
Verschärftes Kirchenrecht Kein Erfolg, eine Selbstverständlichkeit
Dass Kindesmissbrauch im kanonischen Recht nun als schwere Straftat geführt wird, ist kein historischer Erfolg, sondern überfällig. Nun gilt es, nicht auf halber Strecke stehenzubleiben.
Es ist ein Schritt nach vorne, ohne Frage. Aber im Grunde reden wir über eine Selbstverständlichkeit. Dass sexueller Missbrauch an Kindern jetzt als schwere Straftat im katholischen Strafrecht benannt wird, ist richtig. Aber was auch sonst? Kindesmissbrauch ist eines der schlimmsten Delikte überhaupt. Es jetzt auch im kanonische Recht als ein solches zu benennen, ist kein historischer Erfolg, sondern überfällig. Es war historisch himmelschreiend, dass von der katholischen Kirche Sexualstraftaten gegen Kinder über Jahrzehnte nur als Verstöße gegen den Zölibat verfolgt wurden.
Die jetzigen Änderungen sind ein Erfolg nicht zuletzt von Papst Franziskus. Er hat im Umgang mit Strafen bei sexuellem Missbrauch einen Perspektivwechsel geschafft: Nicht mehr der Blick der Täter, sondern der der Opfer solle die katholische Kirche in ihrer Rechtsprechung leiten. Das war Franziskus' Versprechen beim Anti-Missbrauchsgipfel vor zwei Jahren. Jetzt hat er es in wichtigen Passagen des kanonischen Rechts umgesetzt. Endlich.
Nach der Rerform ist vor der Reform
Damit es nicht beim Abhaken von Selbstverständlichkeiten bleibt, muss die katholische Kirche, muss Franziskus, bei diesem Thema weitermachen. Aufmerksamkeit und Respekt für die Opfer: Das bedeutet auch, ihnen beispielsweise in Verfahren mehr Rechte einzuräumen. Daher wäre es wichtig, dass die Betroffenen in den kirchlichen Verfahren eine stärkere Position bekommen. Dass ihnen das Recht gegeben wird, als Nebenkläger aufzutreten. Dazu müsste der Vatikan auch die Prozessvorschriften im kanonischen Recht angehen. Wenn Franziskus im Kampf gegen Sexualstraftaten nicht auf halber Strecke stehen bleiben will, heißt es für ihn: Nach der Reform ist vor der Reform.
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