der Sanktionen seien gegenwärtig rund 7,5 Milliarden Franken blockiert, wie Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft sagte. Es handle sich dabei vor allem um Gelder auf gesperrten Konten, aber auch um elf Liegenschaften. "Damit hat die Schweiz so viel Geld gesperrt wie noch kaum ein anderes Land", so Bollinger. Vor zwei Wochen hatten sich die gesperrten Vermögen noch auf 5,75 Milliarden Franken belaufen. Die Schweiz vollzieht die Sanktionen der Europäischen Union (EU) nach.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat der Ukraine Verzögerung und Sabotage der Friedensverhandlungen vorgeworfen. "Die Ukraine hat in der Verhandlungsgruppe ihr neues Projekt zu einer Vereinbarung vorgestellt, in dem sie offen von grundlegenden Bestimmungen abrückt, die beim Treffen am 29. März in Istanbul festgelegt wurden und unter der die Unterschrift des ukrainischen Delegationschefs (David) Arachamija steht", sagte er der Agentur Interfax zufolge.

Nach dem letzten persönlichen Treffen hatten in der vergangenen Woche beide Delegationen von Fortschritten in den Verhandlungen gesprochen. Die Ukraine habe sich dabei zu einem blockfreien, neutralen Status verpflichtet und versichert, internationale Militärübungen auf ihrem Territorium nur mit Zustimmung aller künftigen Garantiemächte durchzuführen, darunter auch Russland, betonte Lawrow. In der neuen Fassung der Vereinbarung hingegen spreche Kiew nur noch von der "Mehrheit der Garantiemächte" und Russland werde nicht mehr erwähnt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bislang 91 Angriffe auf medizinische Einrichtungen bestätigt. Die Attacken auf Krankenhäuser, Praxen und andere Einrichtungen seien stark zu verurteilen, erklärte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, bei einem Besuch in Lwiw im Westen der Ukraine. Rund 1000 Hospitäler, Kliniken und andere Einrichtungen liegen ihm zufolge nahe den Kampfgebieten oder in Gebieten, die nacheinander von den Konfliktparteien kontrolliert worden seien. Kluge führte weiter aus, dass Frauen in der Ukraine in den nächsten drei Monaten voraussichtlich rund 80.000 Babys zur Welt bringen würden. Für Mütter und Kinder sei die medizinische Betreuung unzureichend.

Die Finanzaufsicht Bafin erleichtert Geflüchteten aus der Ukraine nach eigenen Angaben die Eröffnung eines Kontos in Deutschland. Ukrainer, die weder einen Reisepass noch einen Personalausweis mit Sicherheitsmerkmalen besitzen und auch noch kein Ausweisersatzpapier haben, können demnach unter bestimmten Bedingungen ein sogenanntes Basiskonto eröffnen. Voraussetzung sei lediglich, dass neben einem Ausweisdokument aus der Ukraine ein Dokument einer deutschen Behörde vorgelegt werde - etwa eine Meldebescheinigung. Aus diesem müsse hervorgehen, dass die Person unter dem im Ausweisdokument angegebenen Namen geführt werde.

Lettland wird künftig keine "goldenen Visa" für Russen und Belarusen mehr vergeben. Gemeint sind damit Aufenthaltsgenehmigungen, die bisher als Gegenleistung für Investitionen in dem baltischen EU- und Nato-Land möglich waren. Das Parlament in Riga stimmte einer von der Regierung vorgelegten Gesetzesänderung zu, mit der die Ausstellung von ersten befristeten Aufenthaltsgenehmigungen an Bürger der beiden Nachbarländer bis 30. Juni 2023 generell ausgesetzt wird. Ausnahmen gelten etwa für Berufs- und Studienzwecke oder Familiennachzug.

Die Niederlande wollen nicht auf sämtliche Energie-Importe aus Russland verzichten. "Ein vollständiges Embargo ist sicherlich nicht der richtige Schritt", sagte Energieminister Rob Jetten dem "Handelsblatt". Man solle Kohle, Gas und Öl differenziert betrachten. "Ich bin überzeugt, dass ein schnelles Embargo auf alle drei Energieträger große Risiken birgt." Es sei für die Niederlande relativ einfach, vollständig aus dem russischen Gas auszusteigen. Sein Land decke 15 Prozent seines Erdgasbedarfs mit russischen Lieferungen. "Aber wir sehen natürlich, dass die Situation für Deutschland und einige andere Länder völlig anders ist."

Die russische Regierung hat den von westlichen Sanktionen getroffenen Unternehmen weitere Hilfen in Aussicht gestellt. Ministerpräsident Michail Mischustin sagte, die Regierung stelle Subventionen von 120 Milliarden Rubel (1,3 Milliarden Euro) für die Kreditvergabe zur Verfügung. Mit dem Geld sollen Banken unterstützt werden, zinsgünstige Darlehen zu gewähren. Mischustin klagte zugleich über "beispiellose Sanktionen" des Westens. "Die unfreundlichen Staaten haben nichts Besseres erdacht, als zur üblichen Piratenpraxis zurückzukehren - um die Sache mal beim Namen zu nennen", kritisierte er das Einfrieren russischer Vermögenswerte im Westen.

ARD-Korrespondent Michael Grytz erklärt, um welche Waffensysteme es bei der Debatte über Lieferungen an die Ukraine derzeit geht und vor welchem Dilemma die NATO dabei steht.

"NATO will nicht als Kriegspartei da stehen", Michael Grytz, ARD Brüssel

tagesschau 12:00 Uhr

Der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko besteht darauf, dass sein Land in die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine einbezogen wird. "Es darf keine separaten Vereinbarungen hinter dem Rücken von Belarus geben", zitierte die belarusische Nachrichtenagentur Belta Lukaschenko. Er gehe davon aus, in den kommenden Tagen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Gespräche zu führen.

