Wolodymyr Selenskyj spricht per Videoschalte zu Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz.

Selenskyj bei Sicherheitskonferenz "Goliath muss verlieren"

Stand: 17.02.2023 20:28 Uhr

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat der ukrainische Präsident Selenskyj auf weitere Waffenhilfe gedrungen. Der Krieg sei ein Kampf David gegen Goliath. "Putins Revisionismus darf nicht siegen", mahnte Kanzler Scholz.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in seiner Eröffnungsansprache bei der Münchner Sicherheitskonferenz auf weitere Waffenhilfe für die Ukraine gedrungen. "Es gibt keine Alternative zu unserem Sieg, und es darf auch keine Alternative zu unserer Entschlossenheit geben", sagte Selenskyj in der per Video übertragenen Rede.

Darin verglich er die Ukraine mit dem biblischen David und Russland mit Goliath: "'David' zu sein, bedeutet, dass man gewinnen muss. Aber man braucht eine Schleuder", sagte Selenskyj. "Wir müssen 'Goliath' besiegen, der unser Leben bedroht." Es gehe um Geschwindigkeit, mit der Waffen an die Ukraine geliefert werden.

Eckhart Querner, BR, zur Rede Selenskyjs bei der Münchner Sicherheitskonferenz

tagesschau24 19:00 Uhr

Während im Westen noch über Lieferungen debattiert werde, sei der Kreml bereits einen Schritt weiter, mache Waffengeschäfte mit dem Iran und überlege, wie er Moldau unter Druck setzen könnte, sagte Selenskyj. Verzögerungen nutzten dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz treffen in diesem Jahr mehr als 150 Regierungsvertreter und Experten aus fast 100 Staaten zusammen, darunter auch die US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Polizisten vor dem Bayerischen Hof, in dem die Münchner Sicherheitskonferenz stattfindet

Der ukrainische Präsident wird per Videoschalte an dem Treffen in München teilnehmen. mehr

Dank für bisherige Unterstützung

Auch für andere Gegenden der Welt, etwa im Nahen Osten, gehe von Russland die Gefahr einer Destabilisierung aus, sagte Selenskyj: "Es geht nicht nur um die Ukraine: Goliath muss verlieren." Es gebe keine Alternative dazu.

Selenskyj dankte jedoch auch den westlichen Partnern für die bisherigen Hilfen: "Der Goliath hat bereits angefangen zu verlieren, und dafür möchte ich Ihnen danken." Ein Sieg der Ukraine in diesem Jahr sei möglich: "Wir können das schaffen." Für die Ukraine sei es zudem Zeit, vollwertiges Mitglied von EU und NATO zu werden. Auch hierzu gebe es "keine Alternative", sagte er.

Münchner Sicherheitskonferenz: Selenskyj fordert Westen zu schnelleren Waffenlieferungen auf

Jannik Pentz, BR, tagesthemen, tagesthemen, 18.02.2023 00:00 Uhr

Auch NATO-Chef hält Sieg für möglich

Bereits vor Selenskyjs Rede hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg einen Sieg der Ukraine für realistisch gehalten: "Ja, das ist der Grund, warum wir sie unterstützen", sagte er auf eine entsprechende Frage. Auch wenn der Krieg vermutlich am Verhandlungstisch enden werde, hänge das Ergebnis von der militärischen Stärke ab. Putin müsse verstehen, dass er eine souveräne und unabhängige Ukraine akzeptieren müsse.

Scholz: "Putins Revisionismus wird nicht siegen"

Nach Selenskyj sprach Bundeskanzler Olaf Scholz. "Lieber Wolodymyr, wir hätten Dich heute sehr gern hier gehabt. Die Ukraine gehört an unsere Seite, in ein freies, geeintes Europa", begann er seine Rede. Die EU stehe geschlossen hinter einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine - als voraussichtlich neue NATO-Partner nannte Scholz dagegen nur Finnland und Schweden, die Ukraine erwähnte er nicht.

