Björn Höcke
Hätte die Petition Erfolg, könnte beispielsweise verhindert werden, dass Höcke in Zukunft öffentliche Ämter wie das des Ministerpräsidenten bekleiden darf. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Demokratie Petition zur Aberkennung von Höckes Grundrechten: Wie funktioniert das?

17. Januar 2024, 19:34 Uhr

Die Thüringer AfD gilt als gesichert rechtsextrem. Wegen der Befürchtung, Landeschef Björn Höcke könne die Demokratie gefährden, wurde eine Petition zur Aberkennung mancher Grundrechte Höckes gestartet - sodass er beispielsweise nicht Thüringer Ministerpräsident werden dürfte. Doch wie funktioniert dieses Verfahren genau?

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell App.

Angesichts des Erstarkens der rechtsextremen AfD wird darüber diskutiert, dem Thüringer Landeschef Björn Höcke bestimmte Grundrechte zu entziehen, um die deutsche Demokratie vor dem teils verfassungsfeindlichen Einfluss des Politikers zu schützen. Dafür ist eine Petition entstanden, die innerhalb von zwei Monaten bereits eine Million Mal unterschrieben wurde.

Erneut angefacht wurde die Unterschriftensammlung durch die Enthüllung eines Geheimtreffens, an dem auch AfD-Politiker beteiligt waren, und wo Massendeportationen geplant wurden.

Was ist die Grundrechtsverwirkung?

Ein solcher Schritt soll die deutsche Demokratie vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen schützen und ist ein Instrument der wehrhaften Demokratie. Artikel 18 des Grundgesetzes besagt: Wer die Meinungsfreiheit, insbesondere die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Grundrechte wie die Würde des Menschen oder die Religionsfreiheit bleiben von solch einem möglichen Schritt unberührt.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit jemandem Grundrechte aberkannt werden?

Den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages zufolge muss der Betroffene aggressiv und zielgerichtet gehandelt haben, um aktuell und in Zukunft die Demokratie in Deutschland zu bekämpfen und beseitigen zu wollen. Dabei sei es nicht erforderlich, Gewalt oder strafbare Handlung anzuwenden. Der Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung könne auch geistiger Natur sein.

Welche Konsequenzen kann es für Betroffene geben?

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, jemandem das Recht zu entziehen, zu wählen, gewählt zu werden, öffentliche Ämter zu bekleiden oder an Versammlungen teilnehmen zu dürfen. Wäre eine Grundrechtsverwirkung gegen Björn Höcke erfolgreich, könnte er beispielsweise nicht Thüringer Ministerpräsident werden.

Neben der vollen Verwirkung der in Artikel 18 genannten Grundrechte kann der Schritt auch auf bestimmte Bereiche eingegrenzt werden (etwa auf die politische Betätigung) oder auf einen bestimmten Zeitraum (mindestens ein Jahr).

Wie läuft ein solches Verfahren ab?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Verwirkung und ihr Ausmaß. Anträge können der Bundestag, die Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen, keine Privatpersonen. Zunächst kann sich die betroffene Person zu den Vorwürfen äußern. Anschließend entscheidet das Gericht in einem Vorverfahren, ob der Antrag zulässig und hinreichend begründet ist.

Ist das der Fall, werden Voruntersuchungen durchgeführt und Beweise gesichert, um eine mündlichen Verhandlung vorzubereiten. Insgesamt kann ein derartiges Verfahren jedoch jahrelang dauern.

Gab es schon Verwirkungsverfahren in der Geschichte Deutschlands?

Ja, aber nur vier - und alle sind schon im Vorverfahren gescheitert. 1960 wurde ein Antrag gegen den Vize-Chef der Sozialistischen Reichspartei, Otto Ernst Remer, abgelehnt, 1974 ein Antrag gegen den rechtsextremen Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung, Gerhard Frey.

In beiden Fällen begründeten die Richter die Ablehnung damit, dass von den Betroffenen keine ausreichende Gefahr für die Demokratie ausgehe, weil sie zu unbedeutend sind. Ihre Äußerungen hätten keine besondere Resonanz mehr hervorgerufen. 1996 verneinte Karlsruhe eine Grundrechtsverwirkung gegen zwei nicht prominente mutmaßliche Rechtsextreme.

MDR (ost)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 16. Januar 2024 | 19:00 Uhr

Mehr aus Thüringen

Ein Pferd bei einer Auktion 2 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk