Kommentar
Debatte um Grundsatzprogramm Die Grünen umarmen alle und jeden
Stand: 20.11.2020 22:08 Uhr
Die Grünen haben das erreicht, was sie unbedingt vermeiden wollten - im politischen Establishment ankommen. Nun geht es um Macht. Dafür werden Konflikte unter den Teppich gekehrt.
Ein Kommentar von Kristin Joachim, ARD-Hauptstadtstudio
Wenn Klimaaktivisten im hessischen Dannenröder Forst oder auch in Baden-Württemberg jetzt enttäuscht sind, dass sie in Sachen radikalem Klimaschutz nicht bedingungslos auf die Grünen zählen können, dann muss man sagen: Sorry Leute, aber das war auch keine Überraschung. Die Grünen sind nicht der politische Arm der Klimabewegung. Sie sind (mittlerweile) eine Partei - eine wie jede andere, auch wenn sie genau das vor 40 Jahren mit ihrem ersten Grundsatzprogramm unbedingt vermeiden wollten.
Schon seit Längerem wollen sie Macht - ein Wort, was sie früher kaum in den Mund genommen hätten. Und deshalb wahren sie den Koalitionsfrieden in Landesregierungen, auch wenn sie dafür unbequeme Fakten schaffen müssen oder Kompromisse eingehen, die ihnen Teile ihrer Anhängerschaft übel nehmen.
Die Meinung von Kristin Joachim (RBB), zum Grundsatzprogramm Bündnis 90/Die Grünen
Tagesthemen 21:45 Uhr, 20.11.2020
Konflikte unter den Teppich gekehrt
Auf Bundesebene müssen sie das noch nicht. Hier wollen sie erst wieder in die Regierung und können deshalb gefahrlos viele Ideen und Visionen wortreich verkaufen. Sie versuchen damit, alle und jeden zu umarmen: Umweltschützerinnen und Großkonzerne, Gentechnikgegnerinnen wie Wissenschaftsgläubige, Pazifistinnen und Realisten, Hartz-IV-Empfänger oder Startup-Gründerinnen.
Das zeigt sich auch beim Blick ins neue Grundsatzprogramm, in dem fast jeder etwas für sich findet. Wo das ganze Geld herkommen soll, um einen ökologischen Umbau so zu gestalten, dass er so gut wie niemandem weh tut, das bleibt unklar. Und da, wo es innerparteilich knirscht - bei den Themen Kriegseinsätze, Gentechnik oder Grundeinkommen, wichtigen Bausteine der grünen DNA also - werden Konflikte mit weichgespülten Formulierungen unter den Teppich gekehrt. Und damit aufgeschoben.
So könnten es die Grünen vielleicht so stark wie nie in die nächste Regierung schaffen. Doch schaffen sie auch das: Enttäuschungen bei einigen Wählern und neue Konflikte innerhalb der Partei?
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