Belarusische Streitkräfte beteiligen sich nach Angaben Lukaschenkos nicht an dem Krieg in der Ukraine und werden dies auch künftig nicht tun. Lukaschenko räumte aber ein, dass sein Land einen Einsatz in der Ukraine ausgeführt habe. Es habe sich um eine "Spezialoperation" gehandelt, zu der Belarus gezwungen gewesen sei, um Lkw-Fahrer aus der Ukraine zu holen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat erklärt, die Ukraine habe einen Entwurf für einen Friedensvertrag übermittelt, der unannehmbare Elemente beinhalte. Er bezog sich dabei auf Vorschläge zum Donbass und zur Krim. Lawrow warf der Ukraine vor, die Friedensgespräche auszuhöhlen. Russland werde aber trotzdem weiterverhandeln und gleichzeitig seine eigenen Ansprüche "absichern".

Rund 2,55 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine haben sich seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als einem Monat ins Nachbarland Polen in Sicherheit gebracht. Allein am Mittwoch seien 23.400 Menschen abgefertigt worden. Dies sei ein Anstieg um 16 Prozent im Vergleich zum Tag zuvor, wie der polnische Grenzschutz auf Twitter mitteilte.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bedankte sich bei einem Treffen mit Vertretern von Kommunalverwaltungen in Warschau für die Zusammenarbeit bei der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine. "Wir haben es mit der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun", sagte er der Agentur PAP zufolge. Polen wolle ukrainischen Flüchtlingen ein Stück Normalität geben.

Im Kiewer Vorort Butscha verdichten sich nach Angaben der örtlichen Behörden die Hinweise auf russische Kriegsverbrechen. Etwa 90 Prozent der getöteten Zivilisten wiesen Schusswunden auf, sagte Bürgermeister Anatolij Fedoruk der Deutschen Welle. Mit Stand Mittwochabend seien in Butscha 320 Leichen gefunden worden. Sie würden von Spezialisten untersucht. "Aber die Zahl der entdeckten Leichen steigt mit jedem Tag", sagte Fedoruk. "Weil sie auf Privatgrundstücken, in Parks und auf Plätzen gefunden werden, wo es möglich war, die Leichen zu begraben, als es keinen Beschuss gab."

Die Ukraine hat die geplanten neuen Sanktionen der Europäischen Union (EU) als zu schwach kritisiert. "Wir pochen weiter auf ein vollständiges Öl- und Gasembargo gegen Russland", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Rande eines Treffens mit den NATO-Außenministern im Brüsseler Hauptquartier der Allianz.

Eine Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament hat einen sofortigen Lieferstopp von Öl, Kohle und Gas aus Russland gefordert. In einer entsprechenden Resolution dringen die Abgeordneten zudem auf ein Embargo von russischem Kernbrennstoff und dass die Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 vollständig aufgegeben werden. Zudem sollten die EU-Kommission und die Staaten einen Plan vorlegen, um die Energieversorgungssicherheit der EU auch kurzfristig zu sichern, hieß es in dem verabschiedeten Text. 413 Abgeordnete stimmten dafür, 93 dagegen und 46 enthielten sich.

Das Massaker von Butscha und die anderen Gräueltaten von Putins Armee dürfen nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte der EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU). "Wir müssen Putin und seine Oligarchen dort treffen, wo es sie am meisten schmerzt. Das ist nun mal der Energiebereich." In einem früheren Text hatte das EU-Parlament lediglich eine Beschränkung der Einfuhr der wichtigsten russischen Exportgüter, einschließlich Öl und Gas, gefordert. Beschließen kann das EU-Parlament solche Sanktionen jedoch nicht, das machen die EU-Staaten.

Russland bombardiert nach britischer Einschätzung gezielt die ukrainische Infrastruktur, um so eine Offensive im Osten des Landes vorzubereiten. Das Verteidigungsministerium in London teilte mit, das russische Militär konzentriere sich derzeit ganz auf die Fortsetzung seiner Operationen in der Ostukraine. Das Hauptaugenmerk liege dabei auf dem Gebiet zwischen dem ukrainisch kontrollierten Territorium im Donbass und den Regionen, die von Separatisten gehalten werden.

Auch Infrastrukturziele weiter im Landesinneren greifen die russischen Streitkräfte den Angaben zufolge weiterhin an. Ziel dieser Angriffe sei es, den Nachschub für die ukrainischen Truppen zu beeinträchtigen und den Druck auf die Regierung in Kiew zu erhöhen. Gleichzeitig sieht das Ministerium Schwierigkeiten aufseiten der russischen Streitkräfte: Die Truppen hätten wahrscheinlich weiterhin mit einer nachlassenden Kampfmoral und Engpässen bei Material und Personal zu kämpfen.

Kämpfe gegen die Ukraine hören nicht auf

Mareike Aden, NDR, tagesschau 12:00 Uhr
07.04.2022 • 12:58 Uhr

G7 verurteilen Gräueltaten

Die Außenminister der sieben führenden Wirtschaftsnationen (G7) kündigen in einer von Großbritannien herausgegebenen gemeinsamen Erklärung an, dass die für die Gräueltaten in der Ukraine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Zugleich verurteilten sie die Gräueltaten in Butscha und mehreren anderen ukrainischen Orten, die die russischen Streitkäfte verübt hätten, auf das Schärfste. Die Regierung in Moskau bestreitet die Tötung von Zivilisten.

Die G7-Minister kündigten auch an, die Abhängigkeit von russischen Energie-Importen sowie russische "Desinformation" angehen zu wollen. "Wir unternehmen weitere Schritte, um Pläne zur Verringerung unserer Abhängigkeit von russischer Energie zu beschleunigen", hieß es. Russland warfen sie eine gezielte "Desinformationskampagne" etwa über angebliche Chemiewaffenlabore in der Ukraine vor. "Wir äußern unsere Besorgnis über andere Länder und Akteure, die Russlands Desinformationskampagne verstärkt haben."

