
Russland-Sanktionen Bislang 95.514.306,40 Euro eingefroren
Wie viel Vermögen haben Banken in Deutschland im Zuge der Sanktionen gegen russische Firmen und Privatpersonen eingefroren? Die Bundesregierung nennt nun erstmals eine Zahl - die manche als "ernüchternd" einstufen.
Die Bundesregierung hat erstmals eine Zahl dazu veröffentlicht, wie viel Geld in Deutschland bislang im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen russische Firmen und Privatpersonen blockiert worden ist. Inländische Banken haben demnach bis zum 21. März insgesamt 95.514.306,40 Euro eingefroren. Das heißt, dass die Eigentümer auf diese Gelder nicht zugreifen und beispielsweise keine Überweisungen oder Abhebungen tätigen können.
Erstmals Auskunft
Erhoben hat die Zahl die Deutsche Bundesbank. Das Bundesfinanzministerium hat sie auf Anfrage einem Bundestagsabgeordneten der Linken mitgeteilt. Die Antwort liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
Es ist das erste Mal seit Inkrafttreten der Sanktionen Ende Februar, dass die Bundesregierung Auskunft über eingefrorene Vermögenswerte gibt. Bislang haben die zuständigen Ministerien und die Bundesbank Anfragen dazu nicht beantwortet. Auch jetzt heißt es in der Antwort, weitere "Details, auch zu operativen Erkenntnissen, können nicht offengelegt werden."
Frankreich nennt Summe von 850 Millionen Euro
In anderen Staaten gehen die Regierungen mit Informationen zu beschlagnahmten und eingefrorenen Vermögen im Zusammenhang mit Russlands Angriff auf die Ukraine teilweise offener um. So hat Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire beispielsweise vor einer Woche in einem Interview gesagt, dass sein Land bereits rund 850 Millionen Euro festgesetzt habe. 150 Millionen Euro davon wurde auf Konten eingefroren, die übrigen Millionen beziehen sich auf beschlagnahmte Jachten und blockierte Immobilien.
Auch in Italien sind bereits Vermögenswerte im Wert hunderter Millionen Euro beschlagnahmt worden. In Belgien sollen es laut Medienberichten sogar bereits rund zehn Milliarden sein.
"Eher ernüchternd"
Im Vergleich dazu seien die rund 95 Millionen Euro in Deutschland "eher ernüchternd", sagt Konrad Duffy von der unabhängigen Interessensgruppe "Bürgerbewegung Finanzwende". Es sei auf jeden Fall davon auszugehen, dass in Deutschland mehr Vermögen von sanktionierten Personen aus Russland liege.
Zugleich betont Duffy, dass die Zahl nur wiedergebe, was die Banken gemeldet hätten. Die wahren Eigentümer von Jachten, Immobilien oder Kunstobjekten würden häufig mit Briefkastenfirmen verschleiert. Er hoffe, dass es nicht nur "eine Zahl der Bundesbank" gebe, sondern auch die Bundesregierung bald "weitere Erfolge" in Bezug auf solche Vermögenswerte verkünden könne.
Wie hoch die Vermögenswerte sanktionierter Personen und Firmen in Deutschland insgesamt sind, wollte der Linke Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser von der Bundesregierung wissen. Die Frage bezieht sich also nicht nur auf Bankkonten, sondern beispielsweise auch auf Immobilien, Autos oder Jachten. Zudem wollte der Abgeordnete wissen, was davon bereits eingefroren oder beschlagnahmt wurde.
Bundesregierung will keine Details nennen
Mit Ausnahme der Zahl der Bundesbank möchte die Bundesregierung dazu allerdings keine Informationen veröffentlichen. In der Antwort an den Abgeordneten teilt der Parlamentarischen Staatssekretärs im Finanzministerium Florian Toncar mit: "Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass die erbetenen Informationen derart schutzbedürftig sind, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens mit Blick auf den potenziellen Schaden nicht hingenommen werden kann."
Selbst eine "Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags" scheide deshalb aus, so FDP-Politiker Toncar. Ein Bekanntwerden der Informationen würde den Erfolg der "im europäischen Rahmen beschlossenen Sanktionsmaßnahmen konkret gefährden."
Linken-Politiker Meiser überzeugt diese Argumentation nicht. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte er, dass er als Bundestagsabgeordneter mehr Informationen dazu brauche, welche Vermögenswerte sanktionierte Personen und Firmen in Deutschland besitzen. "Entweder mauert die Bundesregierung, weil sie die Informationen nicht preisgeben kann, oder aber sie mauert, weil sie sie nicht hat." Letzteres wäre eine Katastrophe, so Meiser.
Taskforce bislang ohne Ergebnisse
Seit Inkrafttreten der Sanktionen hatte es immer wieder Kritik gegeben, dass insbesondere gegen sanktionierte Oligarchen in Deutschland nicht entschieden und schnell genug vorgegangen werde. Die Bundesregierung hatte wohl auch deshalb Mitte März zur Umsetzung der Sanktionen eine Taskforce eingerichtet. Dieser Arbeitsgruppe kommt die Aufgabe zu, die Arbeit von zahlreichen Ministerien und Behörden zu koordinieren, die in Deutschland an der Umsetzung der Sanktionen beteiligt sind. Ursprünglich sollte das Bundeskanzleramt dabei eine zentrale Rolle einnehmen.
Seither wurde nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios mehrfach die Leitung gewechselt. Fragen dazu ließ die Bundesregierung unbeantwortet. Zuständig sind jetzt das Bundeswirtschafts- und das Bundesfinanzministerium. Beide Ministerien haben zuletzt mitgeteilt, dass die Taskforce die Arbeit aufgenommen habe, bislang allerdings keine Ergebnisse gemeldet.