Scholz bekräftigte erneut, dass die Ukraine so lang und so umfangreich wie nötig unterstützt werde: "Putins Revisionismus wird nicht siegen", sagte er. Es seien nicht die westlichen Waffenlieferungen, die den Krieg verlängerten: "Je früher Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf einen baldigen Rückzug der russischen Eroberungstruppen."

Gleichzeitig rief er die Verbündeten auf, sich der Lieferung von Kampfpanzern anzuschließen, die sich schwieriger gestaltet als angenommen. Es sei die Voraussetzung, die Unterstützung der Ukraine auch durchhalten zu können.

Boris Pistorius sitzt auf einem "Leopard 2"-Panzer auf dem Truppenübungsplatz Augustdorf.

Länder, die Deutschland Druck bei der Lieferung gemacht hatten, kommen laut Pistorius nicht hinterher. mehr

Keine Blaupause für diesen Krieg

Der Bundeskanzler verteidigte erneut seine bisherige Linie bei Waffenlieferungen, die oft als zu langsam kritisiert wird: Erstmals führe eine Atommacht einen Angriffskrieg auf europäischem Boden - dafür gebe es keine Blaupause. Daher gelte: "Sorgfalt vor Schnellschuss, Zusammenhalt vor Solovorstellung", so Scholz.

Innerhalb der EU sprach er sich für eine einheitlichere Rüstungspolitik aus und bekräftigte, dass Deutschland künftig das Zweiprozentziel der NATO einhalten werde. Dies zeige sich etwa in der zusätzlichen Bundeswehr-Brigade für Litauen oder dem derzeitigen Kommando der Bundeswehr über die NATO-Speerspitze.

Scholz rief außerdem dazu auf, neue Formen der internationalen Zusammenarbeit zu finden: Wenn die Weltordnung des 21. Jahrhundert eine sein solle, "die auf Recht basiert, und die Unrecht ahndet, dann brauchen wir neue Formen internationaler Solidarität und Mitsprache".

Die deutsche Fahne spiegelt sich in einem Fenster des Paul-Löbe-Hauses.

Deutschland will eine Führungsrolle einnehmen. Das Taktieren bei Waffenlieferungen irritiert aber immer wieder Partner. mehr

"Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern"

Mit Blick auf die auf die in der vergangenen Woche gestartete Petition der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer gegen den deutschen Kurs im Ukraine-Krieg sagte der Kanzler, er verstehe die Sorgen und Zweifel einiger Bürger. Gleichzeitig erwiderte Scholz: "Nicht unserer Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern". Je früher Putin einsehe, dass er sein Ziel nicht erreiche, desto größer sei die Chance auf ein baldiges Kriegsende.

Das "Manifest für den Frieden" von Wagenknecht und Schwarzer haben inzwischen mehr als 500.000 Menschen unterschrieben. Darin werden Bemühungen um einen Waffenstillstand und Verhandlungen mit Russland gefordert, anstatt Waffen in die Ukraine zu liefern.

Macron hofft auf Rüstungsprogramm bis zum Sommer

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief Europa ebenfalls zu massiven Investitionen in seine Verteidigung auf. Er hoffe, dass noch vor dem Sommer ein ambitioniertes gemeinsames Investitionsprogramm verabschiedet werde. "Wenn Europa Europa verteidigen will, muss es sich auch bewaffnen und seine Fähigkeit, auf europäischem Boden zu produzieren, vorantreiben", sagte Macron.

Zwar sei Russland in seinem Krieg bereits in vielfacher Hinsicht gescheitert. Aber "keiner von uns wird die Geografie von Russland verändern, es wird immer auf europäischem Boden liegen", sagte Macron. Deshalb müsse Europa sich ohne Naivität und ohne jede Selbstgefälligkeit der Frage Russlands stellen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 17. Februar 2023 tagesschau24 um 19:00 Uhr und die tagesschau um 20:00 Uhr.