Die Weltgesundheitsorganisation WHO bereitet sich auf mögliche Angriffe mit chemischen Kampfstoffen in der Ukraine vor. "Wegen der gegebenen Ungewissheiten der gegenwärtigen Lage gibt es keine Sicherheiten, dass der Krieg nicht noch schlimmer werden kann", erklärte der WHO-Chef für Europa, Hans Kluge. Die WHO ziehe alle Szenarien in Erwägung. Das reiche von der Behandlung massenhafter Verletzter bis hin zu chemischen Angriffen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eindringlich darum gebeten, den verbliebenen rund 100.000 Menschen in der südostukrainischen Stadt Mariupol zu helfen. "Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir es in der europäischen Geschichte nicht mehr erlebt, dass eine Stadt in Schutt und Asche gelegt wird", sagte er in einer Live-Schalte vor dem griechischen Parlament. "Die Menschen dort sterben an Hunger und Durst." In der seit Wochen vom russischen Militär belagerten Hafenstadt Mariupol und dessen Umgebung leben viele Ukrainer griechischer Abstammung. Athen hat sich bereits seit Kriegsbeginn bemüht, ihnen bei der Flucht nach Griechenland zu helfen und humanitäre Hilfe zu liefern.

In Mariupol gebe es so gut wie kein intaktes Gebäude mehr, sagte Selenskyj. Die Russen hätten Krankenhäuser und Wohnhäuser bombardiert und auch das städtische Theater, in dem Zivilisten Schutz suchten. "Wir müssen jene retten, die in Mariupol noch am Leben sind", forderte der ukrainische Präsident. "Wir brauchen humanitäre Hilfe und Evakuierung." Während Selenskyjs Videoansprache wurden auch zwei ukrainische Kämpfer griechischer Herkunft aus Mariupol zugeschaltet. Sie berichteten, dass Menschen nicht aus Trümmern gerettet und Tote nicht beerdigt würden, weil es niemanden mehr gebe, der das noch tun könne.

Kremlsprecher Dmitri Peskow hat die westlichen Sanktionen gegen die Töchter von Russlands Präsident Wladimir Putin scharf kritisiert. "Das ist etwas, was sich schwer verstehen und erklären lässt", sagte er laut der russischen Agentur Interfax. Der Westen setze damit seine "scharfmacherische Linie" zur Einführung immer neuer Restriktionen gegen Russland fort, meinte er. Peskow kündigte eine entsprechende Reaktion Moskaus an. Als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine hatten die USA am Mittwoch neue Strafmaßnahmen verkündet - auf der Sanktionsliste stehen nun auch die beiden erwachsenen Töchter des Kremlchefs.

Russlands langfristiges Ziel ist nach Einschätzung der Regierung in Kiew eine Eroberung der gesamten Ukraine. Das sei das Vorhaben, auch wenn sich Russland kurzfristig auf die Kämpfe in der Ost-Ukraine konzentriere, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar. Die russischen Streitkräfte würden in der Ukraine abwarten, während die Führung in Moskau ihre Geheimdiensteinsätze verstärke, um herauszufinden, wie man die ukrainischen Truppen am besten bekämpfe.

Am Devisenmarkt ist der Kurs des Rubel trotz eines geplanten neuen Sanktionspakets der EU gestiegen. Die russische Währung hat damit die Kurserholung der vergangenen Wochen fortgesetzt. Am Morgen wurden für einen US-Dollar 79 Rubel gezahlt. Der Kurs liegt damit etwa auf dem Niveau, das er zuletzt unmittelbar vor Ausbruch es Ukraine-Kriegs bei 78 Rubel hatte. Analysten verweisen auf den hohen Leitzins der russischen Notenbank, strenge Kapitalkontrollen und auf Überschüsse bei der Handelsbilanz durch die nach wie vor möglichen Energieexporte.

Wegen der Veröffentlichung eines schockierenden Tweets zum Massaker in Butscha hat das französische Außenministerium den russischen Botschafter einbestellt. "Angesichts der schändlichen und provokanten Kommunikation der russischen Botschaft in Frankreich" habe er sich dazu entschlossen, teilte Außenminister Jean-Yves Le Drian mit. Die russische Botschaft hatte ein angebliches Foto aus Butscha mit dem Kommentar veröffentlicht: "Eine Filmszene".  Der Tweet wurde später wieder gelöscht.

Belarus muss die Verarbeitung von Öl in Kraftstoffe und andere Produkte wegen der westlichen Sanktionen stark reduzieren. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Belta unter Berufung auf Ministerpräsident Roman Golowschenko. Man gehe davon aus, dass die heimischen Ölraffinerien weiterhin den Inlandsmarkt beliefern werden, wird der Regierungschef des mit Russland verbündeten Staates zitiert. Sollte sich die Lage stabilisieren und die Exporte zunehmen, würden auch die Raffinerien stärker hochgefahren.

Die Regierung in Kiew hat Ungarn vorgeworfen, Russlands Staatschef Putin bei seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. "Budapest ist den nächsten Schritt gegangen: Putin zu helfen, seine Aggression gegen die Ukraine fortzusetzen", erklärte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko. Mit diesem Verhalten zerstöre Ungarn "die Einheit der EU". Der Sprecher wertete "ungarische Stellungnahmen, zum Kauf von russischem Gas in Rubel bereit zu sein, als unfreundliche Haltung gegen unseren Staat". Ungarns Vorschlag, russisch-ukrainische Friedensgespräche in Budapest zu organisieren, verurteilte er als "zynisch".

"Wenn Ungarn dem Krieg wirklich ein Ende bereiten will, muss es Folgendes tun: aufhören, die Einheit der EU zu zerstören, neue Sanktionen gegen Russland unterstützen, die Ukraine militärisch unterstützen", erklärte das ukrainische Außenministerium. "Und nicht zusätzliche Finanzierungsquellen für die russische Militärmaschinerie schaffen." Der Außenamtssprecher kritisierte überdies "das Zögern ungarischer Regierungsmitglieder, die Verantwortung Russlands für die Gräueltaten der russischen Armee in Butscha, Irpin und Hostomel anzuerkennen".

Der ukrainische Gouverneur der Region Luhansk hat erneut eindringlich zum Verlassen ostukrainischer Gebiete aufgerufen. "Diese paar Tage sind vielleicht die letzte Chance", erklärte Serhij Gajdaj auf Twitter. Nach seinen Angaben versuchen die russischen Streitkräfte derzeit, mögliche Fluchtrouten abzuschneiden. "Bitte gehen Sie!", hatte Gajdaj bereits am Mittwoch gefordert. Die ukrainischen Behörden wollten "kein zweites Mariupol", fügte er nun in Bezug auf die seit Wochen belagerte Hafenstadt hinzu.

Russland hatte sich zuletzt aus dem Raum Kiew und der Nordukraine zurückgezogen und angekündigt, sich auf den Osten und Süden des Landes konzentrieren zu wollen. Die ukrainische Regierung bereitet sich deshalb auf einen anstehenden Großangriff Russlands in der Region vor. Gajdaj erklärte, in seiner Region werde bereits überall angegriffen. "Es gibt in der Region kein funktionierendes Krankenhaus mehr."

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) haben Strafanzeige beim Generalbundesanwalt wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine gestellt. "Unser Ziel ist nicht nur eine nachträgliche strafrechtliche Aufarbeitung, sondern Einfluss auf das Kriegsgeschehen", erklärten die beiden. Jeder, der sich an diesen Verbrechen beteiligt, müsse wissen, dass er sich strafbar macht. "Es geht uns also nicht nur darum, die Täter an der Staatsspitze zur Rechenschaft zu ziehen, sondern um alle Täter", betonten sie.

Eingereicht haben sie die Strafanzeige am Mittwoch. Sie stützt sich demnach auf das seit 2002 in Deutschland geltende Völkerstrafgesetzbuch. So könnten bei entsprechendem Verdacht Straftäter für Völkerstraftaten, die sie im Ausland begangen haben, angeklagt und verurteilt werden. "Dazu bedarf es keines deutschen Tatorts, keiner deutschen Täter oder Opfer", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Bei dringendem Tatverdacht könne ein Haftbefehl erlassen werden, der auch weltweit über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben werden kann. Die 40 Seiten umfassenden Strafanzeige richtet sich nach Angaben des Strafverteidigers Nikolaos Gazeas nicht nur gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern auch gegen Militärangehörige.

Nach dem russischen Abzug aus der ukrainischen Stadt Irpin hat deren Bürgermeister Russland schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. In der Kiewer Vorstadt hätten russische Truppen die Männer von Frauen und Kindern getrennt, sagte Olexander Markuschyn der Zeitung "Ukrajinska Prawda" zufolge. "Diejenigen, die ihnen nicht gefielen - und das sind Fakten, es gibt Zeugen -, haben sie erschossen. Diejenigen, die nicht gehorchten, haben sie erschossen", sagte Markuschyn. Die Toten seien dann absichtlich von Panzern überrollt worden. "Wir haben die Leichen mit Schaufeln vom Asphalt gekratzt."

Markuschyn sagte, außerdem hätten die russischen Soldaten Frauen vergewaltigt. "Die russischen Invasoren töteten und demütigten nicht nur Frauen, sondern raubten auch gnadenlos die Wohnungen der Irpiner aus", sagte er. Gestohlen worden sei alles - von Waschmaschinen bis Unterwäsche.

Das russische Präsidialamt hat US-Waffenlieferungen an die Ukraine kontraproduktiv für die laufenden Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien genannt. Zudem werde Russland auf die jüngsten Sanktionen der Regierung in Washington reagieren, teilte der Kreml in Moskau mit. Es sei schwierig, den Schritt der USA zu verstehen oder zu erklären.

Die ostukrainische Großstadt Charkiw bleibt weiter Ziel heftiger russischer Attacken. Innerhalb eines Tages hätten die russischen Truppen die zweitgrößte Stadt des Landes 48 Mal mit Raketenwerfern, Artillerie und Mörsern beschossen, schrieb der Gouverneur des gleichnamigen Gebiets, Oleh Synjehubow, im Nachrichtenkanal Telegram. In der Stadt Balaklija seien durch russischen Beschuss drei Menschen getötet und mehrere Gebäude zerstört worden. Auch die Stadt Losowa sei Ziel von Angriffen gewesen. Von dort und aus Balaklija seien zuletzt 15.000 Zivilisten evakuiert worden, schrieb Synjehubow.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine sind mehr als 310.000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland registriert worden. Das Bundesinnenministerium gab ihre genaue Zahl am Donnerstag mit 316.453 an. Da an den Grenzen keine systematischen Kontrollen der Einreise erfolgten, sei aber von einer wesentlich höheren Zahl eingereister Flüchtlinge aus der Ukraine auszugehen, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder beraten am Nachmittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Umgang mit der großen Zahl an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Es geht dabei um Registrierung, Unterbringung und Finanzierung. Um die Videokonferenz vorzubereiten, wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die ihre Ergebnisse in der Sitzung vorstellen soll.

