
Umgehung von Sanktionen Versteckte Geschäfte mit Gemälden
Sanktionen gegen Einzelpersonen wie das Einfrieren von Vermögen sind ein wichtiges Instrument internationaler Politik. Doch Geschäftsleute können dies umgehen - zum Beispiel über den Kunstmarkt.
Es war ein Handel, wie er auf dem Kunstmarkt offenbar oft und ohne großes Aufsehen vonstatten geht: Im Frühjahr 2014 verkaufte ein privater Kunsthändler René Magrittes Gemälde "La Poitrine" an eine Frau, die sich als Direktorin der Firma "Highland Ventures" ausgab.
Dann aber sah sich der Ständige Unterausschuss für Ermittlungen des US-Kongresses die Details des Verkaufs genau an und fand heraus: "Highland Ventures" lasse sich auf den russischen Geschäftsmann Boris Rotenberg zurückführen. Die Kaufsumme wiederum habe der Kunsthändler über weitere Briefkastenfirmen erhalten. Eine davon gehe auf Rotenbergs Bruder Arkadi zurück, schreibt der Ausschuss in einem kürzlich erschienenen Report. Die Rotenbergs zählen zu den schwer vermögenden Unternehmern im engen Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Die Brüder Rotenberg, hier Arkadi, gehören zum engen Kreis um Russlands Präsident Wladimir Putin. Bild: AP
Gemälde in Deutschland deponiert
Magrittes "La Poitrine" gelangte dem Ausschuss zufolge über eine New Yorker Logistikfirma zum Flughafen Frankfurt und von dort in ein gemietetes Depot beim deutschen Unternehmen Hasenkamp, in dem offenbar weitere Gemälde der Rotenbergs gelagert wurden.
Ende 2018 seien eine Reihe von Gemälden im Besitz der Rotenbergs wieder auf den Markt gelangt, darunter "Brücke II" von Lyonel Feininger. Das Auktionshaus Sotheby’s habe es auf seine Verkaufsliste gesetzt, es nach Angaben des Kongressausschusses aber wegen Mangels an Käuferinteresse wieder zurückgezogen. Im August 2019 schließlich sei das Depot beim Unternehmen Hasenkamp geschlossen und die dort gelagerten Kunstwerke nach Russland transportiert worden.
Millionen US-Dollar nach Russland transferiert
Da befasste sich der Kongressausschuss bereits intensiv mit dem Gemäldehandel, denn die Rotenbergs stehen seit März 2014 auf der Sanktionsliste der US-Regierung - als Strafmaßnahme für die Annexion der Krim durch Russland.
Die zwei Jahre währende Untersuchung vollzieht teils detailliert nach, wie es den Rotenbergs dennoch gelingen konnte, Geschäfte in den USA zu treiben und Geld zu transferieren. So hätten sie gleich nach der Verkündung der Sanktionen durch den damaligen Präsidenten Barack Obama 122 Millionen US-Dollar nach Russland überwiesen, bevor das Finanzministerium die Restriktionen umgesetzt hatte. Weitere 91 Millionen US-Dollar hätten sie nach deren Inkrafttreten durch das US-Finanzsystem geschleust.
Einfallstor für Geldwäsche
Den Schwerpunkt legte der Kongressausschuss auf den Kunstmarkt in den USA. Die Kunstindustrie gelte als der "größte, gesetzlich nicht regulierte Markt in den Vereinigten Staaten", heißt es im Bericht. Er unterliege nicht den Anforderungen des Bankgeheimnisgesetzes, das Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche wie die Offenlegung von Kundenidentitäten vorschreibt.

