Das Nord-Stream-Gasleck von oben. Ein Blasenteppich auf der Ostsee.
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Anschlag auf Nord-Stream-Pipelines Durchsuchung in Deutschland 

Stand: 01.06.2023 17:59 Uhr

Im Zuge der Nord-Stream-Ermittlungen hat das Bundeskriminalamt eine Wohnung in Deutschland durchsucht und eine Frau befragt. Die Zeugin ist offenbar die ehemalige Lebensgefährtin eines ukrainischen Tatverdächtigen.

Es ist eines der wohl brisantesten Ermittlungsverfahren, die in Deutschland jemals geführt wurden - der Fall der Sprengstoffanschläge auf die Nord-Stream-Pipelines im September 2022. Seit Monaten ermittelt der Generalbundesanwalt wegen "verfassungsfeindlicher Sabotage" am Meeresgrund. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei wurden damit beauftragt, jene Täter zu finden, die in rund 70 Metern Tiefe die Röhren zerstört hatten. 

Im Fokus der deutschen Ermittler steht dabei seit einiger Zeit eine 15 Meter lange Segeljacht: die "Andromeda". Sie soll Anfang September von Rostock aus in See gestochen sein. Die Personen, die damit offenbar über die Ostsee fuhren, hatten beim Bootsverleiher wohl verfälschte Pässe vorgelegt. Später hatte das BKA auf dieser Yacht Sprengstoffspuren entdeckt. 

 

Mehrere Spuren in die Ukraine

Nach Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) sollen gleich mehrere Spuren bei der Anmietung der "Andromeda" in die Ukraine führen und zwar in Kreise des ukrainischen Militärs.

Es geht dabei um ein Reisebüro in Warschau, das offenbar lediglich als Briefkastenfirma dient - und um einen verfälschten rumänischen Pass, der nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler von einem jungen Ukrainer genutzt worden sein soll. Er wiederum soll über Verbindungen zum ukrainischen Militär verfügen. Die Ermittler haben zudem weitere Personen im Blick, die sie für mutmaßliche Unterstützer halten.

Durchsuchung bei Zeugin

In der vergangenen Wochen hat das BKA nach Recherchen von WDR, NDR und SZ im Zuge der Nord-Stream-Ermittlungen die Wohnung einer nichtverdächtigen Person in Frankfurt (Oder) in Brandenburg durchsucht und die Bewohnerin als Zeugin befragt. Es soll sich um die ehemalige Lebensgefährtin eines ukrainischen Tatverdächtigen handeln, gegen den konkret ermittelt wird. Sie soll befragt worden sein. Die Ermittler stellten zudem ihr Mobiltelefon sicher. 

Die Zeugin und der tatverdächtige Ukrainer haben offenbar ein gemeinsames Kind. Sie sollen zeitweise auch zusammengelebt haben. Die BKA-Ermittler haben daher nach Informationen von WDR, NDR und SZ auch eine DNA-Probe des Kindes genommen, um diese mit DNA-Spuren von der Segeljacht "Andromeda" zu vergleichen. Sie wollen damit überprüfen, ob der Tatverdächtige tatsächlich im September 2022 auf dem Boot war. 

 

Eine Sprecherin des Generalbundesanwaltes bestätigte, man habe "am 25. Mai die Wohnung einer nichtverdächtigen Person in Frankfurt (Oder) durchsuchen lassen". Weitere Details zu den laufenden Ermittlungen wurden aber nicht genannt. Das Bundeskriminalamt wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Auch internationale Ermittlungen gehen weiter

Neben dem deutschen Verfahren gibt es auch in weiteren europäischen Ländern Ermittlungen zu den Nord-Stream-Anschlägen. So sind etwa auch die dänischen und schwedischen Strafverfolgungsbehörden mit dem Fall befasst. Über die dortigen bisherigen Ermittlungsergebnissen ist allerdings kaum etwas bekannt. Der zuständige schwedische Staatsanwalt erklärte jüngst lediglich: "Wir haben ein sehr gutes Bild davon, was am Tatort passiert ist und wie dies durchgeführt wurde." 

Mehrere Medien haben in den vergangenen Monaten zudem über verdächtige russische Militärschiffe berichtet, die sich kurz vor den Explosionen der Nord-Stream-Pipelines in der Nähe aufgehalten hatten. Teilweise hatten diese Schiffe ihre Signale ausgeschaltet, um nicht geortet werden zu können. 

In deutschen Sicherheitskreisen heißt es dazu, diese Vorgehensweise russischer Militärschiffe sei nicht ungewöhnlich, sondern finde in der Ostsee regelmäßig statt. Die NATO sei dennoch in der Lage, die Bewegungen der Schiffe zu verfolgen. Auch diesen Spuren sind die deutschen Ermittler nachgegangen, haben Satellitenaufnahmen und Funkaufzeichnungen ausgewertet.

Die bislang konkreteste Spur allerdings stellt aus Sicht der Ermittler die Segeljacht "Andromeda" dar, auch wenn natürlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ermittler hier von anderen absichtlich gelegte Spuren verfolgen - es sich also um eine sogenannte "False-Flag-Operation" handelt.

 

BND sieht wenig Chancen auf Aufklärung

Offizielle Äußerungen von deutscher Seite klangen zuletzt zurückhaltend. Bei einer Veranstaltung in Berlin hatte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, Hoffnungen auf zügige Aufklärung gedämpft. "Kein Land dieser Welt, kein Nachrichtendienst dieser Welt ist im Moment in der Lage, das konkret zu attribuieren", also jemanden für die Tat verantwortlich zu machen. Das sagte Kahl in der vergangenen Woche bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks). Seinen Angaben zufolge gebe es "Hinweise in alle möglichen Richtungen." 

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte sich in der vergangenen Woche ebenfalls nicht festlegen wollen: "Wir können uns erst dann sinnvoll äußern, wenn wir Anhaltspunkte beziehungsweise harte Belege dafür haben, wer hinter dieser Tat steckt", sagte Hebestreit. Klar machte Hebestreit aber, dass "ein gehöriges Maß an zumindest krimineller, vielleicht auch terroristischer Energie" notwendig sei, um eine solche Tat durchzuführen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. Juni 2023 um 18:10 Uhr.