
Sanktionen gegen Russland Ein Schiff muss bleiben
Im Hamburger Hafen liegt eine Luxusjacht, die einem russischen Oligarchen zugeordnet wird. Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ hat das BKA nun die genauen Besitzverhältnisse ermittelt. Das Schiff soll festgesetzt werden.
Sie sind Sinnbilder der russischen Oligarchie: Die Mega-jachten der steinreichen Freunde und Bekannten von Wladimir Putin, oft Hunderte Millionen Euro teuer, ausgestattet mit Hubschrauber-Landeplätzen oder sogar U-Booten. Viele dieser Luxus-Schiffe liegen in Häfen rund um den Globus verteilt, in der Karibik, an der Côte d‘Azur, in Dubai, vor der italienischen Küste, den Malediven - oder auch in Hamburg.
Im Hafen der Hansestadt, bei der Werft Blohm + Voss, liegt seit einiger Zeit eine solche Oligarchen-jacht: Die Dilbar, 156 Meter lang, 24 Meter breit, rund 500 Millionen Euro soll sie gekostet haben. Aktuell ist das Schiff aufgrund einer Generalüberholung im Trockendock in weiße Planen eingehüllt. Und so schnell wird die Dilbar die deutschen Gewässer wohl auch nicht mehr verlassen.

Die Jacht "Dilbar" im Hamburger Hafen
Dafür haben nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Steuerfahndung gesorgt. Sie haben inzwischen herausgefunden, wem die Dilbar gehört und wie die genauen Besitzverhältnisse sind - zumindest auf dem Papier.
Die Jacht soll Gulbahor Ismailova gehören, der Schwester des russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten Alisher Usmanov. Ihr Name stand bislang noch auf keiner Sanktionsliste. Das BKA informierte das Auswärtige Amt allerdings vor kurzem über die neuen Erkenntnisse. Inzwischen ist Ismailova ebenfalls sanktioniert, die Luxusjacht im Hamburger Hafen darf nicht mehr bewegt werden.
Der gebürtige Usbeke Alisher Usmanov gilt als einer der reichsten Oligarchen überhaupt. Der Milliardär besitzt Fernsehsender, Zeitungen und Eisenproduzenten. Seit Ende Februar steht er auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Er gilt als kremlnah - "mit besonders engen Beziehungen zum russischen Präsidenten", wie es zur Begründung heißt. Er werde sogar "als einer der Lieblingsoligarchen" Putins bezeichnet.
In Deutschland suchen seitdem Behörden nach seinem Besitz und Vermögen, das eingefroren und sichergestellt werden könnte. Mehrere Villen am bayerischen Tegernsee sollen dem Oligarchen gehören. Das BKA soll zudem allein auf 36 Offshore-Firmen und 90 Geldwäsche-Verdachtsanzeigen in Zusammenhang mit Usmanov gestoßen sein.
Neben Usmanovs Schwester Ismailova, die als Besitzerin der Jacht "Dilbar" ausgemacht wurde, befindet sich auch eine weitere Schwester des Milliardärs auf den Sanktionslisten der EU: Die 56-jährige Gynäkologin Saodat Narzieva soll laut den von NDR, WDR und SZ veröffentlichten "Suisse Secrets" zwischenzeitlich die wirtschaftlich Berechtigte von bis zu 27 Konten bei der Schweizer Großbank Credit Suisse gewesen sein.
Auf einem dieser Konten befanden sich im April 2011 Vermögenswerte in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar. Ein Teil der Bankverbindungen existiert womöglich heute noch. Gegenüber der Recherche-Plattform OCCRP hatte die Usmanov-Schwester verlauten lassen, sie wisse nicht, warum ihr Name als Eigentümerin der Konten auftauche.
Task Force ins Leben gerufen
Die Bundesregierung hat eine Task Force ins Leben gerufen, um hierzulande Oligarchen-Gelder aufzuspüren. Daran beteiligt sind mehrere Ministerien und Behörden, vom Wirtschafts- und Finanzministerium, der Finanzaufsicht BaFin, über das BKA, den Zoll bis zum Bundesnachrichtendienst (BND). Bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wurde ein Struktur-Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung gegen unbekannt eröffnet. Damit können die Fahnder jetzt Zeugen vernehmen und Dokumente beschlagnahmen.
Für die Recherchen nutzt das BKA zudem mehrere Datenbanken, darunter die Panama- und Paradise-Papers, die Informationen über Offshore-Konten enthalten, das Flugzeug-Register der Isle of Man oder Daten aus Geldwäsche-Ermittlungen rund um die Danske Bank, über die viel schmutziges Geld aus Russland gewaschen worden sein soll.
In der Vergangenheit, nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 etwa, zeigte die europäische Sanktionspolitik gegenüber Russland hierzulande kaum Wirkung. Dies soll sich nun ändern. In anderen Ländern, etwa in Italien und Frankreich, wurden bereits öffentlichkeitswirksam Oligarchen-Anwesen und Schiffe konfisziert.
Die Jacht im Hamburger Hafen könnte nun für die deutsche Sanktionspolitik ein erster Erfolg sein. Mitte März statteten BKA-Ermittler der Firma Lürssen einen Besuch ab. Diese Werft hatte die Dilbar, die nach Alisher Usmanovs Mutter benannt sein soll, im Jahr 2016 gebaut. Die Fahnder ließen sich sämtliche Unterlagen zu dem Schiff zeigen, wollten wissen, wer jetzt eigentlich der Vertragspartner der Wartung und Überholung des Schiffes sei.
Lürssen übergab dem BKA den 65-Seiten umfassenden Wartungsvertrag, der sämtliche Details der Überholung enthält. Die Fahnder interessierte die Firma, an die letztendlich die Rechnung gestellt wurde. So stießen sie offenbar auf eine Navis Marine Ltd auf den Cayman Islands. Die wiederum gehört einer Firma mit Sitz auf Zypern, die einer Schweizer Holding zuzuordnen ist, die wiederum einem True Sister Trust gehört - ein verschachteltes System, das offenbar die Besitzverhältnisse verschleiert.
Als wirtschaftlich Berechtigte aber, so fand das BKA heraus, ist seit 2017 die Schwester des Oligarchen Usmanov eingetragen. Dem "Spiegel" gegenüber hatte der Russe erklärt, das Schiff gehöre ihm nicht, er habe es nur von Verwandten gemietet. Doch diese Erklärung wird jetzt nicht mehr reichen: Die Dilbar wird Deutschland wohl vorerst nicht mehr verlassen dürfen.