
Dokumentationszentrum Flucht und Vertreibung "Erinnerung an vergangenes Leid wachhalten"
Ein neues Dokumentationszentrum in Berlin soll an Zwangsmigration in Geschichte und Gegenwart erinnern. Nach jahrelanger Auseinandersetzung mit europäischen Nachbarn über die Ausrichtung des Zentrums wurde es jetzt eröffnet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in Berlin das neue Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung eröffnet. Das Haus soll künftig als Lern- und Erinnerungsort über das Thema Zwangsmigrationen in Geschichte und Gegenwart aufklären. Ein Schwerpunkt ist dabei Flucht und Vertreibung von rund 14 Millionen Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges.
Jahrelange Debatte über Ausrichtung des Zentrums
Mit dem Zentrum wird aus Sicht von Merkel "eine Lücke in unserer Geschichtsaufarbeitung" geschlossen. "Über dieses Zentrum wurde lange und intensiv diskutiert in Deutschland, aber auch mit unseren Partnern in Europa", sagte die per Video zu einer Feierstunde zugeschaltete CDU-Politikerin. Umso mehr freue sie das Kommen der Botschafter Polens, Tschechiens und Ungarns.
Über Jahre hinweg wurde teils erbittert debattiert, wie stark das Schicksal der deutschen Vertriebenen im Mittelpunkt stehen sollte. Vor allem in Polen gab es Befürchtungen, die Deutschen könnten sich selbst zu Opfern machen und von ihrer Schuld in der Nazi-Zeit ablenken.
Merkel erinnert an deutsche Schuld
"Um eine gute Zukunft gestalten zu können, müssen wir die Erinnerung an vergangenes Leid wachhalten", sagte Merkel.
Wir haben einen würdigen Ort der Erinnerung an Flucht und Vertreibung gewonnen, der stets bewusst macht: Ohne den von Deutschland im Nationalsozialismus über Europa und die Welt gebrachten Terror, ohne den von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Zivilisationsbruch der Schoah und ohne den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg wäre es nicht dazu gekommen, dass zum Ende des Zweiten Weltkriegs und danach Millionen Deutsche Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung erleiden mussten.
Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Vertreibungsgeschichte der Deutschen in ihrem historischen Kontext von Ursache und Folgen eingebettet und nicht isoliert dargestellt wird, sagte Merkel. Dabei erinnerte sie in ihrer live übertragenen Rede auch an den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 und die Millionen Opfer.
Pandemiekonformer Festakt
Pandemiebedingt nahmen am Eröffnungsfestakt nur wenige Gäste vor Ort teil, darunter neben Botschaftern der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius. Als Vertreterin der Zeitzeugen-Generation sprach die aus dem Sudentenland geflohene, 92-jährige Christine Rösch.

Wegen des Coronavirus nahmen nur wenige Gäste an der feierlichen Eröffnung teil.
Ab Mittwoch für Besucher geöffnet
Das Zentrum sieht sich als Teil einer neuen Erinnerungslandschaft. In dem für 63 Millionen Euro sanierten Gebäude nahe dem Potsdamer Platz - dem 1935 fertiggestellten "Deutschlandhaus" - stehen für ständige Ausstellung, Wechselpräsentationen, Lesesaal und Forschungsbereiche mehr als 5000 Quadratmeter zur Verfügung.
Die zweiteilige Dauerausstellung präsentiert im ersten Obergeschoss eine europäische Geschichte der Zwangsmigrationen anhand zahlreicher Beispiele aus dem 20. Jahrhundert. Im zweiten Obergeschoss geht es vertiefend um Flucht und Vertreibung der Deutschen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg als Folge der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik.
Erste Besucherinnen und Besucher der Ausstellung werden an diesem Mittwoch erwartet.