Wartung eines A400M in Kayseri
Exklusiv

Trotz UN-Embargo Airbus wartet türkische Militärflugzeuge

Stand: 25.08.2020 06:04 Uhr

Airbus unterstützt die türkischen Streitkräfte bei der Wartung von Transportflugzeugen, die nach Libyen fliegen. Die Türkei bringt trotz UN-Embargo Waffen, Rüstungsgerät und Söldner in das Bürgerkriegsland.

Von Von Philipp Grüll und, Ahmet Senyurt , BR, und Hans-Martin Tillack

Es ist eines der wichtigsten außenpolitischen Projekte der Bundesregierung: Besonders Außenminister Heiko Maas hat sich im Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Vermittlung im Libyen-Krieg und die Durchsetzung des UN-Waffenembargos auf die Fahnen geschrieben.

Doch seit Kurzem haben die türkischen Streitkräfte eine regelrechte Luftbrücke in das Bürgerkriegsland eingerichtet, bei der Europas Luftfahrtriese Airbus eine wichtige Rolle spielt. Der Konzern, dessen Rüstungssparte in Ottobrunn bei München sitzt, wartet trotz Waffenembargo vor Ort in der Türkei Transportflugzeuge des Typs A400M und hält sie damit einsatzfähig für ihre Libyen-Missionen.

 

Flugtracking-Seiten belegen Libyen-Flüge

Mindestens zwölf Mal setzten die türkischen Streitkräfte seit Ende Juni ihr modernstes Transportflugzeug ein. Das geht aus einer Auswertung von Flugzeug-Trackingseiten hervor. Das ARD-Politikmagazin report München, der "stern" und weitere europäische Partner von Arte (Frankreich) bis El Diario (Spanien) haben sie gemeinsam mit dem niederländischen Recherchezentrum Lighthouse Reports im Rahmen des Recherchebündnisses #EUArms ausgewertet.

Der A400M wird zum Teil in Deutschland gebaut und kann bis zu 37 Tonnen an Militärgerät oder mehr als hundert Soldaten transportieren. Mehrere Airbus-Beschäftigte geben auf ihren Profilen bei dem Jobportal Linkedin an, dass sie dieses Flugzeug am türkischen Militärstützpunkt Kayseri warten. Dies deckt sich mit einer Präsentation eines deutschen Airbus-Managers aus dem Jahr 2019. Demnach stellte der Konzern der Türkei Personal für technischen Support des A400M zur Verfügung. Der entsprechende Vertrag läuft demnach bis 2023.

UN: Türkei bricht regelmäßig Waffenembargo

Problematisch ist das, weil die Türkei regelmäßig das Waffenembargo für Libyen mit Lieferungen an ihre Verbündeten unterläuft. Das stellten die Vereinten Nationen bereits Ende 2019 in einem offiziellen Bericht für den Sicherheitsrat fest, dem bis Ende des Jahres auch Deutschland angehört.

Tatsächlich gibt es etliche Indizien, dass die türkischen Streitkräfte im Libyen-Krieg mit ihren A400M-Maschinen kriegswichtige Fracht transportieren. Zum Beispiel findet sich auf der Webseite des türkischen Verteidigungsministeriums ein Artikel über die Ausbildung angehender Soldaten aus Libyen in der Türkei. Die Bildergalerie dazu enthält ein Foto von der Ankunft der Kadetten. Im Hintergrund ist eine A400M-Maschine zu sehen.

Ein Video, das am türkischen Flughafen Gaziantep an der Grenze zu Syrien aufgenommen wurde, zeigt eine Gruppe dunkel gekleideter Personen an der Laderampe eines A400M. Der Flughafen gilt als Drehscheibe für syrische Söldner, die von der Türkei nach Libyen gebracht werden. Kurz nach der Veröffentlichung des Videos am 9. Juli bei Instagram startete eine A400M-Maschine in Gaziantep und landete im libyschen Misrata, wie auf Flighttracking-Seiten zu erkennen ist. 

Deutsche Airbus-Zentrale bestätigt Wartung für Türkei

Airbus äußert sich nicht zu den Libyen-Flügen des A400M, bestätigt aber auf Anfrage von report München und Stern die Dienste für die türkischen Streitkräfte auf dem Stützpunkt Kayseri. Man werde dort auch weiterhin A400M-Maschinen warten, heißt es aus der deutschen Zentrale der Rüstungssparte Airbus Defence & Space. Außerdem werde die Türkei in zwei Jahren wie geplant ihre zehnte A400-Maschine geliefert bekommen.

Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Arnold Wallraff, spricht mit Blick auf die Wartungstätigkeiten von Airbus für die türkischen Streitkräfte von "Absurdistan". Wenn die Türkei das Libyen-Embargo breche, müsse eine solche technische Unterstützung aufhören, sagt der frühere Chef von Deutschlands oberster Exportkontrollbehörde. Wallraff fordert, dass die Bundesregierung interveniert.  

Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse

Im Januar war die Bundesregierung Gastgeber einer internationalen Konferenz, als deren wichtigster Erfolg das Bekenntnis aller Teilnehmer zum UN-Waffenembargo galt. Im Mai beschloss der Bundestag eine Beteiligung an der EU-Mission Irini zur Durchsetzung des Embargos - unter anderem mit einem Aufklärungsflugzeug des Typs Orion.

Noch vor kurzem hatte Außenminister Maas Sanktionen für Unternehmen vorgeschlagen, die sich weiter am Bruch des Waffenembargos beteiligen. Zu den Flügen des A400M in das Bürgerkriegsland aber heißt es aus dem Auswärtigen Amt, man habe "keine über (presse-)öffentliche Hinweise hinausgehenden Erkenntnisse".

Ein Airbus A400M steht während einer Präsention der Bundeswehr auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel.

Der Airbus A400M wird über die Beschaffungsorganisation Occar gekauft - dort hat die Bundesregierung durchaus Einfluss.

Das Verteidigungsministerium schickt auf Anfrage eine gleichlautende Antwort. Dabei gäbe es dort eine Möglichkeit, Druck auf die Regierung in Ankara auszuüben. Denn der Vertragspartner von Airbus für den A400M ist nicht die Türkei, sondern die internationale Beschaffungsorganisation Occar in Bonn.

Sie organisierte für sieben NATO-Staaten - darunter Deutschland und die Türkei - den Einkauf der Flugzeuge und kümmert sich nun um die Wartung. Im höchsten Entscheidungsgremium von Occar, dem Aufsichtsrat, sitzt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Bei der Organisation selbst heißt es lediglich, man habe "keine Kenntnisse” über die Nutzung der A400M durch die Türkei.

Empörung auch in der SPD

Im Bundestag rufen die Recherchen von report München, Stern und ihren internationalen Medienpartnern Empörung hervor. "Das schreit nach Aufklärung", sagt der Grünen-Rüstungsexperte Tobias Lindner. "Es kann nicht sein, dass eine europäische Firma der Türkei dabei hilft, das Waffenembargo gegen Libyen zu brechen."

Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen fordert einen Stopp der Rüstungskooperation über Occar und der deutschen Waffenexporte an die Türkei. Selbst Parteifreunde von Heiko Maas aus der Regierungsfraktion SPD fordern Konsequenzen: "Es passt nicht, dass Airbus die Maschinen wartet", sagt SPD-Verteidigungsexperte Karl-Heinz Brunner. Der Bundestagsabgeordnete fordert eine Änderung der deutschen Außenwirtschaftsgesetze, "um so etwas für die Zukunft zu vermeiden".

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet Report München am 25. August 2020 um 21:45 Uhr im Ersten.