Über 100 Piloten aus ganz Deutschland bauen derzeit eine Luftbrücke in die Ukraine für medizinische Hilfsgüter auf. Vor drei Wochen wurde zu diesem Zweck die "Ukraine Air Rescue" gegründet. Für einen schnellen Start hat die Ulmer "Europäische Donau-Akademie" sich angeboten, das Projekt unter ihr Dach zu nehmen, wie die Pressesprecherin von "Ukraine Air Rescue", Silke Hammer, der Nachrichtenagentur epd sagte.

"Ukraine Air Rescue" sei ein Lufttaxi für empfindliche Güter, die auf dem Landweg nicht sicher transportiert werden können. Die Kosten für jeden Flug - je etwa 8000 Euro - werden von Spendern gedeckt, manchmal auch von den Piloten selbst. Die Piloten fliegen ehrenamtlich. Die Fracht kommt von verschiedensten Hilfsorganisationen wie auch von Großspendern. Auf dem Rückflug haben die Privatflugzeuge oft Menschen dabei, die wegen ihrer Erkrankung keine Chance auf eine Flucht über den Landweg hätten. Die Piloten fliegen bis zu polnischen Grenzflugplätzen, wo die Hilfsgüter von einer ukrainischen Stiftung übernommen werden. 400 Berufskraftfahrer sorgen dann unter Lebensgefahr für die Verteilung im Kriegsgebiet

Seit dem Angriff auf die Ukraine ist die Kreml-Propaganda noch extremer geworden: Verschwörungsmythen und Dementi, Vergangenheit und Gegenwart, Nazi-Vokabular und sowjetische Denkmuster werden vermischt - mit üblen Folgen.

07.04.2022 • 11:06 Uhr

Russland geht gegen YouTube vor

Die russische Medienaufsicht kündigt Strafmaßnahmen gegen Google an. Wegen mutmaßlicher Verstöße gegen russische Gesetze wird unter anderem ein Werbeverbot verhängt. Die zuständige Behörde wirft der Google-Tochter YouTube vor, die Video-Plattform sei zu einer Hauptquelle von Falschinformationen über die militärische Spezialoperation in der Ukraine geworden. So würden die Streitkräfte der Russischen Föderation diskreditiert. YouTube hat weltweit von Russland finanzierte Medien ausgeschlossen, die Plattform zu nutzen.

Ungarn hat nach Regierungsangaben erstmals per Luftfracht Kernbrennstoff aus Russland bezogen. Die Ladung sei am Mittwoch eingetroffen, nachdem wegen des Kriegs in der Ukraine ein Transport mit der Bahn nicht möglich sei, berichtete Außenminister Peter Szijjarto. Die Fracht sei ohne Einwände über die Lufträume von Belarus, Polen und der Slowakei eingeflogen worden. Atomenergie sei nicht Teil der EU-Sanktionen gegen Russland, betonte der Minister.

Er fügte hinzu, dass Ungarn jegliche Sanktionen des Westens gegen Russland mit Bezug auf Gas und Öl ablehne und auch keine mit Bezug zur Kernenergie akzeptieren würde. Ungarn will sein Atomkraftwerk Paks ausbauen. Die bisherigen und auch die geplanten Reaktoren sind russischer Bauart. Das Projekt gilt als Zeichen für das enge Verhältnis zwischen dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird am Freitag zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kiew reisen. Das teilte Selenskyjs Sprecher Sergii Nykyforow im Fernsehen mit. Details des geplanten Treffens würden aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben werden. Die EU-Kommission hatte am Dienstag eine Reise ihrer Präsidentin nach Kiew für diese Woche angekündigt. Laut den Angaben aus Brüssel soll der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell von der Leyen begleiten.

Russland setzt nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes seine Artillerie- und Luftangriffe an der Kontrolllinie in der ostukrainischen Region Donbass fort, die von russischen Kräften in weiten Teilen beherrscht wird. Das britische Verteidigungsministerium twittert, der Fokus der Russen liege derzeit darauf, den Einfluss im Osten der Ukraine auszuweiten.

Das russische Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht zum Donnerstag vier ukrainische Treibstoff-Lager mit Raketenangriffen zerstört. Aus den Tanks in Mykolajiw, Charkiw, Saporischschja und Tschuhuiw seien ukrainische Truppen bei Mykolajiw und Charkiw sowie im Donbass im Osten des Landes versorgt worden, hieß es weiter.

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben eigenen Angaben zufolge mithilfe russischer Truppen weitgehend die Kontrolle über das Stadtzentrum von Mariupol erlangt. "Man kann sagen, dass im zentralen Teil der Stadt die Hauptkämpfe beendet sind", sagte der Sprecher der prorussischen Kräfte im Gebiet Donezk, Eduard Bassurin, im russischen Staatsfernsehen. Nun werde vor allem im Hafen der Metropole am Aswoschen Meer sowie am Stahlwerk Asow-Stahl gekämpft, sagte Bassurin. Seinen Angaben zufolge sollen sich in der von russischen Truppen belagerten Stadt noch rund 3000 ukrainische Soldaten aufhalten. Das ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Bassurin behauptete zudem, die ukrainischen Kämpfer hätten Unterstützer in der Zivilbevölkerung. In Mariupol, das vor dem Krieg rund 440.000 Einwohner zählte, ist die humanitäre Lage seit Wochen katastrophal. Die geflüchtete Stadtverwaltung geht davon aus, dass bereits Zehntausende Zivilisten getötet worden sind. Immer wieder scheitern Versuche, die verbliebenen Einwohner zu evakuieren.

