Vor einer Einfahrt hängt rot-weißes Flatterband mit der Aufschrift -Polizei-

Sachsen-Anhalt 400 tote Schafe in Magdeburg: Halterin "sammelte" offenbar Tiere

Stand: 13.01.2025 13:32 Uhr

Nach dem Fund hunderter toter sowie noch lebender verwahrloster Schafe in Magdeburg werden immer mehr Details zur 62-jährigen Halterin bekannt. Gegen die Besitzerin war schon vor mehr als vier Jahren im Landkreis Anhalt-Bitterfeld ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen worden. Im Jerichower Land wurden verwahrloste Hunde aus ihrer Obhut entdeckt.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Im Fall der toten Schafe in Magdeburg sind neue Einzelheiten zur Halterin der Tiere bekannt geworden. Wie der Landrat im Jerichower Land, Steffen Burchhardt (SPD), MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag sagte, hatte die Halterin möglicherweise mehr als eintausend Schafe in ihrer Obhut. Konkret gehe es um 1.150 Tiere.

Elf Hunde bei Kontrolle im Jerichower Land entdeckt

Zuletzt wurden den Angaben zufolge bei einer Kontrolle elf verwahrloste Hunde in einer Gaststätte in Gommern im Jerichower Land entdeckt. Damit steige allein die Zahl der Hunde aus der Obhut der Frau auf 27.

Elf beschlagnahmte Hunde aus Gommern sind in einem schlechten Zustand, sagte die Leiterin des Tierheims Schartau (Ortsteil von Burg), Astrid Finger, MDR SACHSEN-ANHALT. Die Tiere hätten ein verfilztes Fell, eingewachsene Krallen und Augenkrankheiten. Sie würden jetzt versorgt und sollten zunächst Vertrauen zu Menschen aufbauen. Dann könnten sie vielleicht im Frühling ein neues Zuhause beziehen.

Landrat: Große kriminelle Energie bei Halterin der Tiere

Landrat Burchhardt spricht von einer "großen kriminellen Energie bei der Frau". So habe sie unter falschem Namen Grundstücke angemietet, um dort Tiere zu beherbergen, beispielsweise an der Ostsee. Diese Areale seien zum Teil schwer einsehbar gewesen. Seiner Ansicht nach gehört die Frau zu den "Animal Hoardern". Dabei würden Menschen Tiere sammeln wie Gegenstände. So habe die 62-Jährige auch Tiere von Tierschutzorganisationen in Pflege genommen.

Das bedeutet "Animal Hoarding"
Animal Hoarding heißt auf Deutsch Tierhortung und kann auch als Tiersammelsucht übersetzt werden. Darunter versteht man das krankhafte Sammeln und Halten von Tieren. Laut Tierschutzbund halten die Betroffenen so viele Tiere, dass sie diese nicht mehr angemessen versorgen können. Dabei würden sie häufig gar nicht erkennen, wie schlecht es den Tieren in ihrer Obhut geht. Allein 2023 hat der Deutsche Tierschutzbund 115 Animal-Hoarding-Fälle protokolliert, so viele wie nie zuvor. Betroffen waren demnach rund 6.700 Tiere. Der Tierschutzbund sammelt seit 2008 Informationen zu bekannt gewordenen Animal-Hoarding-Fällen und wertet diese seit 2012 regelmäßig aus.

Landrat fordert Melderegister und bessere Vernetzung in Deutschland

Landrat Burchhardt forderte ein deutschlandweites Melderegister, um solche Fälle zu verhindern. Anders sei es kaum möglich nachzuvollziehen, wenn eine Person in einem Landkreis ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen bekommen habe. Burchardt sagte: "Mit so einem Register hätte der Fall in Magdeburg möglicherweise früher erkannt werden können."

Nach Burchhardts Worten besteht auch die Möglichkeit, dass noch mehr Tiere der Frau gefunden werden. Derzeit recherchiere der Landkreis weiter, ob es möglicherweise im Jerichower Land noch weitere Standorte gibt.

