Eheschließung
Zwei von fünf Standesbeamten in Sachsen-Anhalt können Paare nur dank einer Ausnahmegenehmigung verheiraten. Jetzt sollen sie ein Studium nachholen. Bildrechte: imago images/Westend61

Kommunen fürchten Personalnot Standesbeamte in Sachsen-Anhalt sollen Studium nachholen

15. März 2024, 09:00 Uhr

Zahlreiche Standesbeamte in Sachsen-Anhalt können Paare nur trauen, weil sie dafür eine Ausnahmegenehmigung haben. Jetzt sollen sie die gesetzlich vorgesehene Qualifikation nachholen: ein zweijähriges Studium. Kleinen Gemeinden in der Altmark bereitet das Sorgen. Sie fürchten personelle Engpässe.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell-App.

Wann hat ein Verwaltungsmitarbeiter schon einmal strahlende Gesichter vor sich sitzen? Nur selten ist die Arbeit in der Verwaltung so emotional wie bei Standesbeamten, wenn sie ein Paar vermählen dürfen. "Viele machen das jahrzehntelang", sagt der Bürgermeister René Schernikau (parteilos) von der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck im Landkreis Stendal.

Mitarbeiterinnen würden den Job regelrecht lieben und leben, hat Schernikau erlebt. Wobei der Bürgermeister selbst auch gerne mal eine Hochzeit offiziell durchführt. "Wir haben mehrere schöne Orte bei uns in der Gemeinde, einige Hochzeiten finden aber auch bei mir im Büro statt", sagt er.

René Schernikau, Bürgermeister von Arneburg-Goldbeck
Der Bürgermeister von Arneburg-Goldbeck, René Schernikau, übernimmt selbst auch gerne Trauungen. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Schreck in der Altmark: Standesbeamte brauchen Studium

Unlängst ist nicht nur der Bürgermeister aus der Altmark aufgeschreckt, als im Rathaus Post aus dem Landesverwaltungsamt in Halle eintraf. Den Kommunen wurde ziemlich unmissverständlich mitgeteilt, dass es künftig in den Standesämtern keine Abstriche bei der Qualifikation der Bediensteten geben solle.

"Wir haben über Jahrzehnte mit Ausnahmeregelungen gearbeitet", sagte die Bürgermeisterin von Bismark, Annegret Schwarz (CDU). Gesetzlich vorgesehen ist eine sogenannte "Laufbahngruppe 2", die früher als "gehobener Dienst" bezeichnet wurde. Hierzu ist ein Verwaltungsstudium erforderlich, das nebenberuflich zweieinhalb Jahre dauert. "Das haben viele nicht", sagt Schwarz.

Zwei von fünf Standesbeamten in Sachsen-Anhalt arbeiten mit Ausnahmegenehmigung

Laut Landesverwaltungsamt gibt es in Sachsen-Anhalt derzeit 391 Standesbeamte, wobei 159 von ihnen nur mit einer Ausnahmegenehmigung tätig sind. Zwei von fünf Standesbeamten im Land haben derzeit also ohne das erforderliche Studium gearbeitet.

In der Vergangenheit seien die Ausnahmen "vereinzelt unbefristet" erteilt worden, sagt Sprecher Ronny Ballstädt vom Landesverwaltungsamt. Eigentlich hätten diese nur befristet erteilt werden sollen. "Auf diese Rechtslage sind die Kommunen mit einer Rundverfügung hingewiesen worden", sagt Ballstädt. Auswirkungen auf unbefristete Genehmigungen habe dies nicht.

Ministerpräsident Haseloff will das Thema angehen

Ganz so eindeutig hatten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister das Schreiben vom Landesverwaltungsamt nicht gelesen. Und so scheint es auch jetzt noch nicht zu sein. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte sich das Thema bei einem auswärtigen Besuch seines Kabinetts in der vergangenen Woche in Bismark ganz oben auf die Arbeitsliste gesetzt.

Ministerpraesident Dr. Reiner Haseloff (CDU,Sachsen Anhalt)
Ministerpräsident Reiner Haseloff kündigte an, das Thema auf seine Arbeitsliste zu setzen. Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

In der Pressekonferenz nach dem Treff in der Altmark, sagte Haseloff mit einem Schmunzeln: "Entscheidendes Thema ist, was ich schon in der nächsten Kabinettssitzung hochziehen werde: Wie bekommen wir in der Altmark die Leute schnell und günstig und effizient verheiratet?" Er habe dem Staatssekretär aus dem Innenministerium aufgetragen, dafür einen Vorschlag zu erarbeiten.

