Ein Schild mit Hinweis auf die 3G-Regel steht vor einem Restaurant.
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Dubiose Corona-Tests In 15 Minuten zur zertifizierten Fachperson

Stand: 18.10.2021 08:48 Uhr

Für zehn Euro innerhalb weniger Minuten eine Ausbildung zur zertifizierten Fachperson, die negative Corona-Bescheinigungen ausstellt - das versprechen Online-Anbieter. Ein fragwürdiges Angebot, wie ein Selbsttest zeigt.

Das Video dauert gerade einmal knapp zwölf Minuten, zeigt grundsätzliche Hygienemaßnahmen und die Anwendung der drei Typen für Corona-Selbsttests.

Wer es sich online ansehen will, bezahlt dafür zehn Euro - und erhält nach dem Abspielen die Nachricht, dass er an einer Online-Schulung zur Durchführung von Sars-CoV-2 Antigen-Schnelltests mit Erfolg teilgenommen habe. Damit verfüge man nun über die entsprechende Sachkunde zur Durchführung von Sars-CoV-2 Antigen-Schnelltests.

Durch Abspielen eines Videos zur "Fachperson"

Ob das Video tatsächlich angesehen und die Inhalte verinnerlicht wurden, wird nicht getestet - das Abspielen stoppt lediglich, wenn man auf dem Computer ein anderes Fenster öffnet. Trotzdem kann der Inhaber künftig Zertifikate für negative Corona-Tests ausstellen:

Mit Test-Express kannst Du jederzeit selbst 3G-Corona-Testbescheinigungen erstellen. Du wirst von uns zur "Fachperson" ernannt und kannst damit Selbsttests "beaufsichtigen".

So steht es auf der Webseite des Anbieters. Ob die Anführungszeichen dabei ironisch gemeint sind oder möglicherweise vor juristischer Verfolgung schützen sollen, ist offen. Da klingt die Mahnung am Ende des Schulungsvideos schon fast zynisch:

Bitte sei dir dabei stets deiner Verantwortung bewusst: Wir wollen, dass Corona irgendwann keine Bedrohung mehr ist. Je achtsamer wir mit dem Thema umgehen, um so schneller wird das gelingen.

Das Schulungsvideo von "Test-Express" ist erst seit einigen Tagen online. Zuvor hatte die Webseite auf ein Angebot der Johanniter-Unfall-Hilfe verwiesen - ohne die Genehmigung des Verbands einzuholen. Die Organisation forderte den Betreiber daraufhin zur Unterlassung auf.

Keine echte Identitätskontrolle

Eine Überprüfung, ob der Teilnehmer das notwendige Wissen erlangt hat und wiedergeben kann, gibt es ebenfalls nicht, nicht einmal die Identität des "kompetenten Express-Testers" wird verifiziert. Markus Bönig, Geschäftsführer des Betreibers CliniGo Gmbh, sieht darin kein Problem: "Jeder Nutzer muss sich bei uns mit Adresse und Handynummer sowie E-Mail-Adresse legitimieren." Auf eine Kontrolle mit Personalausweis-Nummer habe man bislang verzichtet, weil die Identität des Testers damit für das Unternehmen hinreichend sichergestellt gewesen sei, erklärt er gegenüber tagesschau.de.

Aktuell hätten sich knapp 35.000 Menschen mit ihrer Fachkundebescheinigung bei uns registriert, so Bönig. "Niemand kann für sich selbst eine Bescheinigung erstellen. Ein erwachsener Bürger kontrolliert die Durchführung eines Selbsttests durch einen anderen Menschen und bestätigt das Ergebnis", erklärte er gegenüber tagesschau.de. "Ich denke daher, dass wir mit dem Fokus darauf, dass nur Menschen mit Fachkundenachweis sich registrieren können, wir sogar das Qualitätsniveau enorm erhöhen."

Eine Testbescheinigung von "Antje W. Alross"

Ein Versuch von tagesschau.de ergab jedoch, dass eine E-Mail-Adresse eines anonymen Providers mit einer frei erfundenen Identität ausreicht, um sich bei "Test-Express" als "Fachperson" zertifizieren und registrieren zu lassen. So konnte dann auch "Antje W. Alross" auf dem Portal Bescheinigungen für angeblich negative Corona-Tests realer Personen ausstellen.

Anbieter kassiert bei jedem Test

Mit dem Ende der kostenlosen Corona-Schnelltests haben "Test-Express" und eine Reihen von anderen Anbietern eine Marktlücke - und die Möglichkeit für Profite - entdeckt. Um die Bestätigung eines negativen Tests zu erhalten, muss der Getestete ebenfalls ein Konto bei "Test Express" eröffnen und sich vom Tester das Testergebnis bestätigen lassen. Für eine Gebühr von 1,99 Euro wird das Zertifikat an die angegebene E-Mail-Adresse und Handynummer geschickt. Wer den Service öfter in Anspruch nehmen will, erhält Mengenrabatt.

Medizinrechtler halten Nachweise für wertlos

Der Nachweis werde "überall anerkannt" und entspreche "den Nachweisrichtlinien des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert Koch-Instituts", behauptet der Anbieter. Jens Prütting, Professor für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg, glaubt dagegen nicht, dass die über das Portal der CliniGo GmbH ausgegebenen Testbescheinigungen gültig sind. Laut den aktuellen Bestimmungen müsse der Test vor Ort unter Aufsicht der Firma stattfinden und könne erst dann durch einen gültigen Testnachweis der Fachperson zertifiziert werden, erklärt er auf Anfrage von tagesschau.de.

