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Kommentar Das Leben ist ein Kompromiss

Stand: 01.03.2009 22:14 Uhr

Die Franzosen erweckten den Verdacht des Protektionismus, die Ungarn blitzten mit ihren Forderungen ab - der EU-Sondergipfel zur Finanzkrise bot ausreichend Konfliktpotenzial. Doch die EU hat gerade noch mal die Kurve gekriegt, meint Christoph Prössl.

Ein Kommentar von Christoph Prössl, NDR

Von Christoph Prössl, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

Eklat vermieden. So lässt sich das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs zusammenfassen. Die Europäische Union hat sich vor dem Gipfel in ihrer ganzen Farbenpracht präsentiert - mit den unterschiedlichsten Standpunkten und dem Potential für einen gehörigen Krach.

Da war die Auseinandersetzung um ein Interview des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Darin hatte er den Eindruck erweckt, den französischen Autobauern nur Kredite gewähren zu wollen, wenn diese die Arbeitsplätze in Frankreich erhalten. Für viele Regierungschefs war das ein Affront. Vor allem für den tschechischen und den slowakischen Ministerpräsidenten.

Protektionismus ist ein Fehler

Doch von den populistischen Äußerungen im französischen Fernsehen hat sich Sarkozy kurz vor dem Treffen distanziert. Deswegen steht am Ende des Gipfels: Die 27 Mitglieder der Europäischen Union sind sich einig - kein Protektionismus, der Binnenmarkt ist der Motor für die europäische Wirtschaft und ihre Gesundung. Das ist ein wichtiges Signal. Eine Debatte um den Schutz der heimischen Industrie durch die einzelnen Regierungen kann niemand brauchen. Protektionismus ist ein Fehler. Das ist bei der Wirtschaftskrise 1929 deutlich geworden, als Handelshürden die Wirtschaft einfroren.

Gemeinsam durch die Krise

Zweites wichtiges Thema: Hilfszahlungen für die osteuropäischen Länder. Ungarn hatte einen mindestens 160 Milliarden Euro schweren Fonds gefordert - aus einer ernst zu nehmenden Angst heraus. Doch es wäre falsch, diese ungeheure Summe bereit zu stellen, vor allem wenn nicht klar ist, woher das Geld kommen soll. Aber Kanzlerin Angela Merkel hat Recht, wenn sie sagt, dass angeschlagenen Ländern natürlich geholfen wird. Wenn es sein muss mit Milliardenbeträgen. Diesen Standpunkt vertreten die meisten Länder der EU. Und das ist kein Zeichen für die Zweiteilung der Europäischen Union sondern unterstreicht: Die 27 Länder stehen in der Krise beieinander.

Hilfspaket wäre der falsche Weg

Wer milliardenschwere Hilfspakete von den Staats- und Regierungschefs erwartet hat, wurde enttäuscht. Aber das wäre auch die falsche Antwort auf die Herausforderungen der Krise. Die europäischen Staaten müssen dafür sorgen, dass genügend Kredite bereit stehen - zum Beispiel über die Förderbanken der Union. Dieses Geld muss dort fließen, wo die anderen Banken nicht mehr zahlen. Diesen Weg will die Kommission beschreiten und auch Bundeskanzlerin Merkel.

Warum keine europäische Aufsichtsbehörde?

In anderen Punkten hätte es jedoch gerne mehr Einigkeit geben können: Beim Thema Finanzmarktregulierung beispielsweise. Eine Expertengruppe erntete Lob für den Vorschlag, die Aufsicht zu stärken und europäische Standards dafür zu erarbeiten. Aber eine europäische Aufsichtsbehörde wird es trotzdem nicht geben. Das ist ein Fehler! Der Zusammenbruch der Finanzmärkte hat deutlich gemacht: Die Banken arbeiten europäisch - ja sogar global. Dem müssen die Aufsichtsbehörden Rechnung tragen.

Doch auch hier gilt: die Experten haben sich an der Machbarkeit orientiert - und in der Europäischen Union heißt es: Das Leben ist ein Kompromiss.

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