Die britische Außenministerin Liz Truss hat der Ukraine am Rande des NATO-Treffens in Brüssel zusätzliche militärische Unterstützung versprochen. "Wir intensivieren unsere Waffenlieferungen an die Ukraine", sagte Truss und bezeichnete das Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine als entsetzlich.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Mitglieder der Allianz zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine aufgerufen. Dabei sollten sich die NATO-Länder nicht nur auf Panzer- und Schiffsabwehrwaffen konzentrieren, sagte Stoltenberg bei einem Treffen der NATO-Außenminister. Er habe die Verbündeten aufgefordert, weitere Unterstützung in Form vieler verschiedener Systeme bereitzustellen, sowohl für leichte als auch für schwerere Waffen, sagte Stoltenberg. Die NATO-Länder - aber nicht die NATO als Organisation - lieferten zahlreiche Waffenarten und andere Unterstützung an die Ukraine. Die 30 Mitglieder könnten jedoch mehr tun. Die Ukraine kämpfe einen Verteidigungskrieg. "Also hat diese Unterscheidung zwischen offensiven und defensiven Waffen eigentlich keine wirkliche Bedeutung", so Stoltenberg.

Der Generalsekretär beharrte darauf, dass es wichtig für die NATO sei, nicht in einen größeren Krieg mit Russland hineingezogen zu werden. Die NATO werde keine Truppen in die Ukraine entsenden. "Wir haben auch die Verantwortung, zu verhindern, dass dieser Konflikt über die Ukraine hinaus eskaliert und noch tödlicher, noch gefährlicher und zerstörerischer wird", sagte Stoltenberg.

Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj hat von großen Zerstörungen in der Kleinstadt Borodjanka bei Kiew berichtet. "Derzeit ist die Stadt Borodjanka eine der am stärksten zerstörten Städte in der Region Kiew", sagte Monastyrskyj. Einwohner hätten erzählt, dass russische Truppen in den ersten Kriegstagen aus geringer Höhe mit Flugzeugen Raketen auf ihre Häuser abgeworfen hätten. Anschließend seien auch Rettungskräfte beschossen worden und hätten deshalb vorerst ihre Arbeit einstellen müssen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Ein ukrainischer Soldat geht an einem zerstörten Wohnhaus in Borodjanka vorbei. Die ukrainischen Behörden trugen ihre Toten zusammen und sammelten Beweise für russische Gräueltaten in den zerstörten Außenbezirken der Hauptstadt.

Ein ukrainischer Soldat geht an einem zerstörten Wohnhaus in Borodjanka vorbei. "Derzeit ist die Stadt Borodjanka eine der am stärksten zerstörten Städte in der Region Kiew, sagt der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj.

Menschen, die damals unter den Trümmern verschüttet worden seien, könnten mittlerweile nicht mehr am Leben sein, sagte Monastyrskyj. Am Mittwoch hatte der ukrainische Zivilschutz mitgeteilt, dass in Borodjanka mit der Suche nach zivilen Todesopfern begonnen wurde. Zuvor sei die 35 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt gelegene Siedlung von Minen geräumt worden, hieß es. Angaben der ukrainische Generalstaatsanwaltschaft zufolge soll es in Borodjanka die meisten Opfer in der Region Kiew geben. Bislang haben die Behörden aber noch keine Zahlen für diesen Ort genannt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

07.04.2022 • 08:41 Uhr

Kiew vermeldet zehn Fluchtkorridore

Die ukrainische Regierung hat Zivilisten erneut zum Verlassen der besonders umkämpften Gebiete im Osten des Landes aufgerufen und aktuelle Fluchtrouten angekündigt. Heute gebe es insgesamt zehn so genannte Fluchtkorridore, teilte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk auf ihrer Facebook-Seite mit. Die besonders schwer unter russischem Beschuss stehende Stadt Mariupol sollen Bürger in privaten Autos in Richtung Saporischschja verlassen können. Aus den Städten Berdjansk, Tokmak und Melitopol sollen zudem Busse nach Saporischschja fahren. Weiter nördlich sollen zudem weitere fünf Fluchtrouten aus dem schwer umkämpften Luhansker Gebiet in die Stadt Bachmut führen.

Die Europäische Union steht kurz vor der Verabschiedung einer fünften Verschärfung der Sanktionen gegen Russland. "Vielleicht diesen Nachmittag, spätestens morgen", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor Journalisten. Vorgesehen ist unter anderem ein Stopp der Kohle-Importe aus Russland.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat zu einem informellen Treffen der NATO-Ressortchefs im Mai nach Berlin eingeladen. Das kündigte die Ministerin vor Beratungen der Außenminister der Allianz in Brüssel an. Es gehe darum, sich angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine weiter sehr, sehr eng abzustimmen, sagte Baerbock.

Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte, sagte, Russland habe den Rückzug seiner geschätzt mindestens 24.000 Soldaten aus den Gebieten um Kiew und Tschernihiw im Norden abgeschlossen. Sie seien nach Belarus oder nach Russland geschickt worden, um sich neu zu versorgen und zu reorganisieren, wahrscheinlich, um anschließend im Osten weiterzukämpfen.

Ein Vertreter eines westlichen Staats, der ebenfalls anonym bleiben wollte, um Geheimdiensteinschätzungen zu teilen, sagte, Russlands vom Kampf in Mitleidenschaft gezogene Streitkräfte würden wahrscheinlich bis zu einem Monat benötigen, um sich für einen größeren Vorstoß auf die Ostukraine neu zu formieren.

Bewohner gehen in Butscha an zerstörten russischen Militärmaschinen vorbei.

Bewohner gehen in Butscha an zerstörten russischen Militärmaschinen vorbei. Hunderte von gefolterten und getöteten Zivilisten wurden in Butscha und anderen Teilen der Ukraine gefunden Kiew, nachdem sich die russische Armee aus diesen Gebieten zurückgezogen hatte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor einer neuen Offensive der russischen Streitkräfte im Osten des Landes gewarnt. Russland bereite seine Streitkräfte darauf vor, sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache. Der Kreml hatte das Ziel ausgelobt, den Donbass, das vorrangig russischsprachige industrielle Herz der Ukraine, zu "befreien". Auch die Ukraine bereite sich auf den Kampf vor, sagte Selenskyj. "Wir werden kämpfen und uns nicht zurückziehen." Sein Land werde alle Register ziehen, sich zu verteidigen, "bis Russland beginnt, ernsthaft Frieden zu suchen", sagte er. "Dies ist unser Land. Dies ist unsere Zukunft. Und wir werden sie nicht aufgeben."

