
Konsumkredite Bund will Widerrufsrecht einschränken
Hunderttausende Deutsche sitzen in sogenannten Kettenkreditverträgen fest - einer Geschäftsmasche von Banken, die damit viel Geld verdienen. Jetzt will der Bund den letzten Ausweg aus der Schuldenfalle schließen.
Die Bundesregierung will das Widerrufsrecht bei Konsumkrediten wie zum Beispiel für Autos, Waschmaschinen oder Fernseher stark einschränken. Das geht aus mehreren Papieren hervor, die das NDR-Politikmagazin Panorama 3 und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) einsehen konnten. Demnach soll der Widerruf höchstens ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss möglich sein, wenn Banken in ihren Kreditverträgen beispielsweise den Zinssatz nicht klar definieren, eine falsche Widerrufsbelehrung abgeben oder andere signifikante Fehler in den Unterlagen sind, welche die Verbraucher benachteiligen.
Reform im EU-Recht verantwortlich
Bisher gilt für solche Fälle das sogenannte "ewige Widerrufsrecht". Das erlaubt es, Verträge noch Jahre später widerrufen zu können, wenn Banken Verbraucher falsch informiert haben. Hintergrund ist die Überarbeitung der EU-Richtlinie für Konsumkredite. Voraussichtlich im Juni wollen sich EU-Rat und EU-Parlament auf jeweils einen Gesetzesentwurf geeinigt haben, der im Herbst verabschiedet werden soll.
Die Bundesregierung hatte in mehreren Papieren und zuletzt auch Diskussionsrunden dafür plädiert, das ewige Widerrufsrecht abzuschaffen. In einem Kompromissentwurf von Ende April greift die EU den Vorschlag Deutschlands auf und läutet damit womöglich das Ende des ewigen Widerrufs ein.
Gefährliche Änderung für Betroffene von Kettenkrediten
Die geplante Einschränkung hätte den Recherchen von Panorama 3 und SZ zufolge weitreichende Folgen für Schuldnerinnen und Schuldner. Besonders betroffen wären Menschen mit so genannten Kettenkrediten. Bei dieser Kreditmasche lassen sich Verbraucher, die einen Kredit für beispielsweise ein Auto aufgenommen haben, von Banken dazu bewegen, diesen Kredit in immer höhere Kredite umzuschulden. Dabei verkaufen die Banken mit jedem Kreditabschluss zusätzliche Produkte wie Versicherungen, für welche sie Provisionen erhalten.
Am Ende landeten Verbraucher häufig in der Überschuldung, sagt Rechtsanwalt Achim Tiffe, der schon viele Betroffene vor Gericht vertreten hat: "Die meisten Leute werden irgendwann überschuldet sein. Die Banken werden ihren Profit gemacht haben mit diesen Menschen." Seinen und Schätzungen anderer Finanzexperten zufolge sind Hunderttausende Verbraucher in Deutschland davon betroffen.

Rechtsanwalt Tiffe befürchtet, dass es schwieriger werden wird, für betroffene Verbraucher eine sinnvolle Lösung zu finden.
Aus dieser Situation können sie sich oft nur mithilfe des "ewigen Widerrufs" lösen. "Der Widerruf ist oft der Türöffner, dass wir für Verbraucher eine sinnvolle Lösung finden und auch eine Zahlung, die sie noch leisten können", sagt Tiffe. Wird der Widerruf künftig auf ein Jahr und 14 Tage beschränkt, fällt diese Möglichkeit weg: Betroffene von Kettenkrediten suchen sich oft erst Jahre später und nach vielen Umschuldungen Hilfe bei Verbraucherschutzverbänden und Anwälten.
Lobbyerfolg der Banken?
Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband warnt deshalb vor einer Änderung: "Wenn das Widerrufsrecht begrenzt wird, dann entfällt ein Notanker, und der Verbraucher sitzt damit an dieser Stelle in der Falle." Künftig, so befürchtet sie, hätten Banken dann noch weniger Interesse daran, die Kundinnen und Kunden bei Krediten korrekt zu informieren, da sie wüssten, dass diese nach einem Jahr und 14 Tagen sowieso nichts mehr tun könnten.
Das zuständige Bundesjustizministerium teilt auf Anfrage von Panorama 3 und SZ mit, man kommentiere laufende Verhandlungen im EU-Rat nicht. In einer öffentlichen Diskussionsrunde vergangene Woche hielt sich Daniel Bornhöfer, Juristischer Attaché in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, allerdings weniger bedeckt. Er sagte, viele Verbraucher würden diesen "Widerrufsjoker" nutzen, um unberechtigt Vorteile zu erlangen. Belegen kann er diese Aussage auch auf Nachfrage weder mit konkreten Zahlen noch mit Studien.
Für Rechtsanwalt Tiffe ist das Signal, das die Bundesregierung setzt, nicht richtig. So würde sie "eigentlich im Nachhinein absegnen, was die Banken die letzten zehn, 20 Jahre gemacht haben."
Sendehinweis: Panorama 3 berichtet über dieses Thema heute um 21:15 Uhr im NDR Fernsehen