
Start des SPD-Parteitags Einigkeit sieht anders aus
Stand: 06.12.2019 14:12 Uhr
Bleibt die SPD im Kern so, wie sie in den vergangenen Jahren war? Oder wird sie sich grundlegend ändern? Diese Frage prägt den Parteitag maßgeblich. Gleich in den ersten Stunden zeigte sich, wie unterschiedlich die Haltungen sind.
Die Begrüßung der rund 600 Delegierten sowie zahlreichen Gäste übernahm die scheidende kommissarische Parteichefin Malu Dreyer. Bei ihrer Rede im Citycube am Berliner Messegelände hob sie die Erfolge der SPD in der Großen Koalition hervor. Zugleich betonte sie die Erfolge der SPD in der Großen Koalition. Darauf sei sie "mächtig stolz". Vor allem Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz sei für den Erfolg der SPD verantwortlich.
Kristin Becker, ARD Berlin, berichtet über den Stand der SPD in der GroKo
tagesschau24 11:00 Uhr, 06.12.2019
Scholz war beim Mitgliederentscheid zum SPD-Vorsitz mit seiner Partei-Partnerin Klara Geywitz den GroKo-Kritikern Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterlegen. Die beiden sollen nun - am ersten Tag des dreitägigen Treffens - abschließend gewählt werden.
Esken skeptisch über Große Koalition
Und genau diese beiden präsentierten - im Vergleich zu Dreyer - eine ganz andere Sicht auf die aktuelle Lage der SPD und den Wünschen für die Zukunft. So bekräftigte Esken ihre Vorbehalte mit Blick auf die Zukunft der Regierungszusammenarbeit mit der Union. "Ich war und bin skeptisch, was die Zukunft dieser Großen Koalition angeht, da habe ich meine Meinung nicht geändert", stellte sie klar.
Die nun von der SPD geforderten Verhandlungen mit der Union zu Korrekturen am Kurs der Regierung seien "eine Chance auf die Fortsetzung der Großen Koalition, nicht mehr und nicht weniger".
Initiativantrag gegen Fortbestand der GroKo?
Eskens Äußerung kommt nicht von ungefähr: Auf dem Parteitag soll heute auch über den neuen Leitantrag des Parteivorstands diskutiert und abgestimmt werden, der Gespräche mit der Union über mehrere SPD-Forderungen vorsieht. Es geht unter anderem um eine ambitioniertere Klimapolitik, mehr staatliche Investitionen und einen höheren Mindestlohn.
Nach den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner soll der Parteivorstand entscheiden, ob eine Fortsetzung des Bündnisses sinnvoll erscheint. Eine zeitliche Vorgabe macht der Leitantrag dafür nicht. Noch offen ist, ob der Parteitag entgegen dem Wunsch der Parteiführung über einen Ausstieg aus der Großen Koalition abstimmt. Die SPD-Linke will dies mit einem Initiativantrag durchsetzen.
Kampf gegen Arm-Reich-Kluft
Nicht nur der Umgang mit der Union, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung der Partei machte Esken in ihrer Rede zum Thema. Sie rief ihre Partei zur Erneuerung und zur Abkehr von alten Fehlern auf. Deutschland leiste sich einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa "und die SPD hat dazu beigetragen", sagte sie in ihrer Bewerbungsrede. "Darum will ich, dass wir umkehren", forderte sie auch mit Blick auf das Hartz-IV-System.
Ähnlich präsentierte sich ihr Partei-Partner Walter-Borjans. Er stellte die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich in den Mittelpunkt seiner Bewerbungsrede. Es habe in den vergangenen Jahren eine schleichende Entlastung der oberen Einkommen gegeben, wer weniger verdiene, habe davon aber nichts gehabt, sagte er.
"Die SPD muss wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit werden", forderte er. Wer hohe Einkommen und Vermögen habe, müsse einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens zahlen.
Parteireform soll viel ändern
Bevor Esken und Walter-Borjans zur Doppelspitze gewählt werden können, müssen die Delegierten noch die Parteisatzung ändern. Auch andere grundlegende Dinge sollen sich in der Partei ändern: So sollen etwa Parteitage künftig verschlankt, die Parteimitglieder stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden und die Mitgliederbeiträge teurer werden. Über die entsprechende Reform wird ebenfalls auf dem Parteitag abgestimmt.
Plötzlich wieder ganz andere Vize-Pläne
Neben der offiziellen Wahl der beiden neuen Partei-Chefs steht heute auch die Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden auf der Tagesordnung. Deren Zahl sollte ursprünglich durch die Satzungsänderung von sechs auf drei reduziert werden. Doch das würde eine Kampfabstimmung zwischen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Juso-Chef Kevin Kühnert nach sich ziehen. Das will die Partei aber offenkundig verhindern.
SPD-Parteitag: Wie soll es weitergehen?
tagesschau 12:00 Uhr, 06.12.2019, Moritz Rödle, ARD Berlin
Entsprechend wurden offenbar in den vergangenen Stunden gleich mehrere neue Pläne mit heißer Nadel gestrickt: Zuerst hatte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ihrer Partei geraten, nicht drei, sondern vier stellvertretende Vorsitzende zu wählen. Mit Blick auf Kühnert und Heil sagte sie im ZDF: "Ich finde, dass die neue Parteispitze beide Köpfe braucht." Zudem will Niedersachen einen Initiativantrag genau dafür einbringen, wie das ARD-Hauptstadtstudio erfuhr.
Inzwischen kursiert auch noch ein weiterer Plan: Laut übereinstimmenden Medienberichten soll es doch nicht drei, nicht vier, sondern fünf Partei-Vize geben. Damit würde eine Kampfabstimmung zwischen Kühnert und Heil vermieden. Als weitere Parteivize seien Geywitz, die saarländische Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sowie die schleswig-holsteinische SPD-Chefin Serpil Midyatli vorgesehen.