Die Fahne der Volksrepublik China weht im Wind vor der Chinesischen Botschaft in Berlin.
Exklusiv

Gespräche mit China Bundesregierung will keine Polizeiaktivitäten dulden

Stand: 02.11.2022 17:02 Uhr

China soll in Europa mehrere "Polizei-Büros" betreiben - auch in Deutschland. Die Bundesregierung hat jetzt offenbar in Gesprächen mit der chinesischen Seite klargemacht haben, dass sie solche Aktivitäten nicht dulde.

Von Von Manuel Bewarder und Florian Flade, NDR/WDR

Das Gewaltmonopol obliegt in Deutschland dem Staat. Und zwar dem deutschen Staat. Andere Länder dürfen in der Bundesrepublik beispielsweise nicht mit ihren Polizeibehörden aktiv werden. Außer es bestehen darüber Abkommen, wie etwa Kooperationsvereinbarungen an der Grenze zu Frankreich oder zu Polen. Mit der Volksrepublik China aber gibt es eine solche Regelung nicht.

Dennoch soll China hierzulande mit seiner Polizei aktiv sein, und zwar mit sogenannten "Übersee-Polizeistationen", ÜPS genannt. Darauf haben auch deutsche Behörden Hinweise. Anders als der Name vermuten lässt, soll es sich nach Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen dabei nicht um feste Einrichtungen handeln. Vielmehr ist die Rede von einzelnen Personen, die mitten in Deutschland polizeiliche Aufgaben wahrnehmen - im Auftrag der chinesischen Behörden.

Die Menschenrechtsorganisation "Safeguard Defenders" hat im September Recherchen zu den Übersee-Polizeibüros veröffentlicht. Ihnen zufolge soll es mehr als 50 solcher Strukturen in zahlreichen Ländern geben, in den USA, Großbritannien und Kanada etwa, in den Niederlanden, Irland, Schweden, Frankreich und auch in Deutschland. Chinas Regierung hatte die Vorwürfe sofort zurückgewiesen: Diese Berichte seien "völlig falsch". Es solle sich dabei vielmehr um Stellen handeln, die dazu dienten, Auslandschinesen bei Passangelegenheiten, anderen bürokratischen Vorgängen oder auch Konflikten mit anderen Chinesen behilflich zu sein.

Kontrolle von Chinesen im Ausland?

Den Aktivisten zufolge sollen die aber auch dazu genutzt werden, im Ausland lebende Chinesen kontrollieren zu können und gesuchte Personen zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen. Insbesondere treffe dies auf Chinesen aus Auswandererregionen wie Fujian zu. "Safeguard Defenders" kritisiert: Es sei zu befürchten, dass der chinesische Staat auf diese Weise Kritiker im Exil aufspürt und unter Druck setzt.

Die Existenz solcher chinesischen Polizeistellen ist nach Informationen von NDR und WDR innerhalb der Bundesregierung schon längere Zeit bekannt. Auch die deutschen Sicherheitsbehörden haben sich bereits damit befasst. Sie gehen davon aus, dass die Arbeit der chinesischen Polizeivertreter, sogenannter Gemeindeführer, über WeChat-Gruppen und Videokonferenzen organisiert wird. Zudem soll eine enge Anbindung an das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit bestehen. Die chinesische Botschaft in Berlin ließ eine Anfrage zu den Vorwürfen unbeantwortet. 

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärt: "Chinesische Stellen verfügen über keinerlei Exekutivbefugnisse auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland." Auch das Auswärtige Amt hat sich mit dem Problem inzwischen befasst: Aus Regierungskreisen heißt es, dass man die "Ausübung fremder Staatsgewalt" hierzulande nicht akzeptiere. Aktivitäten müssten sich im Rahmen der international vereinbarten Regeln bewegen. Genau dies habe man der chinesischen Seite "in bilateralen Gesprächen" auch deutlich gemacht.

Untersuchungen in europäischen Staaten

In den Niederlanden hat die Regierung China inzwischen offiziell aufgefordert, die Polizei-Büros, die es in Amsterdam und Rotterdam geben soll, zu schließen und derartige Aktivitäten zu unterlassen. Auch in Frankreich, Portugal und Schweden haben die Behörden entsprechende Untersuchungen eingeleitet.

Europäische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass China seit einiger Zeit gezielt regimekritische Oppositionelle und Personen aufspüren will, die wegen Korruptionsvorwürfen oder anderer Delikte gesucht werden. Insbesondere in den USA und in Großbritannien lebende Exil-Chinesen sollen bereits in den Fokus dieser Kampagnen, "Fox Hunt" und "Sky Net" genannt, geraten sein. US-Behörden haben diesbezüglich bereits mehrere Chinesen, die an diesen Aktionen beteiligt gewesen sein sollen, als "illegale Agenten" öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben oder angeklagt.

Matthias Reiche, Matthias Reiche, ARD Brüssel, 02.11.2022 15:08 Uhr