Die ukrainischen Behörden riefen die Menschen im Donbass zur unverzüglichen Evakuierung auf. "Später werden die Menschen unter Beschuss geraten", sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk, "und wir werden nichts tun können, um ihnen zu helfen."

Beim NATO-Außenministertreffen hat die Ukraine Deutschland und andere Verbündete zu mehr Waffenlieferungen gedrängt. "Es ist klar, dass Deutschland mehr tun kann", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in Brüssel. Es dürfe "keine weiteren Butschas" geben, betonte Kuleba, der eigens aus dem Kriegsgebiet angereist war. Sein Land brauche "Waffen, Waffen und Waffen". Kuleba betonte: "Wir wissen, wie man kämpft, wir wissen, wie man gewinnt." Aber ohne schwere Waffen werde das Leid seines Landes nur verlängert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte der Ukraine weitere Waffen in Aussicht. Dazu gehörten auch schwerere Waffen, sagte Stoltenberg vor den Beratungen der Allianz.

Der Beschuss der Kleinstadt Popasna im Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine dauert ukrainischen Angaben zufolge an. Ziel seien Einheiten der ukrainischen Streitkräfte, teilte der Generalstab in seinem Bericht mit. Die russischen Truppen wollten so ihre Offensiven auf die Städte Rubischne und Nischnje, nördlich und südlich der Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk, wieder aufnehmen.

Bei Nowotoschkiwske, ebenfalls im Gebiet Luhansk, hätten russische Truppen "erfolglos" versucht, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. In den von russischen Truppen besetzten Gebieten übten diese weiterhin Gewalt gegen Zivilisten aus, heißt es in dem Bericht weiter. Zudem führten russische Einheiten eine "Zwangsumsiedlung" der Bevölkerung von Mariupol in von ihnen besetzte Gebiete der Region Donezk durch. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Moskau wird der Verantwortung für Taten russischer Einheiten in der Ukraine nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht entkommen. Dies ginge schon aufgrund der hohen Zahl an in dem Krieg getöteten Ukrainerinnen und Ukrainern nicht, sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft, die in der Nacht zu Donnerstag auf Telegram veröffentlicht wurde. "Wir wissen bereits von Tausenden Vermissten." Für deren Verbleib gebe es nur zwei Möglichkeiten - sie seien entweder nach Russland deportiert oder getötet worden, sagte Selenskyj.

Moskau habe nach dem internationalen Aufschrei über die Bilder aus dem Kiewer Vorort Butscha seine Taktik geändert und versuche nun, in den von russischen Truppen besetzten Gebieten getötete Menschen von den Straßen und aus den Kellern zu entfernen. Mithilfe von Untersuchungen, Zeugen und Satellitenbildern werde man die Gründe für das Verschwinden der Bürger klären.

In einer Garage im Kiewer Vorort Hostomel sind nach ukrainischen Angaben elf Leichen gefunden worden. Die Polizei habe diese am Mittwoch entdeckt, berichtete die ukrainische Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" und berief sich auf einen Telegram-Eintrag des ehemaligen Innenministers Arsen Awakow. Demnach soll es sich bei den Getöteten um Zivilisten handeln. Sie sollen von russischen Soldaten getötet worden sein. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Das nordwestlich der Hauptstadt Kiew gelegene Hostomel mit dem nahen Flugplatz war seit Beginn des Kriegs schwer umkämpft. Der Großteil der ursprünglich 16.000 Einwohner floh. Vor wenigen Tagen haben ukrainische Truppen wieder die Kontrolle in Hostomel, wie auch in den Nachbarorten Butscha und Irpin übernommen. Erst am Dienstag hatte der Chef der lokalen Militärverwaltung erklärt, dass man rund 400 Bewohner von Hostomel vermisse und die Behörden nun Keller inspizieren wollten.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Fast 5000 Menschen sind nach ukrainischen Angaben am Mittwoch aus Kampfgebieten evakuiert worden. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sagte, 1171 Flüchtende hätten die umkämpfte Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer verlassen und 2515 weitere die Städte Berdjansk und Melitopol sowie andere Gebiete im Süden. Zudem seien 1206 Menschen aus der östlichen Region Luhansk evakuiert worden.

Der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte, mindestens fünf Zivilisten seien bei russischem Beschuss am Mittwoch getötet worden. Mindestens acht weitere seien verletzt worden. Mehr als zehn Millionen Menschen, etwa ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung, sind wegen des Kriegs entwurzelt. Mehr als vier Millionen von ihnen haben das Land verlassen.

Ein Mann nimmt seine Habseligkeiten auf einem Fahrrad mit, nachdem er sein Haus während der Kämpfe zwischen der russischen und ukrainischen Armee in Borodianka verloren hat.

Ein Mann nimmt seine Habseligkeiten auf einem Fahrrad mit, nachdem er sein Haus während der Kämpfe zwischen der russischen und ukrainischen Armee in Borodianka verloren hat.

Wegen des Ukraine-Kriegs rechnet das Welternährungsprogramm mit Dutzenden Millionen Menschen mehr in Hunger und Armut. "Je nach Dauer des Krieges könnten zwischen 33 und 47 Millionen Menschen zusätzlich in Hunger und Armut abrutschen", sagte der Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, Martin Frick, der Nachrichtenagentur dpa. Die Zahl der akut Hungernden habe schon vor Beginn des Krieges mit 276 Millionen Menschen auf einem traurigen Rekordniveau gelegen.

