
SPD-Forderung Auch Merkel will nicht nachverhandeln
Stand: 02.12.2019 13:56 Uhr
Die designierte SPD-Spitze Esken/Walter-Borjans blitzt mit ihrer Forderung nach einer Nachverhandlung des Koalitionsvertrags auch bei der Kanzlerin ab. Selbst in der SPD regt sich prominenter Widerstand.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist grundsätzlich zu Gesprächen mit der neuen SPD-Führung bereit. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert und stellte im gleichen Atemzug klar: "Eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags steht nicht an." Die vereinbarte Bestandsaufnahme zur Mitte der Legislaturperiode sei erfolgt, sagte Seibert. Im Zuge dessen sei auch die Frage gestellt worden, inwieweit die Bestimmungen des Koalitionsvertrags umgesetzt wurden "oder aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen". Dafür gelte das in der Koalition übliche Verfahren: "Man kommt zum Gespräch zusammen und schaut, ob man Einmütigkeit über etwas herstellen kann."
Nach einer Telefonschaltkonferenz mit dem CDU-Vorstand äußerte sich auch Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Man sei sich einig, den Koalitionsvertrag nicht neu verhandeln zu wollen. Die Union wolle sich ruhig verhalten und abwarten, was die SPD auf ihrem Parteitag am Wochenende entscheide. Ein Ordnungsruf, den Unions-Mittelstandspolitiker Carsten Linnemann offenbar überhört. Er erteilte Forderungen der künftigen SPD-Spitze nach einer Abkehr von der Schwarzen Null eine Absage. "Da werden wir beinhart bleiben, da machen wir nicht mit."
Neues SPD-Führungsduo will Teile des Koalitionsvertrages nachverhandeln
tagesschau 20:00 Uhr, 02.12.2019, Ellis Fröder, ARD Berlin
Dreyer rät zur Gelassenheit
Die beiden designierten SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken hatten während der Bewerbungsrunden bei vielen Sozialdemokraten Hoffnungen auf einen GroKo-Ausstieg geweckt. Nach der Wahl am Wochenende äußerten sich beide jedoch vorsichtig: Entscheiden müsse der Parteitag. Eine Nachverhandlung des Koalitionsvertrags forderten sie jedoch mehrmals. "Es muss schon klar sein, dass eine Bereitschaft da sein muss, zu reden", hatte Esken bei Anne Will gefordert.
Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer riet allen zu mehr Gelassenheit: "Ich glaube, wir sollten etwas runterkochen und wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen, die Partei hat eine neue Führung gewählt, das ist der Punkt", sagte sie im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Man kann jetzt nicht so tun, als würde bei uns das Chaos ausbrechen. Es tut es nämlich nicht."
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin kündigte an, sich aus der Spitze der Bundes-SPD zurückziehen wollen. "Ich war gerne Stellvertreterin und ich war auch sehr gerne kommissarische Bundesvorsitzende unserer wunderbaren Partei", sagte die 58-Jährige. Ihre Entscheidung zum Rückzug habe sie aber schon vor einiger Zeit getroffen.
SPD: Widerstand gegen GroKo-Aus
Dem sich anbahnenden Streit in der SPD über die künftige Ausrichtung verfolgt Dreyer aus der zweiten Reihe. Denn nicht nur die Union wehrt sich gegen einen Ausstieg aus der GroKo. Auch Teile der SPD wollen den Rückzug verhindern. "Die Forderung nach Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags halte ich für ebenso unnötig wie gefährlich", erklärte der Vorsitzende der baden-württembergischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, Martin Rosemann. "Wer durch die Forderung nach Nachverhandlungen das Ende der Koalition provoziert, trägt dann die Verantwortung dafür, dass die Grundrente und der Kohleausstieg auf der Strecke bleiben", warnte der Bundestagsabgeordnete aus Tübingen.
Auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, warnte seine Partei davor, die Umsetzung der Grundrente durch ein Ausscheiden aus der Koalition zu gefährden. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Mitglieder der SPD "die Grundrente aufs Spiel setzen werden", sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Die Grundrente sei zwar in der Koalition beschlossen, sie müsse nun aber in den kommenden Monaten im Detail umgesetzt werden, damit sie wie geplant zum Jahresbeginn 2021 in Kraft treten könne, sagte Kahrs. "Die Bürger haben den Anspruch, dass man bis September 2021 dieses Land vernünftig regiert."
Deutschlandfunk-Interview mit Johannes Kahrs (SPD)
DLF
02.12.2019 16:00 Uhr
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte vor einem Bruch des Bündnisses mit der Union. Nach allen Umfragen würde ein Ausstieg aus der Koalition bei den Bürgern auf wenig Verständnis stoßen, sagte Weil dem "Handelsblatt". "Ob das für das Land und für die SPD gut wäre, wage ich zu bezweifeln." Auch von einer Nachverhandlung des Koalitionsvertrags hält Weil nichts. "Das wünscht sich der rechte Flügel der Union auch", sagte er. "Mir geht es vor allem darum, den Vertrag zu realisieren." Bei der Energie- und Klimapolitik etwa sei der größte Teil noch umzusetzen. "Dafür brauche ich keine Nachverhandlungen, sondern Handlungen."
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