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Kanzler bei "Anne Will" Scholz bestätigt Raketenschutz-Pläne

Stand: 28.03.2022 07:29 Uhr

Bundeskanzler Scholz hat in der ARD Überlegungen zur Anschaffung eines Raketenschutzschildes bestätigt. Zugleich wies er Kritik zurück, Deutschland finanziere den Krieg in der Ukraine mit seinen Energieimporten aus Russland mit.

Seit mehr als einem Monat führt Russlands Präsident Wladimir Putin Krieg gegen die Ukraine - für Bundeskanzler Olaf Scholz eine "Zeitenwende". Die Bundesregierung reagiert auch mit Waffenlieferungen und der Ankündigung einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Ein sofortiges vollständiges Energieembargo gegen Russland lehnt der Kanzler aber weiterhin ab. Es gehe um "unheimlich viele Arbeitsplätze" sagte er in der ARD-Sendung Anne Will. "Wir würden eine erhebliche Wirtschaftskrise auslösen, wenn wir das machen würden."

Bundeskanzler Scholz bei Anne Will

Nicole Kohnert, ARD Berlin, tagesschau 12:00 Uhr

Der SPD-Politiker wies Kritik zurück, Deutschland finanziere mit seinen Energieimporten aus Russland den Ukraine-Krieg mit. "Russland kann mit dem Geld, das es auf seinen Konten lagert, gegenwärtig gar nichts anfangen wegen unserer Sanktionen", sagte Scholz. Es gehe um ein paar hundert Milliarden an Devisenreserven. "Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass es diesen Zusammenhang überhaupt gibt."

Bald unabhängig von russischen Energieimporten

Es werde "ziemlich schnell gehen", die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten zu beseitigen. Bei Kohle könne dies, wenn alles gut laufe, schnell in diesem Jahr gelingen, kündigte Scholz an. Auch bei Öl könne dies sehr schnell gehen. Und für Gas habe man Pläne, die schon lange in der Schublade gelegen hätten, "jetzt aktiv geschaltet".

Mit größtem Tempo werde die technische Infrastruktur geschaffen, um Gas von anderen Lieferanten importieren zu können. Sollte Russland seine Exporte beenden, wäre Deutschland vorbereitet. "Aber wenn von einem Tag auf den anderen diese Importe ausblieben, würde das dazu führen, dass ganze Industriezweige ihre Tätigkeit einstellen müssten."

Auch den ukrainischen Vorschlag eines einmonatigen Embargos lehnte Scholz ab. Verantwortliche Politik müsse den Mut haben, die Wahrheit auszusprechen. "Und die Wahrheit ist, dass wir eine erhebliche Wirtschaftskrise auslösen würden, wenn wir das machen würden." Dies wäre in Europa auch nicht so einfach zu machen. So sei etwa Italien in hohem Maß von russischen Importen abhängig. Manche osteuropäische Staaten hätten Netze, die aus früheren Zeiten zwar mit dem russischen, aber nicht mit den westlichen Netzen verknüpft seien.

"Wir tun alles, was in unserer Macht steht"

Vorwürfe, Deutschland sei bei Waffenlieferungen an die Ukraine zu zögerlich gewesen, wies Scholz zurück. "Wir tun alles, was in unserer Macht steht", sagte er. Lieferungen von Panzer- und Flugabwehrwaffen durch Deutschland und seine Partner hätten bereits dazu geführt, dass die Ukraine "erhebliche Erfolge" erzielt habe.

Die EU-Staaten hätten vereinbart, eine Milliarden Euro für Waffenkäufe durch die Ukraine zur Verfügung zu stellen, sagte Scholz. "So wird daraus eine ganz massive Unterstützung der militärischen Aktivitäten der Ukraine".

Mit Blick auf die von der Ukraine geforderte Lieferung auch von schweren Waffen, sagte Scholz, hier bewege sich Deutschland entlang der Linie, die auch mit den USA vereinbart sei. Auch mit den verfügbaren Mitteln sei es der Ukraine durch "sehr erfolgreichen Widerstand" gelungen, die Pläne von Russlands Präsident Wladimir Putin zu durchkreuzen, die gesamte Ukraine militärisch zu besetzen.

"Das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten"

Scholz bestätigte Überlegungen, angesichts der Bedrohung durch Russland das israelische Raketenabwehrsystem "Iron Dome" anzuschaffen. "Ich kann Ihnen sagen, das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten - aus gutem Grund", sagte Scholz.

"Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegenwärtig bereit ist, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen. Deswegen müssen wir uns gemeinsam so stark machen, dass das unterbleibt." Zu den Details wollte Scholz sich aber noch nicht äußern. "Ich habe mir vorgenommen, jetzt nicht die Einzelheiten eines noch nicht zu Ende abschließend beratenen Plans hier auszuplaudern."

"Dramatische Maßnahmen" bei Chemiewaffeneinsatz

Bei einem Einsatz von Chemiewaffen im Krieg gegen die Ukraine drohte Scholz mit "dramatischen Maßnahmen". Ein Einsatz von biologischen und chemischen Waffen dürfe nicht stattfinden. Es gebe bereits Überlegungen zu Maßnahmen, sagte Scholz, wurde aber nicht konkreter. Er machte allerdings klar, dass die NATO selbst bei einem Einsatz chemischer oder biologischer Waffen durch Russland nicht in den Krieg um die Ukraine eintreten werde. "Die NATO wird nicht Kriegspartei werden, das ist klar."

Mit der Invasion in die Ukraine habe Putin das Gegenteil dessen bewirkt, was er erreichen wollte. Putin habe wirklich gedacht, dass die russischen Truppen in der Ukraine begrüßt würden, so Scholz. "Tatsächlich ist die gesamte Ukraine als Nation zusammengewachsen", fügte er mit Blick auf den Widerstand gegen die Invasion hinzu. Putins Vorgehen habe zudem dafür gesorgt, dass die NATO den Schutz der Ostflanke des Bündnisses verstärke.

Georg Schwarte, Georg Schwarte, ARD Berlin, 28.03.2022 05:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD-Sendung "Anne Will" am 27. März 2022 um 22:00 Uhr sowie Inforadio am 28. März um 06:10 Uhr.