Nach Aufrufen zur Flucht aus dem Osten der Ukraine angesichts einer möglichen russischen Großoffensive versucht der Bürgermeister von Charkiw zu beruhigen. Weder er noch das Militär hielten es momentan für notwendig, eine zentralisierte Evakuierung aus der zweitgrößten Stadt des Landes durchzuführen, sagte Ihor Terechow in einer am Abend auf Telegram veröffentlichten Videobotschaft.

Der Aufruf zu einer Evakuierung treffe aber im Gebiet Charkiw auf die Bezirke Losowa und Barwinkowe zu, sagte er weiter. Diese liegen südlich von Charkiw in der Nähe des Donbass. Dort erwarteten Militärs eine Zuspitzung der militärischen Situation. Die Stadt Charkiw sei gut mit Waffen ausgestattet und zur Verteidigung bereit, sagte der Bürgermeister weiter. Ob jemand angesichts des andauernden Beschusses die Stadt verlassen wolle, sei die Entscheidung jedes Einzelnen.

Die italienische Regierung hat sich zu einem Embargo gegen Gas aus Russland bereiterklärt - solange es von der EU beschlossen wird. "Wenn uns ein Gasembargo angeboten wird, werden wir der EU auf diesem Weg folgen, denn wir wollen das wirksamste Instrument, um Frieden zu erreichen", sagte Ministerpräsident Mario Draghi. "Diese Möglichkeit wird derzeit nicht diskutiert, aber die Situation entwickelt sich ständig weiter", fügte er hinzu.

Italien ist in hohem Maße von russischem Gas abhängig. 95 Prozent des in Italien verbrauchten Erdgases werden importiert, davon stammen etwa 40 Prozent aus Russland. Draghi betonte jedoch: "Wenn die Gaslieferungen heute eingestellt würden, wären wir bis Ende Oktober mit unseren Reserven versorgt, es gäbe keine Konsequenzen."

Das US-Repräsentantenhaus hat mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das einen Bericht der US-Regierung über die während der russischen Invasion in die Ukraine begangenen Kriegsverbrechen fordert. Die Abgeordneten befürworteten die Maßnahme angesichts grausamer Berichte über Gräueltaten in Städten rund um Kiew, insbesondere in Butscha, und neuer Berichte über die Zahl der zivilen Opfer in der belagerten Hafenstadt Mariupol. In dem Gesetz wird der US-Präsident aufgefordert, dem Kongress einen Bericht über die Bemühungen zur Sicherung von Beweisen für Kriegsverbrechen vorzulegen. Im vergangenen Monat hat der US-Senat eine Resolution verabschiedet, die eine Untersuchung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen fordert.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die von westlichen Ländern vorangetriebenen Verschärfungen von Sanktionen gegen Russland begrüßt. Diese sähen "eindrucksvoll" aus, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Allerdings reichten sie nicht aus. Man könne sie kaum als angemessen bezeichnen angesichts dessen, was die Welt in Butscha gesehen habe. Er verwies auch auf die anhaltenden Kämpfe in der Hafenstadt Mariupol oder Charkiw sowie eine wohl bevorstehende russische Offensive im Donbass.

Selenskyj forderte erneut ein Embargo russischen Öls und einen vollständigen Ausschluss des russischen Bankensystems vom internationalen Finanzwesen. Sollte es kein "wirklich schmerzhaftes Sanktionspaket" gegen Russland und keine Lieferungen der von Kiew geforderten Waffen an die Ukraine geben, werde dies von Russland als "Erlaubnis zum Vormarsch" gesehen.

Deutschland hat 47 pflegebedürftige jüdische Holocaust-Überlebende aus der Ukraine nach Deutschland gebracht und aufgenommen. Dies sei "in unserer besonderen Verantwortung als Deutsche" geschehen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Funke-Mediengruppe. "Wir geben ihnen eine vorübergehende Heimat. Das ist uns europaweit in diesen ersten Kriegswochen sehr gut gelungen." Die Berichte über Gräueltaten an Hunderten Bewohnern ukrainischer Städte kommentierte die Bundesinnenministerin scharf. "Ich bin Juristin. Natürlich soll man niemanden vorverurteilen. Aber es deutet alles darauf hin, dass Wladimir Putin und seine Armee in der Ukraine furchtbare Kriegsverbrechen begehen."

Bund und Länder wollen heute eine Einigung über die Verteilung der Kosten für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge erzielen. Bundeskanzler Olaf Scholz und die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten treffen sich dazu am Nachmittag im Kanzleramt. Umstritten ist, nach welchem Schlüssel sich der Bund an den Kosten für die Aufnahme und die Versorgung der Flüchtlinge beteiligen soll. Auch die Frage der Verteilung auf die Bundesländer wird Thema sein.

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben eine informelle Sitzung des UN-Sicherheitsrats boykottiert. Diese hatte Russland einberufen, um seine unbegründeten Behauptungen zu bekräftigen, dass die USA in der Ukraine Labore für biologische Kriegsführung unterhalten. Der Schritt Moskaus war der jüngste von mehreren, die westliche Länder dazu veranlasst haben, Moskau zu beschuldigen, die UNO als Plattform für Desinformation zu nutzen, um die Aufmerksamkeit von seinem Krieg gegen die Ukraine abzulenken.

Der Leiter der UN-Abrüstungsabteilung, Izumi Nakamitsu, hatte in zwei offiziellen Sitzungen des Sicherheitsrates, die Russland im vergangenen Monat zu diesem Thema einberufen hatte, erklärt, dass die Vereinten Nationen keine Kenntnis von einem Biowaffenprogramm in der Ukraine hätten.