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AfD-Abgeordneter Oehme Auf Kreml-Kosten auf die Krim

Stand: 12.06.2020 13:00 Uhr

Der AfD-Abgeordnete Oehme reiste 2018 auf die Krim und lobte die dortige Wahl. Kontraste-Recherchen belegen: Finanziert hat die Reise Russlands Parlament. Kritiker sprechen von "bezahlter Propaganda".

Von Von Andrea Becker und Georg Heil, RBB

Ein Feuerwerk steigt in den Nachthimmel, die russische Nationalhymne erklingt - Wladimir Putin hat die russische Präsidentschaftswahl gewonnen. Im März 2018 postet der sächsische AfD-Abgeordnete Ulrich Oehme ein Handyvideo auf Facebook. Oehme hält sich zu diesem Zeitpunkt in Begleitung des ehemaligen AfD-Fraktionsmitarbeiters Manuel Ochsenreiter auf der von Russland annektierten Krim auf.

Die Durchführung der Wahl des russischen Präsidenten auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel ist völkerrechtlich unzulässig. Bis auf wenige Ausnahmen erkennt kein Land den Wahlvorgang dort an. Den AfD-Abgeordneten störte das nicht, er betätigte sich als "internationaler Wahlbeobachter".

Verstoß gegen internationale Regeln

Nicht nur die Wahl auf der Krim war illegitim und die Einreise nach ukrainischem Recht eine Straftat. Für Wahlbeobachter haben internationale Organisationen, denen auch Russland angehört, Regeln vereinbart. Sie sollen unabhängig und unparteiisch sein.

Allerdings unterminiert Moskau - wie auch andere autoritäre Regime - diese internationalen Absprachen seit Jahren durch den Einsatz von wohlgesonnenen Helfern, die fragwürdige Wahlen publikumswirksam positiv kommentieren. "Angenehm überrascht" sei auch Oehme vom Verlauf der Wahlen gewesen, so zitierte ihn die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik.

Duma übernahm die Kosten

Bei Recherchen stießen Kontraste und "Der Spiegel" nun auf bisher unbekannte Dokumente. Sie belegen, dass Oehmes Reise und Wahlbeobachtertätigkeit durch den Auswärtigen Ausschuss des russischen Parlaments, der Duma, finanziert wurde.

Oehme selbst deklarierte dies in einer Erklärung gegenüber der parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), der er als stellvertretender Delegierter angehört. Die parlamentarische Versammlung hat sich für ihre Mitglieder strenge Offenlegungspflichten gegeben, nachdem das Gremium durch einen Korruptionsskandal erschüttert worden war. Anlass waren ähnliche parteiische Wahlbeobachtungen in Aserbaidschan.

"Bezahlte Propaganda"

Der europapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Link übt heftige Kritik an der Krimreise seines Bundestagskollegen. "Herrn Oehmes Besuch auf der von Russland rechtswidrig besetzten Krim erfüllte keine einzige der von der OSZE und vom Europarat festgelegten Kriterien für internationale Wahlbeobachtungen. Solche politisch motivierte Gefälligkeitsbeobachtungen sind nichts anderes als bezahlte Propaganda im Interesse eines rechtswidrig handelnden Staates, hier Putins Russland."

Link, der 2018 die offizielle Wahlbeobachtermission der OSZE in Russland leitete, forderte, der Bundestag solle die illegitime "Beobachtung" nicht hinnehmen, denn sie schade dem Ansehen des gesamten Bundestages.

Einfluss im Europarat

Vorsitzender des Duma-Ausschusses, der Oehmes Aktivitäten finanzierte, ist Leonid Slutsky. Er steht im Zusammenhang mit der Krim-Annexion auf der Sanktionsliste der EU. Seit Russland 2019 in einer hochumstrittenen Entscheidung wieder als Vollmitglied in den Europarat aufgenommen wurde, darf er jedoch zu dessen Sitzungen mit Sondergenehmigungen einreisen.

Dies bietet offenbar die Gelegenheit verstärkte Kontakte zu knüpfen. Erst im März rühmte sich Oehme, zusammen mit Slutsky Corona-Hilfslieferungen aus Russland für Italien eingefädelt zu haben.

Verstoß gegen Verhaltensregeln?

Für Abgeordnete des Bundestags gelten Verhaltensvorschriften, die die Unabhängigkeit des Mandats sichern sollen. So dürfen sie "keine Zuwendungen als Gegenleistung für die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag annehmen".

Oehme forderte vielfach die Aufhebung aller Russland-Sanktionen und setzte sich nach seiner Rückkehr im Bundestag nachdrücklich für die Wiederaufnahme Russlands in die PACE ein. Um eine Stellungnahme gebeten, äußerte Oehme gegenüber Kontraste und "Der Spiegel", er habe alle Informationen zu dieser Reise der Bundestagsverwaltung mitgeteilt. Es habe von der Bundestagsverwaltung keine weiteren Nachfragen gegeben. Auf weitere Fragen von Kontraste und "Der Spiegel", wie zum Beispiel, was ihn als Wahlbeobachter qualifiziert und wie seine Wahlbeobachtung erfolgt ist, ging Oehme nicht ein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die Sendung Kontraste am 11. Juni 2020 um 21:45 Uhr.