Polizisten führen nach einer Razzia im Reichsbürgermilieu eine Person zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe | dpa

Nach Razzia gegen "Reichsbürger" "Keine Waffen in Hände von Extremisten"

Stand: 12.12.2022 20:16 Uhr

Nach der Razzia gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk mehren sich Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen "Reichsbürger". Im Bundestag berieten mehrere Ausschüsse - dabei wurden auch neue Details zu der ausgehobenen Gruppe bekannt.

In der Politik gibt es immer mehr Forderungen nach einer härteren Gangart gegenüber den "Reichsbürgern". Es gehe darum, das Disziplinarrecht zu verschärfen und beim Waffenrecht zu schauen, dass "Reichsbürger" regelmäßig überprüft würden, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. "Reichsbürger" dürften keine Waffen besitzen.

Der SPD-Vorsitzende stellte sich damit hinter Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die am Wochenende eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt hatte. Ein Sprecher des Ministeriums bekräftigte, ein entsprechender Entwurf solle "noch in diesem Jahr" vorgelegt werden. Derzeit befinde er sich in der Ausarbeitung.

Darüber hinaus gehörten Menschen, die den Staat abschaffen wollten, nicht in Verantwortung im öffentlichen Dienst, sagte Klingbeil weiter. Er verwies dabei auf Schulen, Polizei, die Bundeswehr und die Parlamente. Auch gehöre die AfD unter die Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dies sei eine Partei, "die mit den 'Reichsbürgern' kooperiert", so Klingbeil.

Nouripur will "konsequente" Entwaffnung

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour forderte eine konsequente Entwaffnung der "Reichsbürger" und sprach sich ebenfalls für ein hartes Vorgehen gegen die AfD aus. Diese sei "der parlamentarische Arm jener, die diese Republik nicht wollen". Nouripour zufolge wird das Bundeskabinett am Mittwoch das seit längerem geplante Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen.

Aus Sicht der Grünen wurde die Gefährlichkeit des Reichsbürger-Milieus lange unterschätzt. Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte, es sei gut, dass die Bundesanwaltschaft gehandelt habe, denn es sei schon lange bekannt, dass "das Gewaltpotenzial dieser Szene groß ist". Der AfD warf er vor, "Reichsbürger" zu verharmlosen.

Am Mittwoch waren Polizei und Bundesanwaltschaft mit mehreren tausend Einsatzkräften bundesweit gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus "Reichsbürgern" vorgegangen, die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben sollen. Die Bundesanwaltschaft ließ 25 Menschen festnehmen, insgesamt gibt es mehr als 50 Beschuldigte. Unter den Verdächtigen sind unter anderem auch ein aktiver Soldat und Reservisten sowie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann. 

Offenbar mehr Mitwisser als bekannt

Infolge der Ermittlungen hatten im Bundestag heute mehrere Ausschüsse über den Umgang mit rechten Terror-Netzwerken beraten. Dabei erfuhren die Abgeordneten auch weitere Details über die Gruppierung - so hatte diese offensichtlich deutlich mehr Mitwisser als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses berichteten nach dessen Sitzung, die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter "Verschwiegenheitserklärungen" von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.

Nach Angaben der Abgeordneten hatten die mutmaßlichen Verschwörer geplant, bundesweit mehr als 280 "Heimatschutzkompanien" zu bilden. Diese hätten nach Auskunft eines Vertreters der Bundesanwaltschaft im Falle eines Umsturzes Menschen "festnehmen und exekutieren" sollen, sagte Ausschussmitglied Clara Bünger (Linke). In Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg habe es dafür bereits konkrete Vorbereitungen gegeben. Mehrere Verdächtige hätten in Bayern an einem Schießtraining teilgenommen.

Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen, betonte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU). Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Fall sei "erschreckend", sowohl was die Anzahl der Beteiligten angehe, als auch die Finanzmittel der Gruppe. Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Bünger. Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollten. In einer von den Sicherheitsbehörden abgefangenen Kommunikation sei es um den Zugang zum Bundestag gegangen.

Dem Vernehmen nach sollen auch Magazine für Waffen entdeckt worden sein, die bei der Razzia nicht gefunden wurden. In den aufgefundenen "Verschwiegenheitserklärungen" seien den Unterzeichnern erhebliche Sanktionen bis hin zum Tod angedroht worden, berichteten Teilnehmer einer Sondersitzung des Innenausschusses. Die erste Zusammenkunft der Gruppierung, von der die Sicherheitsbehörden wissen, soll im vergangenen November stattgefunden haben.

CDU: "Mehr als besorgniserregend"

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte, es sei "mehr als besorgniserregend, dass sich in der Gruppierung Richter, Ärzte, Polizisten, Lehrer, ehemalige Soldaten und eine ehemalige Abgeordnete fanden". Es müsse deshalb aufgeklärt werden, wo noch Menschen im öffentlichen Dienst seien, die zur Reichsbürgerbewegung gehörten.

Es müsse zudem "das gefährliche Spiel" der AfD bei der Zusammenarbeit mit den Reichsbürgern offengelegt werden. "Die AfD wird zunehmend zu einem Sammelbecken für radikalisierende Gruppen jeglicher Natur", so Czaja. Ihm zufolge wurde im CDU-Vorstand auch die Verschärfung des Waffenrechts diskutiert. "Für uns ist klar: keine Waffen in Hände von Extremisten." Es müsse "sehr einfach möglich sein", als extremistisch eingestuften Menschen Waffen abzunehmen.

Linken-Chefin Janine Wissler forderte mit Blick auf Ermittlungen gegen einen aktiven Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) die Auflösung der Einheit. Sie verwies dabei auf rechtsextreme Vorfälle beim KSK in den vergangenen Jahren. Damals sei "nicht konsequent dagegen vorgegangen worden".

Kubicki: Sicherheitskonzept ausreichend

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki hält einen Umsturz in Deutschland durch die Reichsbürger-Bewegung indes für unwahrscheinlich und die Sicherheitsvorkehrungen im Parlament für ausreichend. Es sei zwar so, dass die ausgehobene Verbindung "eine konkrete Bedrohung für den Rechtsstaat dargestellt hat, aber weit entfernt von einem Putsch oder von einem Staatsstreich", sagte der FDP-Politiker Reuters TV.

Für den Deutschen Bundestag gebe es ein "sehr ausgefeiltes Sicherheitskonzept". Die Wahrscheinlichkeit, von außen in das Reichstagsgebäude illegal einzudringen, sei "äußerst gering". Das Sicherheitskonzept des Bundestages werde ständig überprüft, und die Personenkontrollen seien in letzter Zeit "massiv verstärkt worden", so Kubicki.