Kommentar
Erdogans Syrien-Plan Das hilft Assad und dem IS
Stand: 09.10.2019 04:24 Uhr
Den Kurden in Nordsyrien droht nach dem türkischen Einmarsch die Vertreibung. Dabei herrscht dort relative Stabilität. Profitieren werden vom Einmarsch dagegen der IS und Syriens Machthaber al Assad.
Ein Kommentar von Jürgen Stryjak, ARD-Studio Kairo
Na dann, auf ein Neues, möchte man fast sagen. Türkische Militäroffensiven auf Kurdengebiete in Nordsyrien hat es seit 2016 bereits zwei Mal gegeben. Die Türkei nannte sie "Schutzschild Euphrat" und "Operation Olivenzweig", als handele es sich um Friedensmissionen, statt um Militärschläge zur Sicherung von Einflusssphären.
Die "Operation Olivenzweig" in und um Afrin im Winter 2018 sah so aus: Städte und Dörfer wurden teilweise zerstört. 200.000 Menschen flohen. In viele von Kurden verlassene Häuser zogen arabische Syrer, Aufständische zum Beispiel, die dem türkischen Präsidenten Erdogan gewogen sind, unter ihnen auch Extremisten.
Die politischen Folgen eines Einmarsches
Die Hilfsorganisationen bereiten sich fieberhaft auf das humanitäre Elend vor. Wieder einmal stellen sie Notfall- und Evakuierungspläne auf. Aber was ist mit den politischen Folgen eines türkischen Einmarsches?
Die Kurdengebiete in Nordsyrien sind kein zivilgesellschaftliches Paradies. Politische Gegner müssen mit Verhaftung rechnen, arabischstämmige Syrer beklagen Diskriminierung.
Aber gleichzeitig haben die Kurden etwas geschaffen, das seinesgleichen sucht in Syrien: eine Selbstverwaltung mit basisdemokratischen Mechanismen, die Männer und Frauen gleichermaßen gestalten. Überall dort, wo die Kurden nicht den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) bekämpften und wo sie nicht von der türkischen Armee überfallen wurden, da existiert ein Gemeinwesen, das halbwegs funktioniert.
Den Kurden droht die Vertreibung
In Ankara heißt es, die türkische Armee wolle "Frieden und Stabilität" nach Nordsyrien bringen - mit Waffengewalt also und in ein Gebiet, in dem Frieden und Stabilität mehr als sonst wo in Syrien ja bereits herrschen.
Vermutlich wird das Gegenteil eintreten. Da die Türkei in Nordsyrien zwei Millionen syrische Kriegsflüchtlinge ansiedeln will, droht den Kurden die Vertreibung, die man dann wohl "ethnische Säuberung" nennen muss. Die Kurden sind gewillt, sich zu verteidigen. Dass sie sich verraten und geopfert fühlen, vor allem von den USA, wird sie nur noch entschlossener machen.
Es ist kaum vorstellbar, dass der türkische Waffengang in Nordsyrien zu etwas anderem führt, als zu noch mehr Gewalt und Elend. Freuen können sich allerdings zwei andere Kräfte: Die Terroristen vom IS, weil es ja hauptsächlich kurdische Kämpfer und Kämpferinnen waren, die ihn in Syrien nahezu besiegten. Sowie außerdem ein Mann in Damaskus, wo die Kurden 2018 schon einmal Hilfe gegen die Türken suchten. Er heißt: Bashar al-Assad.
KOMMENTAR: Erdogan und Nordsyrien
Jürgen Stryjak, ARD Kairo
09.10.2019 07:25 Uhr
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