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Verschuldung: Deutschlands tägliche Kredite

Stand: 05.07.2005 00:00 Uhr

1,44 Billionen Euro beträgt die Verschuldung Deutschlands derzeit. Und der Schuldenberg wächst jede Sekunde um mehr als 1700 Euro. Damit der Staat dennoch handlungsfähig bleibt, besorgt die "Deutsche Finanzagentur" in Frankfurt die Milliarden, die der Bund zum täglichen Regieren braucht. Marcus Bornheim berichtet. Thomas Weinberg, Chefhändler Deutsche Finanzagentur, bei einem Telefonat: "Weinberg, Finanzagentur, guten Morgen. Wir sind auf der Suche nach Tagesgeld, eine knappe Milliarde. Haben Sie da einen Preis für mich? Moment. OK, das ist gemacht, das Geschäft, unser übliches Konto. Ich bedanke mich, bis dann, tschüss." Neun Uhr heute morgen - Deutschland braucht Geld. Viel Geld, das Finanzministerium hat gemeldet: fünf Milliarden Euro müssen es heute sein. Der Bund muss seine Rechnungen zahlen, Bauprojekte, Werbekampagnen, Personalkosten. Und da die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, müssen die Händler der deutschen Finanzagentur ran. Sie sind quasi "Eichels Geldautomat". Sie organisieren die Milliarden. Ihr Ziel: die Kredite für die Bundesrepublik möglichst günstig zu bekommen - weltweit. Geiz ist geil, besonders, wenn es um Milliarden Miese geht. Thomas Weinberg, Chefhändler Deutsche Finanzagentur: "Der Bund, oder die Bundesrepublik Deutschland, hat ja ein ganz hervorragendes Kreditstanding und dieses hervorragende Kreditstanding spiegelt sich auch in den Zinssätzen wieder. Mit anderen Worten: wir bekommen schon einen Zinssatz, der günstiger ist als für einen Kontrahenten, der eben nicht diese Kreditwürdigkeit hat." Und hier sitzt ein Teil der Geldgeber, im Frankfurter Bankenviertel. Deutsche aber auch ausländische Geldhäuser, doch gegen deren imposante Skyline sieht der Sitz von Eichels Schnäppchenjägern eher aus wie eine Kreissparkasse. Understatement heißt die Devise, schließlich will man ja Geld sparen. Insgesamt belaufen sich die Schulden des Bundes auf 870 Milliarden Euro. Die Finanzagentur versucht durch niedrige Zinsen dabei wenigstens ein bischen was einzusparen. Werner Gatzer, Geschäftsführer Deutsche Finanzagentur: "Wir haben das Ziel, in den zehn Jahren oder in den nächsten fünf Jahren, wir bestehen ja schon fast seit fünf Jahren, bis zu 750 Millionen Euro an Zinsen einzusparen, die ja dann letztendlich auch wieder dem Steuerzahler zugute kommen." Über ein Konto bei der Bundesbank werden die Milliardendeals abgewickelt. Am Ende des Tages muss es auf Null stehen, so die gesetzlichen Vorgaben. Und auch das passiert schon mal: plötzlich bekommt der Bund Geld von Dritten überwiesen - 28 Millionen ist Deutschland im Plus. Jetzt geht das Spiel anderherum, jetzt muss das Geld runter vom Konto und gut angelegt werden. Punkt 18:00 Uhr dann - die Zahlen werden nochmal abgeglichen. Es hat geklappt, die fünf Milliarden von heute sind zusammen, Deutschlands Finanzhunger gestillt, der Kontostand ausgeglichen, die Schuldenjongleure haben es geschafft. Thomas Weinberg, Chefhändler Deutsche Finanzagentur: "Es war ein, ich würde sagen, fast durchschnittlicher Tag für uns. Wir haben das Geld, den einstelligen Milliardenbetrag, bei rund 30 verschiedenen Banken heute im Laufe des Tages aufgenommen zu Zinssätzen, die doch vergleichsweise günstig gewesen sind." Morgen dann das Ganze wieder von vorn, die Politik wird wieder viel viel Geld brauchen und die Finanzagentur wird es besorgen müssen. Als Steuerzahler kann man nur hoffen, dass sie es möglichst günstig schaffen.

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tagesthemen, 22:30 Uhr, tagesthemen, 05.07.2005 22:30 Uhr