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Kommentar Jetzt kommt der Anti-Guttenberg

Stand: 02.03.2011 16:09 Uhr

Nach Glanz und Gloria mit zu Guttenberg kommt nun Aktenstudium mit Machtmanager de Maizière, meint Jens Borchers. Kanzlerin Merkel hat eine schnelle Lösung für das Verteidigungsressort gefunden. Die Bundeswehrreform wird aber auch für den Neuen eine gigantische Herausforderung sein.

Ein Kommentar von Jens Borchers, ARD Berlin

Von Jens Borchers, HR, ARD-Hauptstadtstudio

Die Bundeskanzlerin muss wohl auch ein dringendes Bedürfnis nach etwas Ruhe im Verteidigungsressort verspürt haben. Anders ist die Personalie de Maizière kaum zu deuten. Karl-Theodor zu Guttenberg bedeutete Tempo, Glanz und Gloria, viel Ankündigung, wenig Ergebnis. Thomas de Maizière ist der Anti-Guttenberg: bedacht, Abwägung, Aktenfresserei und sorgfältig ziselierte Kompromisse. Diesen Eindruck hat de Maizière jedenfalls als Innenminister hinterlassen. Dieser Ruf eilte ihm auch voraus, als er das Kanzleramt leitete.

Der neue Mann im Bendlerblock ist kein Sicherheitspolitiker, kein Spezialist für Verteidigungsfragen. De Maizière, der erfahrene Machtmanager, erbt das Konzept zu Guttenbergs für die Bundeswehrreform. Und eine seiner ersten Entscheidungen dürfte sein, entweder auf dieser Schiene weiterzumachen oder eine Denkpause zu verordnen. So oder so: Viel Zeit bleibt de Maizière nicht. Die Reform der Streitkräfte - für April angekündigt - muss finanziert werden. Es muss klar werden, welche Teile der Bundeswehr radikal abgespeckt werden und welche nicht. Und: Es muss ein Konzept her für die Neuordnung der Bundeswehrstandorte.

Seehofer wird hart um die Standorte kämpfen

Ich meine, die Standortfrage ist politisch einer der heikelsten Punkte. Da sind Konflikte mit den Ministerpräsidenten vorprogrammiert. Und an diesem Punkt leuchtet auch rasch ein, warum CSU-Chef Horst Seehofer ganz froh sein dürfte, das Verteidigungsressort jetzt los geworden zu sein. Bayern ist das Bundesland mit den meisten Bundeswehrstandorten. Jetzt, wo ein CDU-Mann das Ressort übernimmt, kann Seehofer munter bayerische Interessen vertreten. Bisher saß im Verteidigungsministerium ein Parteifreund. Jetzt nicht mehr. Da wird Seehofer sich viel freier fühlen, wenn er sich gegen Standortschließungen in Bayern stemmen will.

Die Bundeskanzlerin hat nach dem Schock vom Dienstag eine schnelle, relativ geräuschlose Lösung gesucht. Und mit de Maizière hat sie einen prominenten Namen für das Pulverfass Verteidigungsressort gefunden. Ob der künftige Innenminister Hans-Peter Friedrich die Lücke füllen kann, die de Maizière hinterlässt - das kann niemand wirklich vorhersagen. Aber Merkel hat ihre Energie darauf verwandt, dort zu löschen, wo es besonders arg brennt: im Verteidigungsministerium. Dort muss de Maizière jetzt versuchen, die Mitarbeiter vom zu Guttenbergschen Parforceritt auf preußischen Trab umzustellen. Keine beneidenswerte Aufgabe.

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