Zwar könne zum Beispiel bei einem Restaurantbesuch ein Selbsttest unter Aufsicht eines Restaurantmitarbeiters durchgeführt und bei negativem Testergebnis das Restaurant besucht werden. In dem Fall sei es aber keinesfalls unerheblich, wo der Test durchgeführt und wofür der Test verwendet werden soll. "Ein solcher Nachweis gilt aber nur an dem Ort, an dem die Testung beaufsichtigt wurde", sagt Prütting. "Ein solches Angebot widerspricht dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums und dem eindeutigen Wortlaut 'vor Ort unter Aufsicht'", warnt Prütting.

Dieser Meinung ist auch Alexander Ehlers, Fachanwalt für Medizinrecht und Facharzt für Allgemeinmedizin: "Abgesehen davon, dass schon die Anforderungen an den Anbieter von Tests nicht erfüllt sind, wäre ein solches Zertifikat auch nicht überall verwendbar", erklärt er gegenüber tagesschau.de. Solche "Einwegzertifikate" erlauben nur den Eintritt zu dem Ort, der die Testung durchgeführt hat. "Selbst wenn das Zertifikat also gültig wäre, dürfte man damit nur CliniGo betreten."

Keine Universalgültigkeit

Ein solcher Testnachweis dürfe dann nicht in anderen 3G-Kontexten verwendet werden, wie es für die Zertifikate auf der Website von "Test-Express" versprochen wird. "Die CliniGo GmbH ist weder eine zuständige Stelle des öffentlichen Gesundheitsdienstes noch eines der von dieser betriebenen Testzentren", warnt Prütting. Eine konkrete Beauftragung der CliniGo GmbH durch den öffentlichen Gesundheitsdienst, aus der sich ihre Berechtigung zur Zertifizierung der Fachperson ableite, werde von der Betreiberin der Website jedenfalls nicht genannt.

Dem widerspricht Markus Bönig, Geschäftsführer der CiniGo GmbH, die das Portal "Test-Express" betreibt, gegenüber tagesschau.de: "35.000 Fachpersonen überwachen Selbsttests jeweils vor Ort und unter Aufsicht." Man sei keine zuständige Stelle des öffentlichen Gesundheitsdienstes, sondern ein Dienstleister. "Wir haben uns hier natürlich auch anwaltlich im Vorfeld beraten lassen und sind der Auffassung, dass wir korrekt handeln."

Zertifizierung als "Fachperson" zweifelhaft

Auch der Hinweis, dass der Tester mit dem von "Test-Express" ausgestellten Zertifikat eine Ausbildung nachweisen könne, genüge nicht den gesetzliche Anforderungen, meint Medizinrechtler Prütting. Eine bloße Schulung, wie sie dort angeboten werde, sei nicht mit einer Beauftragung gleichzusetzen. "Sollte keine gesonderte ausdrückliche Beauftragung bestehen, fehlt der CliniGo GmbH die rechtliche Grundlage, um Testzertifikate ausstellen zu dürfen. Die Zertifikate über die negativen Testergebnisse wären für die Verbraucher bei Vorlage nicht gültig und daher sinnlos."

Rechtliche Konsequenzen schwierig abzuschätzen

Was kann einer Person passieren, die eine Bescheinigung von "Test-Express" vorlegt? Die Frage ist schwierig zu beantworten, meint Medizinrechtler Ehlers gegenüber tagesschau.de: "Wird nur die Testung bescheinigt, oder lässt man sich nur testen, ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass eine nachweisbare Straftat vorliegt. Allerdings nur, wenn die Testung auch korrekt bescheinigt wird."

Auch eine Fälschung oder die Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse liegt nach nicht vor: "Dafür wäre es notwendig, dass die testende Person ein Arzt oder medizinisch approbiert ist oder sich dafür ausgibt", erklärt Ehlers. Für einen Betrug muss eine Person immer einen Vermögensschaden erleiden - "fließt kein Geld, liegt kein Schaden vor."

Alexander Ehlers

Den Nutzern einer Bescheinigung von "Test-Express" ist straf- und zivilrechtlich schwierig zu ahnden , meint Medizinrechtler Ehlers - auch wenn sie an den meisten Orten nicht verwendet werden darf.

Führt man eine Coronatestung falsch durch, kommt theoretisch eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht. In der Praxis sei der Nachweis aber sehr schwierig, dass eine Ansteckung auf die mangelhafte Abstrichentnahme zurückzuführen sei, meint Ehlers. Eine Urkundenfälschung lege auch nicht vor, sofern die testende Person ihren Namen und CliniGo auf der Urkunde angibt - und nicht beispielsweise eine 'richtige' Teststelle. "Enthält die Urkunde eine 'Lüge' wird sie dadurch nicht unecht", so Ehlers. "Nur bei Amtsträgern kann dies zur Strafbarkeit führen."

Geschäftsführer Mitglied der "Basis"

CliniGo-Geschäftsführer Bönig ist nach eigenen Angaben seit März 2021 in die Partei "Die Basis" eingetreten, die die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie scharf kritisiert, und aktuell passives Mitglied ohne Funktion. Im Sommer stand er mit im Zentrum eines Richtungsstreits in der Partei: Die Bundestagskandidaten Reiner Füllmich, Viviane Fischer, Martin Schwab und Wolfgang Wodarg warfen ihm unter anderem vor, sich parteischädigend verhalten, Kompetenzen überschritten und "Werbung für die Gesundheitsdatensammlung durch Microsoft" gemacht zu haben.

Zudem wurde in der Partei der Verdacht geäußert, Bönig wolle sich an den Corona-Maßnahmen bereichern - was Anhänger jedoch nicht daran hindert, sein Angebot - Motto: "Testet Euch gegenseitig frei!" - zu bewerben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete WDR5 am 01. Juni 2021 um 17:04 Uhr.