
Naturschutzgebiet Fehmarnbelt Minen-Sprengung war nicht rechtens
Die Sprengung von Minen im Fehrmarnbelt im vergangenen Jahr war widerrechtlich. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten, das dem NDR exklusiv vorliegt.
Die Seeminen waren gefährlich. Die großen Metallkörper - gefüllt mit Sprengstoff - lagen am Grund der Ostsee. Seit 2016 war der Standort der Minen bekannt. Die Entschärfung war kaum möglich. Der Sprengstoff war kristallisiert und hätte möglicherweise auf Bewegung alleine reagieren können. Ein Anker oder ein Schleppnetz hätten die Detonation auslösen können - eine Gefahr für Mensch und Schifffahrt. Aus diesem Grund hatte die Marine übernommen, die Minen wurden Ende August 2019 gesprengt.
Allerdings lagen 39 dieser Minen im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. In den folgenden Wochen wurden Schweinswale tot an die Küsten angespült. Rund 30 Kadaver hat die tierärztliche Hochschule Hannover zur Untersuchung übernommen, wie das Institut bestätigte. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Der Schweinswal ist streng geschützt. Nach der Minensprengung im Fehmarnbelt wurden zahlreiche tote Tiere angespült.
Naturschutzbehörden nicht informiert
Sicher ist: Die Sprengungen hätten so nicht stattfinden dürfen. Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt vor, dass die Naturschutzbehörden in derartigen Fällen informiert werden müssen - was nicht geschah. Die Bundeswehr räumte das bereits ein.
In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom November 2019 schrieb das Verteidigungsministerium aber, die Grundsätze der Gefahrenabwehr und der Naturschutzbelange seien gegeneinander abgewogen worden. Im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das dem NDR exklusiv vorliegt, heißt es jetzt, wenn das Vorhandensein von Minen oder anderen Munitionslasten bereits seit längerem bekannt ist, dürfte dies die Berufung auf Eilbedürftigkeit regelmäßig erschweren.

Die deutsche Marine nahm an der NATO-Übung "Northern Coasts" unter anderem mit den Minenjagdbooten "Weilheim" und "Dillingen" teil. Bild: FILIP SINGER/EPA-EFE/REX
Auch NATO-Truppen müssen Naturschutzgesetz einhalten
Der Standort der Minen ist seit 2016 bekannt. Betroffene Bereiche hätten für die Schifffahrt gesperrt werden können, bis die Behörden informiert sind und möglicherweise Schutzmaßnahmen für die Wale ergriffen worden wären. "Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass die Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes auch von NATO-Truppen eingehalten werden müssen", sagt die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Steffi Lemke.
"Von besonderer Relevanz ist dabei die Pflicht zur Beteiligung der Naturschutzbehörden, aber auch die Einhaltung des artenschutzrechtlichen Tötungs- und Verletzungsverbotes. Beide Punkte scheinen nach den vorliegenden Erkenntnissen bei den Sprengungen vor Fehmarn im Sommer 2019 vom NATO-Verband ignoriert worden zu sein."

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lemke (Archivfoto).
Als Schutzmaßnahme gilt zum Beispiel ein Blasenschleier, der um eine Mine, die gesprengt werden muss, gelegt werden kann. So können Druckwellen reduziert werden. Im Fehmarnbelt wurde ein solcher Blasenschleier jedoch nicht verwendet. Außerdem können Schweinswale durch Schall vergrämt werden. Ob kleinere Detonationen das geeignete Mittel sind, ist umstritten.
Künftig abgestimmtes Verfahren
Die Umweltschutzorganisation NABU kritisierte die Sprengungen ebenfalls und sieht ihre Rechtsauffassung durch das Gutachten des Bundestages bestätigt. Kim Cornelius Detloff, Leiter Meeresschutz beim NABU, weist darauf hin, dass Schweinswale in mehreren Kilometern Entfernung tödlich verletzt werden könnten: "Die Tiere versuchen dann panisch, aus dem betroffenen Gebiet zu fliehen. Mutter-Kalb-Paare werden getrennt und die Wale verlieren für sie wichtige Nahrungs- und Fortpflanzungsgebiete - so wie geschehen im Fehmarnbelt."

Die deutsche Marine sprengte im Rahmen eines Manövers im Spätsommer 42 Grundminen - 39 davon im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt in der Ostsee.
Das Bundesumweltministerium teilte mit, in Zukunft werde sichergestellt, dass es, wenn Munition geborgen beziehungsweise gesprengt werde, eine rechtzeitige Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörden gebe. Um dafür ein geeignetes Verfahren abzustimmen, sei das Bundesverteidigungsministerium mit dem Bundesumweltministerium unter Einbeziehung ihrer Behörden im Austausch.