Lars Klingbeil

SPD-Vorsitzender Klingbeil Diplomat auch in Krisenzeiten

Stand: 10.09.2022 10:45 Uhr

Als Ex-Generalsekretär und Wahlkampfmanager hat Klingbeil großen Anteil daran, dass die SPD den Kanzler stellt. Als Parteivorsitzender muss er vor allem eins: die Truppe zusammenhalten. Bislang hat er Erfolg.

Von Barbara Kostolnik, ARD Berlin

Geräuschlos, geschmeidig. So könnte man den Stil von Lars Klingbeil am ehesten beschreiben. Ein Mann des Ausgleichs, der zusammenführen will. Für kantigere, schrille Ansagen an der SPD-Spitze gibt es schließlich die Co-Vorsitzende Saskia Esken, die öfter Klartext spricht und damit auch mal quer zum Kanzler liegt, zum Beispiel bei der Schuldenbremse. Von Klingbeil hört man diese Töne nicht.

Sein Stil hat ihm in der Vergangenheit schon den Vorwurf eingetragen, zu soft zu sein. Im Bundestagswahlkampf und bei den anschließenden Koalitionsverhandlungen der Ampel aber half es sehr, dass Klingbeil so ausgleichend wirkt: Kaum etwas drang nach draußen, als Klingbeil zusammen mit Olaf Scholz die so genannte Fortschrittskoalition schmiedete. Der Spirit: Vertrauen, Respekt. So führt Klingbeil seit Dezember 2021 auch die SPD.

Ostentative Ruhe

Den bundesweiten Beliebtheitswerten seiner Partei hilft das nicht unbedingt. Die SPD ist mittlerweile wieder in den Umfragen abgerutscht - der Scholz-Bonus nach der Kanzlerwahl hat nicht lange getragen. Das liegt aber auch daran, dass sich die Krisen um Scholz überschlagen: Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimakrise, Corona-Krisen - und dass Scholz kein guter Krisenkommunikator ist.

Dennoch behält man im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, ostentativ die Nerven. Einer der Garanten dafür: Lars Klingbeil. Zudem ist noch länger nicht mit einer Bundestagswahl zu rechnen. Der Niedersachse Klingbeil wird allerdings die Landtagswahl am 9. Oktober in seinem Heimatland genau im Auge haben. Eine Niederlage der SPD könnte diejenigen in seiner Partei bestärken, die die SPD stärker nach links rücken wollen, denen die Ampel zu sehr von der FDP dominiert wird.  

Agil in jeder Situation

Klingbeil kennt Niedersachsen sehr genau, er ist oft genug dort unterwegs, nicht nur in seinem Wahlkreis rund um seinen Geburtsort Soltau im Heidekreis. Wer ihn vor Ort erlebt, merkt, wie gut er zuhören kann, wie er - egal ob in der Gesamtschule, im Serengeti-Park oder im Panzermuseum - sich sehr agil auf die jeweilige Situation einstellt.

Diese Wandlungsfähigkeit zeichnet ihn aus: Der Sohn eines Soldaten hat den Wehrdienst verweigert und ist dennoch einer derjenigen, die für eine "neue Normalität" im Umgang mit den Streitkräften plädieren. Dass er beinahe Verteidigungsminister geworden wäre und das auch gerne gemacht hätte, ist ein offenes Geheimnis. Im Juni forderte er in einer Grundsatzrede eine neue Rolle für Deutschland: "Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem", es müsse den Anspruch einer Führungsmacht haben.

Schmerzhafte Verbindung zu Schröder

Mit seinem Vorstoß machte sich Klingbeil keine Freunde in den linken Juso-Zirkeln seiner Partei, dennoch ließ er nicht locker und legte nach, die SPD habe in der Vergangenheit die Signale aus Russland anders sehen müssen: "Im Umgang mit unseren ost- und mitteleuropäischen Partnern haben wir Fehler gemacht."

Das gilt auch für Klingbeil - und besonders schmerzhaft wird es mit Bezug auf die Personalie Gerhard Schröder. Der Alt-Kanzler förderte Klingbeil von Niedersachse zu Niedersachse, die beiden verband eine enge Beziehung. Die Schröder nun durch seine Haltung in der Putin-Frage schwer beschädigt hat, was Klingbeil sehr zusetzt.

Es hilft Klingbeil sicherlich, dass der bei den Jusos immer noch sehr beliebte Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär fungiert. Der ist ohnehin von Amts wegen für die Abteilung Attacke zuständig. So unterschiedlich sie auch ticken innerhalb des SPD-Spektrums, Kühnert und Klingbeil verbindet eine enge Freundschaft und die Liebe zum FC Bayern München. Seit diesem Jahr ist der SPD-Co-Vorsitzende im Verwaltungsbeirat des Münchner Vereins - und zumindest was diesen Verein betrifft, kennt Klingbeil keine Kompromisse.