
Geldwäsche-Bekämpfung Deutschen Behörden fehlt Personal
Stand: 13.11.2019 06:00 Uhr
Trotz Skandalen wie Cum-Ex haben deutsche Behörden zu wenig Mitarbeiter für den Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. 2020 führt die OECD eine Prüfung durch. Es droht eine Blamage.
Von Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz, NDR
An mehreren Stellen fehlt in Deutschland Personal zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP hervor, die dem NDR vorab vorliegt. Demnach sind bei der Financial Intelligence Unit (FIU), Deutschlands wichtigster Stelle bei der Geldwäschebekämpfung, weiterhin zahlreiche Stellen nicht besetzt. Auch das Bundeszentralamt für Steuern, das unter anderem Steuersparmodelle erkennen und verhindern soll, ist personell nicht gut ausgestattet.
Das Papier belegt, dass trotz eines wachsenden Aufkommens an Geldwäsche-Verdachtsmeldungen für die FIU keine neuen Stellen vorgesehen sind. Vielmehr geht daraus hervor, dass die bereits bestehenden 374,5 Planstellen bei der Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls bislang nur zu knapp zwei Dritteln besetzt sind.
Mehr Verdachtsmeldungen
Die FIU ist Deutschlands Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldwäsche. Banken, Finanzinstitute und auch Warenhändler übermitteln dorthin ihre Verdachtsmeldungen. Im Jahr 2018 waren es mehr als 77.000.
Seit Jahren schon tut sich die FIU schwer damit, diese Meldungen ausführlich und abschließend zu bearbeiten. Ein Grund: Es fehlt Personal. Experten rechnen zudem damit, dass die Zahl der Geldwäscheverdachtsmeldungen, die vor allem Banken und Finanzdienstleister an die FIU richten, im laufenden Jahr noch einmal kräftig wachsen wird - auf wohl deutlich über 100.000 Meldungen.
In Zukunft sollen die FIU-Mitarbeiter zusätzlich mehr Zugriff auf Ermittlungsdaten bekommen, um Meldungen noch genauer zu prüfen. Mutmaßlich steigt das Arbeitsaufkommen dadurch weiter an.
Benedikt Strunz, NDR, zur Problematik des Personalmangels bei der FIU
tagesschau24 11:30 Uhr, 13.11.2019
Komplexe Überprüfungen
Auch das Bundeszentralamt für Steuern hat offenbar mit Personalmangel zu kämpfen. Dabei war nicht zuletzt wegen der aufsehenerregenden Fälle von Cum-Ex und Cum-Cum, die den Steuerzahler mutmaßlich Milliarden kosteten, aus der Politik zu vernehmen, dass man den Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung mit hoher Priorität angehen wolle. Unter anderem soll eine Meldepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Zukunft dabei helfen, frühzeitig missbräuchliche Geschäfte zu erkennen.
Für das neue Gesetz - das voraussichtlich zu Tausenden Meldungen pro Jahr führen wird, die es zu bewerten und zu bearbeiten gilt - werden beim Bundeszentralamt für Steuern 84 neue Stellen geschaffen. Ob das für die Einschätzung von komplexen, grenzübergreifenden Steuergestaltungsmodelle ausreicht, wie sie etwa bei Cum-Ex zum Einsatz kamen, bleibt abzuwarten.
Beim Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund), das die technische Abwicklung stemmen soll, sind es zwölf neue Stellen. Im Jahr 2019 schuf das Bundeszentralamt außerdem sechs Planstellen im Arbeitsbereich "Kampf gegen Steuermissbrauch und -gestaltung" - keine davon konnte bislang besetzt werden.
Überprüfung durch die OECD
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand kritisiert, dass die Große Koalition falsche Prioritäten im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche setzt. Nur so sei zu erklären, dass noch immer Hunderte Stellen nicht besetzt sind. "Man hat jahrelang versäumt, die Probleme anzugehen. Bei der Geldwäsche etwa handelt es sich um hochkomplizierte wirtschaftliche Vorgänge. Das kann nicht jeder durchdringen. Es ist schwierig, kurzfristig Personal zu finden", sagte Herbrand.
Im kommenden Jahr wird Deutschland von der sogenannten Financial Action Taskforces (FATF) geprüft. Dieses Gremium der OECD gilt als wichtigste Instanz weltweit, was die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung angeht. Auch Deutschland gehört der Gruppe an und wird, wie alle Staaten, regelmäßig im Hinblick auf die Einführung von Maßnahmen gegen Geldwäsche evaluiert.
Auf einer Stufe mit Iran, Irak, Afghanistan?
Finanzpolitiker Herbrand warnt nun, dass die Bundesregierung auf die FATF-Prüfung nicht gut vorbereitet ist: "Deutschland wird dieses Verfahren nicht mit einem, sondern eher mit zwei blauen Augen überstehen. Und dann stehen wir am Ende in Sachen Geldwäscheprävention auf einer Stufe mit Ländern wie dem Iran, Irak und Afghanistan. Das sollte für Deutschland eigentlich nicht das Ziel sein."
Auf Ebene der Europäischen Union läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaften Umsetzung von Geldwäschepräventionsrichtlinien gegen Deutschland. Spätestens das, so Herbrand, hätte für die Große Koalition "ein Weckruf" sein müssen.
Personalnot bei Anti-Geldwäscheeinheit
Benedikt Strunz, NDR
13.11.2019 06:11 Uhr
Gesetz bis zur Umsetzungsfrist im Januar
Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte auf Anfrage: "Es ist sichergestellt, dass die FIU ihre Aufgaben sachgerecht wahrnehmen kann." Neben den normalen Beschäftigten kämen 161 Geschäftsaushilfen zum Einsatz. Es sei außerdem davon auszugehen, dass "die personellen Ressourcen des BZSt und des ITZ für die Bewältigung dieser neuen Aufgabe ausreichen werden".
Im Hinblick auf die FATF-Prüfung teilte das Ministerium mit: "Die Bundesregierung hat frühzeitig begonnen, sich auf die Herausforderungen einer solchen, etwa ein Jahr dauernden Prüfung vorzubereiten." Eine Vertragsverletzungsstrafe der EU drohe Deutschland nicht, da man noch bis zur Umsetzungsfrist im Januar 2020 ein entsprechendes Gesetz verabschieden wolle.
Unterdessen haben sich offenbar sechs EU-Länder darauf verständigt, dass sie gemeinsam eine zentrale Geldwäsche-Aufsicht in der EU vorantreiben möchten. Darüber berichtete das Handelsblatt am Montag. Demnach planen Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Lettland und die Niederlande eine entsprechende Zentralstelle auf europäischer Ebene.