
"Nordkreuz"-Ermittlungen Drei Polizisten angeklagt
Im Skandal um mutmaßlich von Polizisten gestohlene Dienstmunition hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden drei Beamte angeklagt. In weiteren Fällen wird noch ermittelt.
Wegen Bestechlichkeit, Diebstahls und Verstößen gegen das Waffengesetz hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden drei Polizisten angeklagt. Eine Sprecherin der Behörde bestätigte dem NDR, dass Anklage erhoben wurde. Im vergangenen Jahr hatten die Ermittlungen gegen insgesamt 17 Beamte des Mobilen Einsatzkommandos Dresden für bundesweite Empörung gesorgt, der Chef des sächsischen Landeskriminalamtes trat zurück.
Die Anklage richtet sich gegen zwei Schießtrainer der Spezialeinheit aus Dresden sowie gegen den Kommandoführer der an das Landeskriminalamt angegliederten Einheit. Das Landgericht Dresden muss jetzt über die Zulassung dieser Anklage entscheiden. Die Beschuldigten waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. "Gegen die weiteren 14 Beschuldigten dauern die Ermittlungen zu ihren jeweiligen Tatbeiträgen noch an", sagte die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft. Zuerst hatte "Bild" über die Anklage berichtet.
Training für Spezialkräfte in Güstrow
Ihren Ursprung nahmen die Verdachtsmomente gegen die Beamten im Rahmen von Ermittlungen im Umfeld des rechtsextremen Netzwerks "Nordkreuz" in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei geriet auch ein Schießstand in Güstrow in den Fokus der Behörden. Der Betreiber des Platzes, Frank T., fiel bei den "Nordkreuz"-Ermittlungen auf. Er soll zeitweise selbst Mitglied einer Chatgruppe des Netzwerks gewesen sein.
T. hatte in der Vergangenheit spezielle Trainings für Spezialkräfte von Polizei aus Bund und Ländern angeboten. Er schenkte 2018 dem damaligen Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier, eine Waffe. Caffier wurde deswegen rechtskräftig wegen Vorteilsannahme verurteilt.
Auf dem Schießplatz in Güstrow übten viele Spezialeinheiten. Bei der Auswertung der Kommunikationsdaten von T. stießen die Ermittler auf Hinweise zu möglichen Straftaten von Polizisten, unter anderem jenen aus Sachsen.
Neue Ermittlungen in Münster
Im Januar durchsuchten Ermittler nach NDR-Informationen die Wohnung eines Polizisten im Raum Münster. Gegen den 53-jährigen Ersten Polizeihauptkommissar ermittelt die Staatsanwaltschaft Münster wegen des Anfangsverdachts der Unterschlagung, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Dem Verdächtigen wird vorgeworfen, privat im Jahr 2018 an einem "Special Forces Workshop" in Güstrow teilgenommen zu haben und sich für diese Teilnahme "ohne vorherige Genehmigung Munition aus dienstlichen Beständen der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen besorgt zu haben", so der Sprecher weiter.
Der Beamte arbeitete damals beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der nordrhein-westfälischen Polizei in Münster. Nach NDR-Recherchen geriet der Beamte bei der Auswertung des Mobiltelefons des Güstrower Schießtrainers T. unter Verdacht. Zu den Vorwürfen äußerte sich der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft bisher nicht.
Mehrere Verfahren eingestellt
Wegen möglicher Unterschlagung von Dienstmunition ermittelte auch die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen einen Brandenburger Beamten. Außerdem stand der Verdacht im Raum, dass der Polizist illegal eine Kriegswaffe besessen haben könnte. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen den Beamten inzwischen eingestellt.
Ebenfalls eingestellt hat die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizisten aus Hessen. "Der Anfangsverdacht der Unterschlagung dienstlich überlassener Munitionsteile hatte sich nach Abschluss der Ermittlungen nicht erhärtet", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf NDR-Anfrage.
Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelte zunächst gegen zwei Polizisten aus Bayern. Diese Ermittlungen stellte die Strafverfolgungsbehörde nun ein, weil ein Tatnachweis gegen bayerische Polizisten nicht zu führen war. Allerdings ergaben sich aus den Ermittlungen Verdachtsmomente gegen mehrere Polizisten aus Bayern, gegen die nun wegen Unterschlagung beziehungsweise Hehlerei von polizeilichen Ausrüstungsgenständen ermittelt wird.
Auch ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz steht im Raum, weil bei einem Beamten zu Hause fünf Patronen "Hartkernmunition für Spezialeinheiten" gefunden wurden, wie ein Sprecher der Münchner Generalstaatsanwaltschaft auf NDR-Anfrage mitteilte. "Diese Tatvorwürfe haben jedoch keinerlei politisch motivierte Hintergründe", betont der Behördensprecher.