
IW-Studie zu Regionen Die Angst vor dem Abstieg
Stand: 08.08.2019 18:52 Uhr
Jede fünfte der 96 Regionen könnte den wirtschaftlichen Anschluss verlieren. Milliardeninvestitionen seien nötig. Wissenschaftler fordern Ausnahmen von der Schuldenbremse.
Von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio
Ob Ost oder West, jede fünfte Region droht den wirtschaftlichen Anschluss zu verlieren. In bundesweit 19 von 96 Regionen sieht der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, deshalb akuten politischen Handlungsbedarf.
"Besonders gefährdet scheint uns die regionale Entwicklung in den ländlich sachsen-anhaltinischen Regionen der Altmark, Anhalt, Bitterfeld, Wittenberg sowie in städtisch geprägten Ruhrgebietsregionen Emscher-Lippe, Gelsenkirchen und Duisburg-Essen", so Hüther.
138 Milliarden Euro fehlen
Regional betrachtet sind die Probleme der wirtschaftlich angeschlagenen Gebiete sehr unterschiedlich. Eine Erkenntnis gilt aber bundesweit: Die Infrastruktur ist in unterschiedlichen Bereichen in einem schlechten Zustand.
Der Bund müsse mehr investieren, fordert deshalb der Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum: "Die Kreditanstalt für Wiederaufbau beziffert den Investitionsbedarf auf kommunaler Ebene auf mehr als 138 Milliarden Euro. In München oder Frankfurt findet man das weniger, aber sie sind besonders frappierend in einigen Regionen in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland." Dort sei die finanzielle Situation - oftmals ohne eigenes Verschulden - inzwischen "wirklich prekär".
Institut der deutschen Wirtschaft stellt Studie zur Zukunft der Regionen in Deutschland vor
tagesschau 20:00 Uhr, 08.08.2019, Ole Hilgert, RBB
Runter von der Schuldenbremse?
Das Problem der sogenannten Kassenkredite, einer Art Dispokredit der Kommunen, gibt es vor allem in den alten Industrieregionen des Westens. Um es zu lösen, seien wiederum die Länder in der Pflicht, argumentieren die Wissenschaftler vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Die Länder müssten die Altschulden ihrer Städte und Gemeinden übernehmen, um diese wieder handlungsfähig zu machen. Für die milliardenschwere Finanzierung von Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen schlägt Hüther eine flexiblere Handhabung der Schuldenbremse durch die Bundesregierung vor. Seine Vision seien Ausnahmen für Investitionen in den Bereichen Klima, Infrastruktur und Innovation.
In Ostdeutschland drängt abseits der Städte vor allem das Problem einer immer älter werdenden Bevölkerung. Hier sehen die Wissenschaftler das größte Problem, das ganze Regionen zunehmend abgehängt werden. Aufgrund der Alterung könnten die Menschen keine Arbeitsstelle annehmen. Dies spiegele sich dann in fehlenden Steuereinnahmen und Ähnlichem wider.
Ruf nach einer "konzertierten Aktion"
3,7 Millionen Menschen haben die ostdeutschen Länder seit der Wiedervereinigung verlassen, Nur 2,5 Millionen Menschen sind im gleichen Zeitraum gekommen. Auch wenn aktuell erstmals wieder mehr Menschen in die ostdeutschen Bundesländer ziehen als abwandern, eine wirkliche Trendwende wird dauern und sie ist kompliziert:
"Da brauchen sie wirklich eine konzertierte Strategie. Wenn sie nämlich die Verkehrsinfrastruktur entwickeln und Wohnraum in der Nähe der Metropolen wieder attraktiv machen, entsteht dort Kaufkraft. Wenn dort Kaufkraft entsteht, entstehen auch für Andere neue Perspektiven in dieser Region. Es gibt Ansatzpunkte, aber die Gefahr ist dort am größten, wo das demografische Profil so dramatisch ist."
Insgesamt betrachtet ist die Erkenntnis zur Zukunftsstudie der Regionen nicht neu: Die Lösungen müssen letztlich vor Ort gefunden werden.
Institut der deutschen Wirtschaft stellt Studie zur Zukunft der Regionen vor
U. Hauck, ARD Berlin
08.08.2019 18:15 Uhr
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