Thüringen Neun Jahre nach der Flucht: Syrische Familie eröffnet Physiotherapiepraxis in Erfurt
Im Jahr 2015 flüchtete das Ehepaar Alabed mit seinen vier Kindern von Syrien nach Deutschland. Nun konnten sich die beiden Physiotherapeuten den Traum von einer eigenen Praxis in ihrer neuen Heimat erfüllen.
15 Tage dauerte die Flucht von Familie Alabed. Von einem Land ins nächste - nie wussten sie, wie es die nächsten Stunden und Tage weitergehen würde. "Der Fluchtweg war überhaupt nicht einfach. Aber es war immer noch besser zu fliehen als dortzubleiben", erinnert sich Tochter Hiba. Damals war sie noch ein Kind.
Der Fluchtweg war überhaupt nicht einfach. Aber es war immer noch besser zu fliehen als dortzubleiben. Hiba Alabed |
Das ist jetzt neun Jahre her. Nun sitzt Hiba zusammen mit ihrem Bruder Mohammad, Mutter Mayada und Vater Ahmad im Wartezimmer ihrer neuen Praxis "Physiotherapie Ilvers" am Ilversgehofener Platz in Erfurt.
Deutsch lernen als Grundlage
Vier Behandlungsräume und einen Raum für Gruppengymnastik gibt es in der neuen Physiopraxis. Vater Ahmad und Mutter Mayada haben schon in Syrien als Physiotherapeuten gearbeitet. Ahmad Alabed war Leiter der Physiotherapie-Abteilung in einem Krankenhaus in Damaskus. Angekommen in Deutschland mussten sich die Alabeds zuerst integrieren, die neue Sprache lernen.
Ich lerne immer noch sehr viel von meinem Vater, immerhin hat er schon 30 Jahre Berufserfahrung und in Syrien mit komplizierten Krankheitsbildern gearbeitet Hiba Alabed |
Das fiel den Kindern durch die Schule etwas leichter. Hiba und Mohammad helfen ihren Eltern teilweise, indem sie dolmetschen. Außerdem mussten die Abschlüsse der Eltern anerkannt werden. Ahmad Alabed konnte in der Zwischenzeit schon in einer Physiopraxis am Erfurter Theater arbeiten. Mutter Mayada bereitete in den vergangenen anderthalb Jahren alles für die neue Praxis und die Selbstständigkeit vor.
Der Schriftzug am Tresen der neuen Praxis. "Physiotherapie Ilvers" steht für den Standort am Ilversgehofener Platz im Norden der Stadt.
Familien-Praxis in Erfurt
Tochter Hiba tritt in die Fußstapfen ihrer Eltern: Im vergangenen Jahr hat sie ihre Ausbildung als Physiotherapeutin abgeschlossen und arbeitet nun an der Seite ihrer Eltern in der neuen Praxis. "Ich lerne immer noch sehr viel von meinem Vater, immerhin hat er schon 30 Jahre Berufserfahrung und in Syrien mit komplizierten Krankheitsbildern gearbeitet", sagt Hiba.
Ihr Bruder Mohammad arbeitet in der ambulanten Pflege. Dort übernimmt er seit der Praxiseröffnung ausschließlich die Spätdienste, damit er vormittags in der Praxis helfen kann.
Ein neues Zuhause in Thüringen
Hiba und Mohammad fühlen sich in Deutschland zu Hause. "Ich bin hier aufgewachsen. Ich kenne hier viel mehr als in Syrien, da war ich ja nur als Kind. Ich kenne noch die Straße, in der wir gelebt haben, aber nicht viel mehr", sagt Mohammad. Die Eltern hingegen vermissen ihre Heimat, vor allem die Familie in Syrien.
Wir sind sehr, sehr dankbar, hier in Deutschland zu sein. Wir fühlen uns hier sicherer als in unserem Heimatland. Mayada Alabed |
Bis zum Sturz von Machthaber Baschar Al-Assad war die Sorge um die zurückgelassene Familie groß - "seit dem 8. Dezember nicht mehr", sagt Hiba. Im Herbst wollen die Alabeds ihre Familie in Syrien endlich besuchen.
Neben seinen Spätdiensten bei der ambulanten Pflege hilft Sohn Mohammad vormittags am Tresen in der neuen Praxis.
Große Dankbarkeit für neues Leben in Deutschland
Am Ende des Gesprächs hält Mutter Mayada ihr Smartphone hin. Darauf ist eine Übersetzer-App geöffnet. Mayada hat darin geschrieben, wie dankbar sie dem deutschen Staat ist, dass sie hier in Deutschland ein neues Leben anfangen konnten.
Tochter Hiba spricht für ihre Familie: "Wir sind sehr, sehr dankbar, hier in Deutschland zu sein. Wir fühlen uns hier sicherer als in unserem Heimatland. Wir sind sehr dankbar, dass Deutschland uns die Möglichkeit gegeben hat, hier ein neues Leben anzufangen, mit vielen Möglichkeiten".
MDR (anh/jn)