Zwei Männer im Anzug, von denen einer einen Aktenkoffer trägt, werfen lange Schatten.
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Rückblick Fünf Jahre Panama-Papers

Stand: 02.04.2021 18:02 Uhr

Vor fünf Jahren veröffentlichten Medien aus aller Welt die Panama Papers. Seither sind Betrüger verhaftet worden, Politiker traten zurück, Finanzbehörden nahmen mehr als eine Milliarde Euro ein. Trotzdem bleibt noch viel zu tun im Kampf um Steuergerechtigkeit.

Am 3. April 2016 veröffentlichten Medienhäuser aus aller Welt gemeinsam eine Recherche von bis dato unbekanntem Ausmaß: Die Panama Papers. Rund 380 Journalistinnen und Journalisten waren daran beteiligt, in Deutschland recherchierten Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) über ein Jahr gemeinsam an den Geschichten.

Fünf Jahre danach steht wohl fest, dass es selten ein journalistisches Projekt gab, das derart weitreichende Folgen nach sich gezogen hat. Deutlich über eine Milliarde Euro haben Finanzbehörden und Gerichte durch Strafgelder und Steuernachforderungen weltweit eingenommen, rund 160 Millionen davon allein in Deutschland. In vielen Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

In Island, Pakistan und Malta zerbrachen Regierungen infolge der Enthüllungen, und in Deutschland durchsuchten Ermittler der Frankfurter Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamts (BKA) Ende 2018 unter anderem die Zentrale der Deutschen Bank, die, wie sich später anhand der Panama-Papers-Unterlagen rekonstruieren ließ, verspätete Geldwäscheverdachtsmeldungen abgegeben und die Prävention vernachlässigt hatte.

Die Bank zahlte dafür 15 Millionen Euro Bußgeld. "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt, sind die Probleme systematisch angegangen und haben unserer Geschäft neu ausgerichtet und unsere Kontrollen verbessert sowie personelle Konsequenzen gezogen", sagte ein Sprecher der Bank. Zahlreiche andere Geldinstitute zahlten ebenfalls hohe Strafen.

BaFin-Bericht hat kaum Konsequenzen für Banken

Erstaunlich wenig auszusetzen am Verhalten der Banken im Zusammenhang mit den Offshore-Geschäften hatte allerdings die deutsche Finanzaufsicht BaFin. Nach Veröffentlichung der Panama Papers beauftragte die Behörde eine Wirtschaftsberatungsgesellschaft mit der Prüfung von elf deutschen Finanzinstituten, die in den Papieren auftauchten. NDR, WDR und SZ haben den Abschlussbericht einsehen können, allerdings hat die BaFin ihn in weiten Teilen geschwärzt.

Die von der BaFin beauftragte Firma schreibt unter anderem, dass anhand der durch Banken zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht erkennbar gewesen sei, ob "eine laufende oder anlassbezogene Überwachung der Kundenbeziehungen" durch Institute durchgeführt wird. Zudem habe man "Unterlagen, aus denen sich eine Risikoklassifizierung der Geschäftsbeziehungen mit Kunden ergibt", bei Prüfungen "in keinem Fall vorgefunden", und in zahlreichen Fällen "konnten wir keine Unterlagen zu den Verfügungsberechtigten auffinden".

Die Banken hätten sich außerdem wenig kooperativ gezeigt, "Unterlagen wurden von einzelnen Instituten nur in den Fällen (…) geliefert, in denen zum Ende des Untersuchungszeitraums noch eine aktive Geschäftsbeziehung bestand", und "von einem Institut wurden Datenlieferungen angekündigt, die tatsächlich nicht erfolgten", heißt es in dem Bericht. Trotz dieser Erkenntnisse lautete das Ergebnis der BaFin, dass keine der geprüften Banken "in erheblichem Maße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften" verstoßen habe, wie der damalige BaFin-Chef Felix Hufeld bei einer Ansprache im Januar 2018 mitteilte. Konsequenzen von Seiten der Bankenaufsicht gab es für die Institute offenbar keine. Man habe "die sich ergebenden Feststellungen" den betroffenen Instituten gegenüber angesprochen, erklärte eine BaFin-Sprecherin auf Anfrage.

