Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr stehen vor dem Chemnitzer Rathaus nach einer Bombendrohung.
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Umfrage unter Bürgermeistern Eingeschüchtert, angefeindet und bedroht

Stand: 25.06.2019 06:00 Uhr

Hetze und Gewalt - wie häufig sind Bürgermeister dem ausgeliefert? Eine Umfrage für report München zeigt: Fast die Hälfte der Befragten hat Erfahrung mit Hassmails, Einschüchterungsversuchen oder anderen Übergriffen.

Von Fabian Mader, BR

Eine Straßenbahn soll in Magdeburg den Norden der Stadt enger an das Zentrum binden. Bevor die Gleise verlegt werden, mussten einige Bäume gefällt werden. Für einen oder mehrere Bürger ist das ein Grund, drastische Zettel in der Stadt zu verbreiten: "OB Trümper an den Galgen!"

Für den Oberbürgermeister ist das nicht die erste Morddrohung. Seine Frau würde sich wünschen, dass er kürzer tritt. Aber aufgeben will er nicht. "Durch solche Sachen lasse ich mich nicht davon abbringen, das kommt jetzt leider vor, das ist traurig. Die Hemmschwelle, was man sagt und tut, ist stark gesunken."

Weit verbreitetes Phänomen

Die Zeitschrift KOMMUNAL hat für das ARD-Politmagazin report München untersucht, wie häufig solche Entgleisungen sind. Die Ergebnisse der Umfrage, an der sich mehr als 1000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beteiligten, machen deutlich, wie weit das Phänomen verbreitet ist. Mehr als 40 Prozent der Kommunen haben demnach Erfahrungen mit Hassmails, Einschüchterungsversuchen oder anderen Übergriffen gemacht. In rund acht Prozent der Gemeinde- oder Stadtverwaltungen kam es in den vergangenen Jahren sogar zu körperlichen Attacken.

Auch Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper wurde bei einem Wahlkampfauftritt vor einigen Jahren angegriffen, mit Fußtritten angegangen. Der Täter wurde inzwischen in eine Psychiatrie eingewiesen.

Die Hemmschwelle sinkt

Die Umfrage zeigt auch: Viele Täter legen nicht mehr ausdrücklich Wert auf Anonymität. Zwar kommen Beschimpfungen und Bedrohungen am häufigsten über soziale Netzwerke oder Briefe. Aber 46,5 Prozent der Betroffenen geben auch an, in direkten Gesprächen mit Bürgern beschimpft oder bedroht worden zu sein.

Öffentlich bekannt werden meist nur die extremen Fälle: Etwa im westfälischen Altena, wo Bürgermeister Andreas Hollstein 2017 in einem Imbiss mit einem Messer bedroht wurde, oder in Freiburg, wo der OB-Kandidat Martin Horn im vergangenen Jahr auf seiner Wahlparty niedergeschlagen wurde. Hollstein erhielt nach der Ermordung des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke neue Morddrohungen, ebenso wie die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die 2015 im Wahlkampf lebensgefährlich mit einem Messer attackiert worden war.

Wenn aus Wut Raserei wird

Aber auch die lokalen Zeitungen sind voll von Berichten von Übergriffen und Drohungen. Erst vor wenigen Wochen kam ein Mann mit einer Axt in die Stadtverwaltung in Ingolstadt, weil sein Kfz abgemeldet worden war und bedrohte die Mitarbeiter.

Eine hohe Dunkelziffer vermutet auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds in Deutschland, Gerd Landsberg, im report München-Interview. Viele Bürgermeisterinnen schweigen nach seiner Erfahrung aus Angst vor Nachahmern. Er sieht darin auch eine "Gefahr für die Demokratie". "Wenn die Vorfälle weiter so zunehmen, besteht die Gefahr, dass im Ehrenamt der eine oder andere sagt, das tue ich mir nicht mehr an."

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Landsberg fordert daher die Länderregierungen auf, Hetze härter zu verfolgen und zentrale Stellen einzurichten, an die sich betroffene Bürgermeister wenden können. Kommunalpolitikern selbst rät er, an die Öffentlichkeit zu gehen, die Taten anzuzeigen und transparent zu machen.

Das hat nun auch Magdeburgs Oberbürgermeister Trümper nach der jüngsten Morddrohung gegen seine Person gemacht. Er hofft, dass die Polizei den Täter ausfindig macht. Die Aufklärungsrate sei bei anonymen Drohungen aber gering.

Dieses Thema im Programm: Über das Thema berichtete das ARD-Politmagazin "report München" am 25. Juni 2019 um 21:45 Uhr.