Steffen Burchhardt (SPD), Landrat des Landkreises Jerichower Land

Landrat Steffen Burchhardt fordert ein deutschlandweites Melderegister, um solche Fälle zu verhindern bzw. Probleme früher zu erkennen.

Tiere stark vernachlässigt: Halterin Behörden bekannt

Am Mittwoch (8. Januar) war bekannt geworden, dass der Landkreis Anhalt-Bitterfeld gegen die Frau bereits im Oktober 2020 ein Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere jeglicher Art ausgesprochen hatte. Grund war demnach, dass in Gollbogen, einem Ortsteil von Zerbst, bei einer amtlichen Kontrolle stark vernachlässigte Pferde, Mulis und ein Rind entdeckt worden waren.

Aus Sicht des dortigen Veterinäramts hatte die Frau ihre Pflichten als Tierhalterin erheblich vernachlässigt. Sie soll sich den Angaben nach nicht genug um ihre Tiere gekümmert haben. Sie seien auch nicht ausreichend von einem Tierarzt versorgt worden. Dadurch hätten Pferde, Mulis und das Rind stark gelitten und Schmerzen erdulden müssen.

Meldungen wegen Frau auch in Magdeburg

In Magdeburg sagte der Sozialbeigeordnete Ingo Gottschalk MDR SACHSEN-ANHALT ebenfalls am Mittwoch, dass auch die Behörden der Landeshauptstadt mehrmals in Kontakt mit der Schafhalterin waren. Demnach waren Vertreter des Gesundheits- und Veterinäramts über Jahre mehrfach vor Ort. Es habe aber keine "Untersagung der Haltung an sich" gegeben. Man habe keine weitere Grundlage als das eigentliche Tierschutzgesetz.

Die Stadt hatte zuvor bestätigt, dass es in der Vergangenheit Hinweise von mehreren Bürgern zu der Schafhalterin gegeben hat. Am Sonntag waren bei ihr etwa 400 Schafe auf einem Grundstück im Osten Magdeburgs tot aufgefunden worden. Die Todesursache der Tiere steht laut Gottschalk noch nicht fest. "Das ist natürlich für uns auch ein Vorfall nicht üblichen Ausmaßes. Das ist etwas, was wir jetzt im Rahmen der Ermittlung der Polizei sicherlich noch feststellen werden und auch mit der Untersuchung der toten Tiere." Ermittelt wird laut Polizei gegen eine 62-jährige Frau aus Gommern im Jerichower Land.

Das ist natürlich für uns auch ein Vorfall nicht üblichen Ausmaßes. Ingo Gottschalk | Sozialbeigeordneter der Stadt Magdeburg

Rund 600 noch lebende Tiere hat inzwischen das Veterinäramt der Stadt übernommen. Sie sollen auf dem Gelände bleiben und dort Wasser und Heu bekommen. Pferde und Esel wurden laut Gottschalk auf Koppeln untergebracht. 13 Hunde, die ebenfalls auf dem Gelände waren, kamen im Tierheim und privat unter. Ein Hund sei wegen seines aggressiven Verhaltens erschossen worden.

Halterin arbeitete für Landesbetrieb

Wie außerdem bekannt wurde, bestand zwischen der Schafhalterin und dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) bis vor kurzem ein Vertrag zur Deichpflege. Die Frau beweidete demnach mit ihren Tieren Deichflächen bei Schönebeck. Am 13. Dezember 2024 habe das zuständige Wirtschaftsministerium jedoch darüber informiert, dass der Frau die Betriebserlaubnis entzogen und vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld ein Haltungs- und Betreuungsverbot ausgesprochen worden sei.

Danach habe man umgehend (am 20. Dezember) den Vertrag zur Deichpflege im Flussbereich Schönebeck schriftlich gekündigt, "da nicht mehr von der notwendigen Verlässlichkeit und Fachkompetenz ausgegangen werden kann", so der LHW. "Wir gehen im Weiteren davon aus, dass das für Tierhaltung zuständige Landwirtschaftsministerium sowie das zuständige Veterinäramt Schlussfolgerungen zieht, um zukünftig solche Fälle zu verhindern."

MDR (Max Hensch, Norma Düsekow, Karin Roxer, Luise Kotulla, