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Aus deutschen Landen für die Welt - Der Agrarmarkt im Umbruch

Stand: 05.08.2007 00:00 Uhr

Willkommen zum Bericht aus Berlin, meine Damen und Herren. Die Chinesen haben die Milch entdeckt. Und nicht nur sie. Milch und Milchprodukte boomen auf dem Weltmarkt. Die Konsequenz: Die Preise steigen. Aber die Milch ist nur der Anfang, andere Lebensmittel werden folgen. Die antiquierte europäische Agrarpolitik muss schnell reformiert werden: Weg mit den Subventionen, die Bauern sollen zu Marktpreisen produzieren. Und die Landwirte wollen am Boom mitverdienen. Bislang tun das nur die großen Lebensmittelketten. Bettina Scharkus über den Agrarmarkt im Umbruch. Von Bettina Scharkus Croissants zum Sonntagsfrühstück - ein Genuss. Der Teig wird vor allem aus Butter und Mehl gemacht. Jetzt werden Milch und Getreide teurer. Pech für den Bäcker, der diese Rohstoffe braucht und Pech für den Kunden, der - na klar - draufzahlen muss. Hans-Joachim Blauert, Bäckermeister: "Wenn ein Buttercroissant vielleicht jetzt einen Euro gekostet hat, dann wird es wahrscheinlich 1,10 Euro in Zukunft kosten müssen, um den Butterpreis und natürlich auch den Mehlpreis abzufangen." Die Verbraucher sind sauer, denn viele glauben, dass sich auch der Handel von dem Geld etwas in die Tasche steckt. Fakt ist jedoch auch, in kaum einem anderen Land sind Lebensmittel so günstig wie bei uns. Gerd Müller, CSU, PStS Landwirtschaftsministerium: "Sie müssen auch Verständnis haben für die Landwirte. Brot, Milch und Fleisch: die Landwirte bekommen dafür als Erzeuger einen Preis wie 1980." Die Preise steigen jetzt, weil auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln "Made in Germany" steigt. 1980 wurden Agrargüter im Wert von rund 10 Milliarden Euro ausgeführt, 2006 hat sich diese Summe fast vervierfacht. Und die Kurve geht weiter nach oben. Manfred Schöpe, Agrarexperte ifo-Institut für Wirtschaftsforschung: "Die langfristigen Entwicklungen auf dem Weltmarkt lassen Preissteigerungen erwarten, weil die Nachfrage zunimmt und weil die Produktion nicht im gleichen Maße Schritt hält. Das mag jetzt überlagert werden durch kurzfristige Schwankungen von einem Jahr zum anderen, abhängig von Erntemengen oder ähnlichem.“ @IMG1 size=mittel@Mit verantwortlich sind diese staubigen Felder am anderen Ende der Welt für die Konjunktur europäischer Lebensmittel. In Australien hat eine Dürre die Ernten zerstört, wohl auch eine Folge des Klimawandels. Die globale Erwärmung vernichtet fruchtbares Ackerland. Auf der anderen Seite hat die anhaltende Bevölkerungsexplosion die Nachfrage nach Lebensmitteln in den letzten Jahren weiter steigen lassen. Dritter Grund für den Hunger speziell auf deutsche Nahrungsmittel: Der Lebensstandard gerade in Asien steigt rasant, dadurch ändern sich Essgewohnheiten. Die chinesische Regierung wirbt für calciumreiche Milch, die sie gerne aus Europa importiert. Doch die Milchquote, von der EU 1984 eingeführt, verhindert bisher eine Ausweitung der europäischen Produktion. Philip Tod, Sprecher der EU-Agrarkommission: "Die Agrarkommissarin hat ja die Quotenregelung bereits als einen Anachronismus des 21.Jahrhunderts beschrieben. Wir planen deshalb, die Milchquote 2015 zu beenden. Schon im nächsten Jahr wollen wir beraten, wie man die Quotierung langsam herunterfahren kann." Deutschen Landwirten und auch einigen Bundesländern geht das nicht schnell genug. Sie würden die Milchquoten lieber heute als morgen abschaffen. Eckhard Uhlenberg, CDU, Landwirtschaftsminister NRW: "Ich bin der Auffassung, dass am Markt sich die Preise dann auch sinnvoll gestalten und wir nicht durch künstliche Quoten ein System haben, was nicht mehr in die Zeit passt." Konsequent wäre dann allerdings, die üppigen Agrarsubventionen insgesamt zu streichen. Sie halten europäische Lebensmittelpreise künstlich klein. So flossen in den letzten zwei Jahren aus Brüssel gut 6,4 Milliarden Euro nach Deutschland. Mehr als 24.000 Euro kassierte der durchschnittliche Landwirt. Darauf will die Bundesregierung nicht verzichten, auch wenn - so Kritiker - diese Agrarsubventionen anderswo die Preise kaputtmachen. Thilo Bode, Geschäftsführer "Foodwatch": "Sie kriegen heute in Westafrika nicht mehr einheimische Tomaten oder einheimische Zwiebeln. Dort finden Sie Tomaten oder Zwiebeln aus der EU. Und die einheimischen Bauern haben keine Beschäftigung mehr und kommen dann als Bootsflüchtlinge nach Europa. Die Vereinten Nationen haben gesagt, die EU-Landwirtschaft ist ein perverses System." Doch wenn der Preis für einen Liter Milch die Arbeit, die in der Produktion steckt, wirklich zeigen soll, dann müsste er nochmals kräftig steigen. Dann wäre er zwar marktgerecht, aber ein neues Ärgernis für den deutschen Verbraucher. Und diesen Ärger möchte die Bundesregierung um jeden Preis vermeiden. Kontakt zur Autorin: internet@ard-hauptstadtstudio.de

tagesschau
Bettina Scharkus, ARD Berlin, Bericht aus Berlin 18:30 Uhr