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Stand: 15.04.2005 00:00 Uhr

Erstmals in der Geschichte des Bundestages werden Aussagen von Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss live im Fernsehen übertragen. Die Fraktionen im Visa-Ausschuss haben sich nach einer nächtlichen Marathonsitzung darauf geeinigt, dass sie Außenminister Joschka Fischer vor laufenden Kameras zu der Affäre befragen wollen. Marcus Bornheim berichtet. Installiert sind sie schon: Fernsehkameras an der Decke des Europa-Saals – der Raum, in dem sich der Untersuchungsausschuss Woche für Woche trifft. Aus jeden Winkel jedes Detail – möglich, ja; jetzt jedoch verboten. Politik à la „Big Brother“ – Fehlanzeige bisher. Doch Fischer macht’s möglich, dass künftig Aussagen von hier gesendet werden dürfen. Vorteil oder Nachteil? Gerade beim Außenminister ist sich die Union nicht so ganz sicher. Eckart von Klaeden, CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss: „Was sein rhetorisches Talent angeht – das steht ja außer Frage. Aber das ist ja kein Beauty Contest, der da durchgeführt wird, sondern eine Beweisaufnahme. Beim Ersteren würde er sicher gut abschneiden; beim Zweiten wollen wir mal sehen.“ Acht Stunden Vernehmung wird Fischer wohl erdulden müssen – harte Kost für Zuschauer. Fragen über Fragen. Beim Außenminister-Treffen heute aber wollte er zu diesem Punkt nichts sagen. Joschka Fischer, Bundesaußenminister, B’90/Grüne: „Nein, das machen wir nur in Berlin. Das ist kein europäisches Thema. Noch nicht.“ Angst vor der großen Fischer-Show in Berlin? „Nein, keine Spur“, sagt der FDP-Obmann. Die Akten gäben genug her, um auch diesen Medienprofi in die Zange zu nehmen. Man darf also gespannt sein. Hellmut Königshaus, FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss: „Er hat schlechte Karten. Was wir aus den Akten wissen, ist ein wirklich schwerwiegendes Problem, das wir an den Außenvertretungen hatten. Und mit guter Performance lässt sich das nicht einfach wegbügeln.“ Die Glocke des Vorsitzenden war bis dato da Zeichen für die Kameras, den Raum zu verlassen. Die Entscheidung jetzt: Neuland für den Bundestag. In den USA sind Ausstrahlungen aus Untersuchungsausschüssen Routine – siehe Clintons Intimbeichte. Auch hierzulande rückt die Kamera immer weiter vor. Urteilsverkündungen live aus dem Verfassungsgericht – alles schon dagewesen. Der Untersuchungsausschuss war bisher kamerafrei. Mehr Show befürchten jetzt die Kritiker; mehr Wahrheit erhoffen sich die Befürworter. Olaf Scholz, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss: „Ich glaube, das sorgt für mehr Glaubwürdigkeit und auch Authentizität. Und insofern halte ich das für einen großen Fortschritt.“´ In zehn Tagen geht „Fischer-TV“ hier im Europa-Saal auf Sendung. Der Vizekanzler gegen die Opposition – von außen betrachtet, gibt es da einen klaren Favoriten. Doch manchmal ist es in der Politik ja wie beim Fußball: Je nach Tagesform gewinnt schon mal der Außenseiter. Man wird es – im wahrsten Sinne des Wortes – sehen.

Sendungsbild der tagesthemen
tagesthemen, 23:15 Uhr, tagesthemen, 15.04.2005 23:15 Uhr