
Gedenken an "Weiße Rose" Steinmeier ruft zum Einsatz für Demokratie auf
Die "Weiße Rose" steht für den Widerstand gegen die NS-Diktatur - vor 80 Jahren wurden ihre Anführer hingerichtet. In seiner Rede zum Gedenken rief Bundespräsident Steinmeier zum Einsatz für die Demokratie auf. Jeder und jede müsse sie schützen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dazu aufgerufen, die deutsche Demokratie gegen neue Bedrohungen von außen und zunehmende Angriffe von innen wehrhaft zu machen. Dazu gehöre angesichts des Krieges in der Ukraine "eine gut ausgerüstete und verteidigungsbereite Bundeswehr", sagte er in einer Vorlesung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München laut vorab veröffentlichtem Redetext.
Nötig seien zudem "engagierte Bürgerinnen und Bürger, die in ihrem politischen Urteil moralisch klar und fest sind, die sich einsetzen für unser Land, für die Demokratie". Steinmeier würdigte in seiner "Weiße Rose"-Gedächtnisvorlesung den Widerstand dieser Gruppierung gegen das nationalsozialistische Regime.
Widerstand nicht nur erlaubt, sondern geboten
Die vorwiegend studentische Gruppe um Hans und Sophie Scholl hatte mit Flugblättern zum Widerstand gegen die NS-Diktatur und zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges aufgerufen. Anfang 1943 wurden sie beim Verteilen von Flugblättern in der Universität überrascht und festgesetzt. Am 22. Februar ließen die Nazis die beiden Geschwister und ihren Freund Christoph Probst hinrichten.
Die "Weiße Rose" habe vor 80 Jahren Widerstand gegen ein Schreckensregime geleistet, das mit jeder erdenklichen Brutalität gegen seine Gegner vorgegangen sei sowie Angst und Terror zum Herrschaftsprinzip gemacht habe, sagte Steinmeier. "Dieses verbrecherische Regime, dem die Würde des Menschen und ein Menschenleben nichts galten - mehr noch: das Menschen das Menschsein absprach -, dieses Regime hatte keinen Anspruch auf Gehorsam. Es musste bekämpft werden."

Die Widerstandsgruppe Weiße Rose verteilte Flugblätter in denen sie unter anderem zum Widerstand gegen das NS-Regimes aufriefen. Bild: George (Jürgen) Wittenstein / akg-image
Besonderer Stellenwert von Widerstand
Diese Haltung habe die Frauen und Männer des deutschen Widerstands geeint, so unterschiedlich ihre Motive auch gewesen seien, sagte Steinmeier. Sie alle hätten mit der Legitimität ihres Handelns gerungen.
Am Ende aber kamen sie alle zu dem Schluss: Wer nicht handelte, wer schwieg, der tolerierte die Gewalt als Prinzip, das Unrecht als Normalität, den durch Deutschland verübten Völkermord. Wer nicht handelte und schwieg, der machte sich der Komplizenschaft schuldig.
Deshalb sei Widerstand nicht nur erlaubt, sondern geboten. "Die Diktatur musste gestürzt werden." Vor diesem historischen Hintergrund sei es ärgerlich, wenn heute in der politischen Auseinandersetzung gelegentlich leichtfertig von "Widerstand" gesprochen werde. "Nichts rechtfertigt die Gleichsetzung des Protests in einer Demokratie mit dem Widerstand in einer Diktatur", mahnte Steinmeier.
Kritik und Protest als Kern der Demokratie
Heute garantiere das Grundgesetz die Würde jedes einzelnen Menschen sowie Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Diese Freiheiten seien Verfassungswirklichkeit. Das Verfassungsgericht wache darüber, dass Freiräume gewahrt blieben. "In unserer Demokratie ist Widerspruch nicht nur ausdrücklich möglich. Er ist notwendig", sagte Steinmeier.
Kritik, Demonstrationen, auch Proteste gehörten zum Wesenskern der Demokratie. "Auch und gerade von Minderheiten; auch mit Mitteln, die die Mehrheit kritisiert, die sie stören, die ihr auf die Nerven gehen." Ein Recht auf Widerstand gebe es in unserer Demokratie aber nur für den einen Fall, dass sie abgeschafft werden solle.
Mit der "Weiße Rose"-Gedächtnisvorlesung knüpfte Steinmeier an die Tradition einiger seiner Vorgänger an. 2013 wurde die Rede von Joachim Gauck gehalten, 2003 von Johannes Rau und 1993 von Richard von Weizsäcker.