Hochzeit, Geburtsurkunde, Totenschein: Standesbeamte haben komplexe Aufgaben

"Uns war der Grundsatz für die Qualifikation immer klar", sagt Arneburg-Goldbecks Bürgermeister René Schernikau, der auch Vorsitzender des Städtenetzwerks Altmark ist, ein Austauschgremium von Bürgermeistern. Man setze sehr darauf, dass es einen Bestandsschutz für die Ausnahmeregelungen haben werde. Klar sei schon, dass die Tätigkeit eines Standesbeamten sehr komplex sei: Nicht nur Hochzeiten sind zu erledigen, auch Geburts- und Todesbescheinigungen sind auszustellen.

"Insbesondere das Namensrecht ist kompliziert", sagt Schernikau. Beispielsweise sei bei Eheschließungen mit ausländischen Partnern auch das Namensrecht des Herkunftslandes zu berücksichtigen. Außerdem: "Die Standesbeamten arbeiten selbstständig. Als Bürgermeister habe ich keine Weisungsbefugnis." Lediglich die Rechtsprüfung des Landkreises wache über die Vorgänge.

Standesamt Rathaus Goldbeck
Standesbeamte in Arneburg-Goldbeck haben noch mehr Aufgaben als Trauungen – und die sind zum Teil sehr kompliziert. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

"Wenn wir unsere Leute entsprechend der Vorschriften qualifizieren, dann kann es schnell passieren, dass wir sie ganz loswerden", sagt Bürgermeisterin Annegret Schwarz. Das Verwaltungsstudium beinhalte nicht nur die Tätigkeiten für das Standesamt, sondern bilde viel breiter aus. "Dann sind die schnell weg", befürchtet sie.

Landesverwaltungsamt: Gemeinden müssen handlungsfähig bleiben

"Da wird mit viel zu großen Kanonen auf das Problem geschossen", sagt Bürgermeister René Schernikau. Er wünscht sich eine pragmatische Lösung. Neben der Fortführung der bestehenden, unbefristeten Ausnahmegenehmigung für gestandene Standesbeamte dann eine verkürzte Ausbildung für jüngere Kollegen.

Beim Land gibt es laut Schernikau mittlerweile eine Arbeitsgruppe – "wie da der Stand ist, wissen wir allerdings nicht." Vorerst brauche niemand Angst haben, dass er nicht mehr an der idyllischen Elbterasse in Arneburg heiraten könne, sagt er. Und auch das Landesverwaltungsamt sagt: "Ausnahmen können allerdings gemacht werden, sofern die Gemeinden andernfalls gegenüber den Bürgern nicht mehr handlungsfähig wären", sagt Sprecher Ronny Ballstädt.

MDR (Bernd-Volker Brahms, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. März 2024 | 07:30 Uhr

10 Kommentare

Shantuma vor 6 Wochen

@mensra:
Dies wäre sogar eine Lösung die akzeptabel wäre.

Man macht eine Prüfung zum entsprechenden Themengebiet, wer besteht bleibt, bekommt somit sein Zertifikat und wer nicht, der darf halt nebenbei studieren.

Ralf G vor 6 Wochen

Mal ironisch gesagt, ohne Studium könnte es ja passieren, dass der Standesbeamte die falschen Leute traut.
Wenn die EU nicht für mehr Bürokratie sorgt, dann macht es das Landesverwaltungsamt halt selber.

mensrea vor 6 Wochen

@Shantuma: ich hätte es nicht besser sagen können. Deutschland ist so zertifikatehörig. Das doofe dabei ist aber: hast du nen Schein und kannst es nicht, interessiert das quasi niemanden. Haste keinen Schein, aber kannst es, dann führt leider kein Weg rein. Wie wäre es, statt die Leute 2 Jahre zum Vollzeitstudium zu schicken, einfach eine Prüfung mit Vorbereitung zum Personenstandsrecht? Wer das schon lange macht, kann das sicher auch bestehen. Und wer denoch studieren will, kann das ja gerne tun.

Mehr aus Altmark und Elb-Havel-Winkel

Mehr aus Sachsen-Anhalt