Behörden erwarben Datensatz

Die weltweiten Ermittlungen wurden auch dadurch möglich, dass das BKA gemeinsam mit den hessischen Finanzbehörden einen Datensatz aus unbekannter Quelle erworben hat, der nach Angaben der Behörde identisch ist mit dem Panama-Papers-Leak. Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR und SZ haben zu keinem Zeitpunkt Daten an Ermittler übergeben. Die Ermittler teilten diese Erkenntnisse mit Behörden im In- und Ausland, was allein in Deutschland zu Hunderten Ermittlungsverfahren führte.

Medienberichten zufolge zahlten das Land Hessen und das BKA fünf Millionen Euro dafür, bestätigt wurde diese Summe bislang nicht. Das Finanzministerium in Hessen teilte lediglich auf Anfrage mit, dass das Land sich mit 312.500 Euro am Ankauf beteiligt habe. Das BKA äußerte sich nicht. Hessens Finanzminister Michael Boddenberg sieht in solchen Ermittlungsaktionen auch "eine klare Ansage an alle diejenigen, die glauben, dass man über irgendwelche Konstrukte im fernen oder nahen Ausland Steuern sparen kann". Boddenberg wertet die Arbeit an dem Datensatz als Erfolg für die hessischen Fahnder, die sich mit "hoher Professionalität" um die Auswertung gekümmert hätten und jetzt bei neuen Daten-Leaks entsprechend gut aufgestellt seien.

Über Mossack Fonseca, die Kanzlei, aus der die Daten der Panama-Papers-Recherchen stammten, die von einem Whistleblower an die SZ übergeben worden sind, sind indes keine weiteren Enthüllungen zu erwarten. Die Anwaltskanzlei existiert seit März 2018 nicht mehr. Ihre Gründer und Namensgeber, der deutschstämmige Jürgen Mossack und Ramon Fonseca, werden per internationalem Haftbefehl gesucht: Ausgestellt vom Amtsgericht Köln, wo man den beiden unter anderem wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung den Prozess machen möchte. Dass es dazu jedoch kommen wird, ist unwahrscheinlich, da Panama die beiden Männer nicht ausliefern wird.

360 Milliarden Euro Steuern werden jährlich vermieden

Ausgetrocknet sind die Steuer- und Finanzoasen dieser Welt nicht. Obwohl einige der einschlägigen Länder mehr Transparenz versprochen haben und das zum Teil auch umsetzten - etwa Luxemburg oder Malta mit offenen Firmenregistern oder Panama, das nun immerhin am sogenannten Automatischen Informationsaustausch nationaler Steuerbehörden teilnimmt - gehen der Gesellschaft nach Recherchen des Netzwerks Steuergerechtigkeit jedes Jahr etwa 360 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Als Gründe dafür listet die NGO in einem Anfang März erschienenen Report Gewinnverlagerungen und Steuertricks von Konzernen und reichen Privatpersonen auf.

Auch in Deutschland hapert es noch mit der Transparenz, wie Christoph Trautvetter vom Netzwerk für Steuergerechtigkeit feststellt. "Zum einen muss Deutschland das Transparenzregister ernsthaft umsetzen und dafür sorgen, dass sich alle Firmen eintragen", sagte Trautvetter dem NDR. "Und zum anderen müssen Deutschland und die anderen Länder dafür sorgen, dass die Banken die Eigentümer der Bankkonten ordentlich erfassen", so der Experte weiter. Bis heute gäbe es Tausende Konten bei deutschen Banken, bei denen die Eigentumsverhältnisse unklar seien. Trautvetter schätzt, dass allein in Deutschland zehn Milliarden Euro im Jahr an Steuereinnahmen durch komplizierte, anonyme Firmenkonstrukte im Ausland verloren gehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete B5 Aktuell am 03. April 2021 um 19:40 Uhr.