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Hintergrund

Corona-Krise Was könnte die Bürger noch erwarten?

Stand: 18.03.2020 20:21 Uhr

Die Straßen sind leer, viele Menschen sind ängstlich bis genervt: Das öffentliche Leben in Deutschland ist weitgehend lahmgelegt. Aber wenn all das nichts hilft, kann die Regierung noch viel drastischere Maßnahmen ergreifen.

Um die Ausbreitung des Coronavirus aufzuhalten, sind in Deutschland bereits drastische Maßnahmen ergriffen worden. Ob das die Covid-19-Erkrankungen eindämmen kann, muss sich noch zeigen. Wenn nicht, wären weitere, noch drastischere Schritte möglich.

"Zur Abwehr einer Pandemie sind auch Grundrechtseingriffe möglich", sagt der Jurist und Rektor der Universität Mannheim, Thomas Puhl. "Sie müssen aber geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein." Das Infektionsschutzgesetz gebe den Behörden zahlreiche Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr. Deshalb würden sich Betroffene unter den aktuellen Umständen kaum dagegen gerichtlich wehren können.

Ein Überblick über weitere Schritte:

Ausgangssperren:

Als erster Landkreis hat das bayerische Tirschenreuth diese Maßnahme ergriffen: Für das Stadtgebiet Mitterteich in der Oberpfalz ist eine Ausgangssperre verhängt worden. Nun könnten auch andere Gemeinden nachziehen.

Grundlage ist Paragraf 28 im Infektionsschutzgesetz. Dort finden sich zwei Regelungen, auf die sich Ausgangssperren stützen lassen. Staatsrechtler Stephan Rixen von der Universität Bayreuth hält den Schritt für begründbar, da das Robert-Koch-Institut die Gefährdung in Deutschland mittlerweile für "hoch" hält.

Grundsätzlich wären Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen möglich, wenn man einer verbindlichen Anordnung zuwiderhandelt. Diese Regelung beziehe sich aber nur auf eine der beiden genannten Regelungen und umfasse damit eher vorübergehende als längerfristige Ausgangssperren, erläutert Rixen. Ob Strafandrohungen auch bei langfristigen Ausgangssperren greifen würden, bezweifelt er.

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Die Münchner Polizei macht zur Zeit die Menschen darauf aufmerksam, die verordneten Abstandsregelungen einzuhalten.

Der Kauf von Lebensmitteln oder der Gang zur Apotheke, der Arztbesuch und der Weg zur Arbeit wären mit Sicherheit weiterhin erlaubt. Ähnliche Regelungen gibt es in Frankreich und Spanien.

Quarantäne:

Wer sich nicht an eine angeordnete Quarantäne hält, muss mit Freiheitsentzug rechnen. "Weigert sich eine Person, sich in Quarantäne zu begeben oder dort zu verbleiben, kann ein Gericht eine Freiheitsentziehung anordnen", sagt Rixen. Das sieht Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes vor.

Einsatz von Drohnen:

In Spaniens Hauptstadt Madrid fordert die Polizei die Menschen mit Drohnen auf, zu Hause zu bleiben. Auch in China wurden schon Drohnen eingesetzt - wenn auch nicht von staatlicher Seite. So lange die Geräte das Geschehen nicht aufnehmen, ist dies vor dem Hintergrund des Datenschutzes unverfänglich. Heikel wird es, wenn die Geräte eingesetzt werden, um Menschen zu filmen. "Der Einsatz von Drohnen zum Erkennen von Menschenansammlungen wäre datenschutzrechtlich zumindest denkbar - zumindest dann, wenn man keine Personen erkennen kann", sagt Staats- und Verwaltungsrechtler Heinrich Wolff von der Universität Bayreuth.

Nutzung technischer Daten:

Auch dieser Schritt ist bereits vollzogen: Das Robert-Koch-Institut bekommt von der Deutschen Telekom kostenlos anonymisierte Bewegungsdaten von Handy-Nutzern, damit es den Erfolg von Maßnahmen gegen die Coronavirus-Ausbreitung einschätzen kann. "Die Daten zeigen uns, ob insgesamt die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen hat", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler in Berlin. "Es sind aggregierte, anonymisierte Daten und keine individuellen Daten."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält das für vertretbar. Es handele sich um Daten, die keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichten. Die Bundesregierung betont, die Einführung flächendeckender Handydaten-Auswertung sei nicht geplant.

Einsatz des Inlandsgeheimdienstes zur Überwachung:

Was Israel plant, ist in Deutschland unvorstellbar. Dort nutzt der Geheimdienst Technologie, die sonst der Terrorbekämpfung dient. Nach Medienberichten handelt es sich vor allem um Handyüberwachung von Erkrankten. Dies könnten in Deutschland nach Einschätzung von Rixen die Gesundheitsbehörden mit Hilfe der Polizei übernehmen. "Aber da würde man sich rechtlich schon auf dünnes Eis begeben."

Menschenansammlungen verbieten:

Laut Infektionsschutzgesetz kann "die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken". Rixen meint: "Solche Regelungen wären vermutlich ab ungefähr fünf Personen anwendbar." Dabei sei aber zu berücksichtigen, um wen es sich handele. Auf Zusammenkünfte von Menschen, die ohnehin zuhause zusammen wohnen, würde man ja nicht abzielen.

Verkehrsbeschränkungen:

"Auch Verkehrsbeschränkungen, etwa um den Transport wichtiger Güter wie Lebensmittel sicherzustellen, lässt das Straßenverkehrsrecht zu", sagt Rixen. Dies hat zum Beispiel das österreichische Tirol als erstes umgesetzt.

Beschlagnahmungen:

Israel will leerstehende Hotels umfunktionieren, um leicht erkrankte Patienten unterzubringen. Es wäre möglich, dass die Behörden in Deutschland für solche oder ähnliche Zwecke auch Beschlagnahmungen vornehmen. Grundlage wären nach Rixens Einschätzung Regelungen der Länder zur allgemeinen Gefahrenabwehr oder aus dem Katastrophenschutzrecht.

Beobachtung durch das Gesundheitsamt:

Kranke oder Verdachtsfälle müssen nach dem Infektionsschutzgesetz auch eine Beobachtung durch das Gesundheitsamt sowie gewisse Untersuchungen dulden. Nach Paragraf 29 müssen Betroffene das Amt auch über Umzüge informieren und Mitarbeiter in die eigene Wohnung lassen.

Ausrufen des Notstandes:

In Deutschland gibt es Notstandsgesetze: Sie erlauben es der Bundesregierung, im Krisenfall Anweisungen zu geben. Bisher kamen sie noch nie zur Anwendung.

Anders in der Schweiz: Das Land hat am Montag den Notstand ausgerufen und kann einige Maßnahmen per Notrecht durchsetzen. So werden nach einem Ansturm bei den Apotheken bestimmte Medikamente rationiert. Der Notstand soll der Regierung ein schnelleres Handeln in der Coronavirus-Krise ermöglichen.