
Linkspartei-Chefin Kipping offen für Bündnis mit der SPD
Stand: 11.08.2020 11:47 Uhr
Die Linkspartei-Chefin Kipping kann sich ein Regierungsbündnis mit der SPD vorstellen. Allerdings könne dies nur gelingen, wenn sich die Sozialdemokraten inhaltlich neu ausrichten. Skeptisch ist Kipping gegenüber deren Spitzenkandidat Scholz.
Linkspartei-Chefin Katja Kipping hat sich nach der Nominierung von Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat grundsätzlich offen gezeigt für ein Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten. Kipping sagte dem NDR, es gehe um eine gesellschaftliche Verantwortung. "Nur wenn man links der Union zusammenspielt, gelingt das, was notwendig ist, nämlich ein sozial-ökologischer Politikwechsel", sagte die Politikerin.
Die Linken würden eine mögliche Koalition nicht an eine Person knüpfen, auch wenn Scholz nicht ihr "Lieblingskandidat" sei, sagte sie im Deutschlandfunk. Er habe bisher für Dinge gestanden, gegen die die Linke hart protestiert habe. Entscheidend sei, dass man inhaltlich vorankomme, etwa alle vor Armut zu schützen sowie Millionenvermögen und Millionenerbschaften stärker zu besteuern.
"Mehrheiten links der Union schaffen"
"Ich gestehe Scholz zu, dass er sich inhaltlich neu orientiert. Ob er das macht, das wird sich zeigen. Mein Eindruck war, dass die SPD selber jetzt in einigen Fragen sich neu aufgestellt hat, sozialpolitisch", betonte Kipping. Allerdings sei die von Arbeitsminister Hubertus Heil geplante Erhöhung der Hartz-IV-Sätze völlig unzureichend.
Viele Jahre hätten Linke und SPD Energie darauf verschwendet, zu sagen, was einem jeweils am anderen störe, erklärte sie im NDR. "Wir schulden es den Menschen im Land jetzt auch mal in Aussicht zu stellen, was wir zusammen an sozialem Fortschritt bewirken könnten, wenn wir Mehrheiten links der Union schaffen." Als Beispiel nannte Kipping die Einführung einer Grundrente, die tatsächlich vor Armut schütze sowie ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin.
Auch mit Blick auf unterschiedliche Positionen zwischen beiden Parteien in der Außenpolitik zeigte sich Kipping zuversichtlich. "Das wird, sollte es zu Sondierungsgesprächen kommen, ein harter Punkt. Aber es ist gesellschaftspolitisch einiges passiert." So sei offensichtlich geworden, dass die NATO kein Wertebündnis sei. Auch in der SPD gebe es in diesem Punkt viel Bewegung.
"SPD und Kanzlerkandidat passen zusammen"
Vorstand und Präsidium der SPD hatten Scholz am Montag einstimmig als Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2021 nominiert. Der Politiker gehört anders als die Parteispitze um Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht dem linken Flügel an. Ein Bündnis mit der Linken sei "möglich und denkbar", sagte Esken im ARD-Sommerinterview. Scholz gilt dagegen als Verfechter der Hartz-IV-Reformen der Regierungen Schröder.
Olaf Scholz, SPD, über seine Nominierung zum Kanzlerkandidaten
tagesthemen 22:30, 10.08.2020
Trotzdem betonte er im tagesthemen-Interview: "SPD und Kanzlerkandidat passen zusammen". Die Sozialdemokraten hätten mit seiner Ernennung Geschlossenheit demonstriert und damit alle überrascht. Er wolle die Wähler um das Mandat bitten, die Zukunft des Landes in den nächsten zehn Jahren zu gestalten. Einerseits müsse Deutschland technologisch modernisiert werden. Auch müssten Maßnahmen ergriffen werden, den Klimawandel aufzuhalten.
Zugleich stellte er klar, dass die Sozialdemokraten weitere Reformen in der Finanzpolitik und am Arbeitsmarkt durchsetzen wollen. Insbesondere den "Corona-Helden" sollte nicht nur Beifall geklatscht werden, sondern ihre Leistung sollte auch "durch sichere Jobs und anständige Gehälter" honoriert werden.
Kritik aus Union
Aus CDU und CSU kam Kritik an der Nominierung von Scholz. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hält die Bekanntgabe für verfrüht.Vor Beginn einer Sitzung seines Kabinetts in Düsseldorf sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, er halte im Moment "die Zeit für Wahlkampf für verfrüht und auch für unangemessen." Es sei aber die Entscheidung der SPD.
Laschet fügte hinzu, dass er allen raten würde, noch möglichst lange in der Großen Koalition gut zusammenzuarbeiten. Er bewirbt sich im Dezember um den CDU-Bundesvorsitz und gilt somit als potenzieller Kanzlerkandidat der Union.
Ähnlich hatte sich zuvor CSU-Chef Markus Söder geäußert. Kein Mensch habe Verständnis dafür, dass man jetzt über Wahlkampf rede, sagte der bayerische Ministerpräsident. Die frühe Nominierung von Scholz sei "verheerend für die weitere Zusammenarbeit zum Thema Corona-Bekämpfung."
Rückendeckung von Kühnert
Juso-Chef Kevin Kühnert warnte derweil vor destruktiven Debatten innerhalb der SPD. Er verteidigte Scholz gegen Kritik aus der Parteilinken. "Es macht einen Unterschied, ob man eine Parteispitze oder einen Kanzlerkandidaten sucht", sagte er und verwies auf die Machtoption, die sich der SPD bei der Bundestagswahl 2021 und nach dem Ende der Großen Koalition aus seiner Sicht biete. Nur mit der SPD könne eine Mehrheit links der Mitte erschlossen werden.
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 11.08.2020
- Alle Meldungen vom 11.08.2020 zeigen