
Trotz Klimaverträgen Weltbank investiert massiv in fossile Energien
Stand: 10.04.2019 18:00 Uhr
Trotz internationaler Klimaverträge investiert die Weltbank weiter massiv in fossile Energieträger. Laut NDR, Deutscher Welle und "Süddeutscher Zeitung" unterstützt die UN-Organisation zahlreiche Projekte in dem Bereich.
Von Astrid Rasch und Elisabeth Weydt, NDR, und Fanny Facsar, DW
Es staubt, die Luft ist heiß. Die Arbeiter schwitzen. Hunderte von Lkw liefern täglich neue Baumaterialien an und transportieren den Schutt weg. Auf der Baustelle außerhalb von Lagos in Nigeria treffen zwei Superlative zusammen: Der wohl reichste Mann Afrikas, der nigerianischen Unternehmer Aliko Dangote, baut hier die größte Ölraffinerie der Welt. Im kommenden Jahr soll sie fertig sein.
Dangotes Vermögen wird auf 14 Milliarden Dollar geschätzt. Zusammengetragen hat er es vor allem mit seinem Zementhandel. Jetzt will er mit Öl noch größere Geschäfte machen.
Auch die Weltbank unterstützt ihn dabei. Ihr privater Arm, die International Finance Coorperation (IFC), ist an mindestens fünf der Banken beteiligt, die Dangote Geld für sein gigantisches Vorhaben geliehen haben. Das ergab eine internationale Recherche, an der der NDR, die Deutsche Welle und die "Süddeutsche Zeitung" beteiligt waren. Zusätzlich hat die IFC selbst Dangote einen Kredit über 150 Millionen Dollar gegeben - laut Weltbank für eine Weiterverarbeitungsanlage, die an die Raffinerie angeschlossen ist.
USA verweigerten Zustimmung zur Investition
Die Weltbank schreibt auf Anfrage der Recherchekooperation, der Kredit solle "Nigeria dabei helfen, die Wertschöpfung seines Rohstoffsektors zu steigern, insbesondere durch Düngemittel". Ob Dangote die beiden Teile seiner Raffinerie so deutlich trennt, ist unklar. Die USA jedenfalls sahen die IFC-Dangote-Investition als so kritisch an, dass sie ihr 2016 im Exekutivrat der Weltbank ihre Zustimmung verweigerten. Deutschland als einer der größten Anteilseigner der Weltbank hingegen stimmte für den Kredit.
Die Recherchekooperation, die das Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) koordinierte, sah sich mehrere ähnliche Fälle aus den vergangenen fünf Jahren an. Demnach unterstützt die Weltbank unter anderem die Erschließung eines Ölfeldes in Kenia, investiert indirekt in Kohleprojekte in Mosambik und berät die Regierung von Guyana bei der Ausbeutung neu erschlossener Ölvorkommen.
Astrid Rasch, NDR Info, zu den fragwürdigen Investitionen der Weltbank
tagesschau24 11:00 Uhr, 11.04.2019
Einer Analyse der Umweltorganisation Urgewald zufolge ist die Weltbank derzeit mit rund 21 Milliarden Dollar in Projekten involviert, in denen es direkt oder indirekt um fossile Energieträger geht. Dagegen stünden nur 15 Milliarden Dollar für die Förderung von erneuerbaren Energien bereit. Die Weltbank sage zwar, sie schütze das Klima und unterstütze das Pariser Abkommen, so Ute Koczy von der Umweltorganisation Urgewald. "Aber in Wirklichkeit finden Vorhaben statt, die das Ganze konterkarieren."
Weltbank verteidigt sich
Die Weltbank weist die Vorwürfe zurück, die Zahlen seien unvollständig. Schließlich habe sie allein im Finanzjahr 2018 für den Klimaschutz 20,5 Milliarden Dollar bereit gestellt, schreibt sie auf Anfrage der Recherchekooperation. Wie viel Geld sie aber konkret in Projekte im Zusammenhang mit fossilen Energieträgern investiert, sagt die Bank nicht. Auch rechnet die Weltbank unter den Begriff "Klimaschutz" weitaus mehr Maßnahmen als die Förderung erneuerbarer Energien - zum Beispiel Projekte, um die Stromversorgung effizienter zu machen, oder die Verteilung von LED-Lampen an die Bevölkerung in armen Landstrichen.
Grüne: "Der ganz große Trick"
Transparenz sei ein großes Problem der Bank, sagt Uwe Kekeritz, der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. "Das ist der ganz große Trick der Weltbank." Auf indirektem, schwer nachvollziehbarem Weg bereite sie am Ende doch das Feld zur Förderung fossiler Energien.
"Es ist ein politisches Versagen, dass die Weltbank so agiert, wie sie agiert", sagt Kekeritz. Dringend nötig sei es, dass sich die Weltbank mit ihrem enormen Einflusspotenzial wirklich konsequent von fossilen Energieträgern verabschiede.
SPD fordert schnellere Umstellung
Auch die entwicklungspolitische Sprecherin der SPD, Gabi Weber, erklärte, die Weltbank sei zwar auf dem richtigen Weg, müsse aber schneller und konsequenter auf regenerative Energien umstellen. Deutschland als Anteilseigner sei dabei in einer schwierigen Verhandlungsposition: "Ich kann nicht von anderen erwarten, etwas schneller zu tun, wenn ich es selber im eigenen Bereich nicht hinkriege." Auch Deutschland müsse demnach schneller aus den fossilen Energien aussteigen.
Das zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) schreibt auf Anfrage, Deutschland mache sich seit vielen Jahren in der Weltbank für eine stärkere Ausrichtung auf Klimaschutz stark. Entscheidend sei, "dass die nun neu zu beschließenden Vorhaben der Weltbank am Pariser Klimaabkommen ausgerichtet sind". Deutschland stimme keinem Vorhaben zu, "deren Förderungswürdigkeit aus Klimaschutz-Gesichtspunkten nicht gegeben ist". Wie oft Deutschland in den vergangenen fünf Jahren Projekten die Zustimmung verweigert hat, sagte das BMZ allerdings nicht.
Kredit für Ölförderprojekt vor Guyana
Dem 150 Millionen-Dollar-Kredit an Dangote in Nigeria stimmte Deutschland im Jahr 2016 jedenfalls zu. Verweigert hat es seine Stimme beispielsweise kürzlich, als der 25-köpfige Exekutivrat der Weltbank über einen Kredit an die Regierung von Guyana abstimmte. Der Kredit wurde trotzdem genehmigt und soll nun dabei helfen, einen Gesetzesrahmen zur Erschließung eines riesigen Ölfeldes zu entwickeln.
Der Grund für die Stimmenverweigerung: "Die Bundesregierung hätte sich eine noch stärkere Steuerungswirkung zugunsten eines ökologisch nachhaltigen Umbaus - auch in Richtung erneuerbare Energien - gewünscht", so ein Sprecher des BMZ. Vor der Küste Guyanas wurde das größte Ölvorkommen der vergangenen Jahre gefunden. Es umfasst fünf bis acht Milliarden Barrel Öl und Gas. Die Schürfrechte sind an den amerikanischen Öl-Giganten ExxonMobile gegangen.
Die Weltbank und der Klimawandel
Elisabeth Weydt, NDR
10.04.2019 18:31 Uhr
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