Der Untersuchungsbericht hält fest, dass Auktionshäuser und Händler offenbar nicht ausreichend überprüfen, wer Käufer und Verkäufer sind. Bild: AFP
Die Sanktionen gelten allerdings für alle Bereiche: Niemand in den USA darf mit einer sanktionierten Person oder Organisation Geschäfte treiben. Aber die Ermittlungen des Ausschusses zeigten, dass sich Kunsthändler und Auktionshäuser oft auf den guten Ruf von Kunstvermittlern verlassen und offenbar kaum Nachforschungen zu den eigentlichen Käufern und Verkäufern anstellen. So hätten die Rotenbergs über Briefkastenfirmen nach 2014 noch für mindestens 18 Millionen Kunst in den USA kaufen können.
Dabei seien die Rotenbergs wohl nur die "Spitze des Eisberges" jener Personen, die von den laxen Gesetzen zur Regelung der US-Kunstindustrie profitierten, sagte ein Mitarbeiter des Unterausschusses der Medienplattform "Politico". In den USA befindet sich der größte Kunstmarkt weltweit: Er umfasst nach Angaben eines Studie der Bank UBS und der "Art Basel" 44 Prozent aller Käufe, die sich im Jahr 2019 auf rund 64 Milliarden US-Dollar summiert hätten.
Geldwäschegesetz erweitert ...
Europa ist schon ein Stück weiter, zumindest hinsichtlich der Gesetzeslage: Im Jahr 2015 verabschiedete die EU die fünfte Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung, die in den meisten EU-Staaten bis auf Zypern und Portugal in die nationale Gesetzgebung eingeflossen sind.
In Deutschland trat mit Jahresbeginn das novellierte Geldwäschegesetz in Kraft. Verschärft wurden unter anderem die Meldevorschriften für Kunsthändler, Auktionshändler sowie für Vermittler im Kunsthandel und Lageristen. Die NGO "Transparency International" lobte die Gesetzesänderungen als "großen Schritt in die richtige Richtung", um Geldwäsche zu bekämpfen, die in Deutschland mindestens 100 Milliarden Euro jährlich umfasse.
... Umsetzung entscheidend
Allerdings kritisierte die Organisation, dass sich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes bei der zuständigen "Financial Intelligence Unit" Verdachtsmeldungen gestapelt hätten. 10.000 neuen Meldungen pro Monat hätten etwa 50.000 unbearbeitete Fälle gegenüber gestanden. "Transparency International" verweist zudem auf die grenzüberschreitende Dimension der Geldwäsche, die eine einheitliche europäische Regelung und Aufsicht erfordere.
Zudem beschreibt der kürzlich veröffentlichte Russland-Report zur Einflussnahme auf die Brexit-Abstimmung und die Wahl 2017 in Großbritannien, wie Unternehmer mit ihrem Vermögen umfassende Offshore- und Briefkastenkonstruktionen unterhalten und eine "Industrie aus Anwälten und Lobbyisten" finanzieren können.
Bei Gerichtsverfahren könnten sie sich die besten Anwälte leisten und sich durch das gesamte Gerichtssystem klagen, während die Nationale Kriminalitätsbehörde nur über begrenzte Ressourcen verfüge, wird ein Mitarbeiter der Behörde in dem Bericht zitiert.
Sanktionen als politisches Instrument immer wichtiger
Dies ist nicht nur von Bedeutung für die Verhinderung von Geldschwäsche generell, sondern - wie das Beispiel der Rotenbergs zeigt - auch zur Durchsetzung von Sanktionen. Die EU und die USA setzen immer häufiger auf Restriktionen gegen Einzelpersonen - unter anderem als Konsequenz aus dem Konflikt in der Ukraine, darüber hinaus zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen mit dem "Magnitsky Act" und nun auch als Strafe bei Cyber-Angriffen.
Der US-Kongressausschuss kommt mit Verweis auf die bislang begrenzte Wirkung der Sanktionen gegen Russland zu dem Schluss, dass nicht nur der US-Kunstmarkt transparenter werden muss, sondern auch, dass Briefkasten- und Offshorefirmen die Wirksamkeit der US-Sanktionen in erheblichem Maße bedrohen. Das Land mit den weitaus meisten Briefkastenfirmen weltweit sind allerdings die USA.