Sachsen-Anhalt Kriminologin: Bessere Gefährder-Ansprache hätte Anschlag in Magdeburg verhindern können
Mehr als zwei Wochen sind nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vergangen. Seitdem wird immer deutlicher, der Täter war auffällig. Nach Auffassung der Kriminologin Britta Bannenberg hätte ein besseres Zusammenspiel zwischen Polizei und Psychiatrien die Tat verhindern können.
- Nach dem Anschlag in Magdeburg ist Terrorexpertin Britta Bannenberg der Auffassung, dass die Amokfahrt hätte verhindert werden können.
- Die Kriminologin betont, wie wichtig ein gutes Zusammenspiel von Polizei und Psychiatrien sei.
- Der Attentäter von Magdeburg hatte vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von der Polizei zwei Gefährderansprachen erhalten.
Die Terrorexpertin Britta Bannenberg sieht nach dem Anschlag in Magdeburg Versäumnisse bei der Gefährderansprache. Die Kriminologin der Universität Gießen sagte MDR SACHSEN-ANHALT, wenn polizeilich und psychiatrisch massiver eingegriffen worden wäre, hätte die Tat sehr wahrscheinlich verhindert werden können. Nach ihren Worten geht es darum, dass die Polizei professionell reagiert sowie interveniert, "dem Täter sozusagen auf den Zahn fühlt."
Bannenberg: Polizei und Psychiatrien müssen intervenieren
Bannenberg verwies dabei auch auf die Rolle der Psychiatrien. Wenn sie laut ihren Aussagen feststellen, dass der Mann gefährlich ist, hätten sie ihn erst einmal mehrere Wochen unterbringen können. "Dann werden diese Taten verhindert", sagte die Expertin. Das zeigten Rückmeldungen in einem Beratungsnetzwerk, das seit 2015 besteht.
Die Kriminologin erklärte, dass es manchmal wirklich kurz vor zwölf gewesen sei, dass so eine Tat passiert. Der Täter habe die Waffen bereits gehabt, die Abschiedsvideos schon gefertigt. Er habe in dem Fall selbst zur Polizei gesagt, "wenn sie heute nicht gekommen wären, dann wäre ich morgen oder übermorgen losgegangen". Bannenberg ist sich daher sicher, so eine Intervention sei ganz wichtig. "In dem Moment, wo das ganz gut funktioniert mit Polizei und Psychiatrie, da passiert dann auch keine Tat", sagte sie.
Attentäter erhielt vor Anschlag zwei Gefährderansprachen
Der Attentäter von Magdeburg hatte vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von der Polizei zwei Gefährderansprachen erhalten – eine im Herbst 2023 und eine im Oktober 2024. Dazwischen hätte es sogar noch eine weitere geben sollen. Darüber hatte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) den Ältestenrat des Landtages informiert. Grund war offenbar eine Bedrohung. Der Mann aus Saudi-Arabien war bereits zuvor in mehreren Bundesländern aufgefallen.
Bei "Fakt ist!" im MDR-Fernsehen relativierte Zieschang am Mittwoch die Bedeutung der durchgeführten Gefährderansprachen hinsichtlich des späteren Anschlags. So hatten die Gefährderansprachen im Vorfeld der Tat laut Zieschang nichts mit möglichen Anschlagsplänen zu tun. In einem Fall sei es darum gegangen, dass er der Staatsanwaltschaft Köln Korruption unterstellte, im anderen, dass er seinen eigenen Rechtsanwalt bedroht haben soll.
Behörden wussten von Drohungen im Netz
Die Gefährderansprache sei zudem ein niedrigschwelliges Instrument, mit dem man auf Personen zugehe, die sich nicht normkonform verhielten. Solche Menschen seien aber nicht zwingend tatsächliche Gefährder. Darunter falle etwa auch ein Junge, der im Klassenchat androhe, dass er in der Schule etwas vorhabe. "Die Gefährderansprache ist eine polizeiliche Möglichkeit, eine Person darauf hinzuweisen, wie man sich nach Recht und Gesetz in Deutschland zu verhalten hat, aber auch um ein Gefühl für die Person zu bekommen", sagte die Ministerin.
Warum Drohungen des Täters im Netz, die durchaus als Hinweise auf Anschlagspläne hätten gedeutet werden können, zu keinem Einschreiten geführt haben, bleibt derweil unklar. Mehrere Behörden, darunter Sachsen-Anhalts Polizei, wurden nach MDR-Recherchen von einer Person konkret auf die Gefahr hingewiesen. Im FAZ-Interview (€) räumte Zieschang ein, dass es eine neue Kategorie für Gefährder geben müssen, die psychisch labil sind, aber nicht in die üblichen ideologischen Raster passten.
Anschlag in Magdeburg: Sechs Tote, rund 300 Verletzte
Der Attentäter war am 20. Dezember mit einem geliehenen Auto in eine Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Insgesamt sechs Menschen kamen ums Leben, rund 300 Menschen wurden verletzt.
MDR (Marcel Roth, Norma Düsekow, Cornelia Winkler, Daniel Salpius) / Erstmals veröffentlicht am 8. Januar 2025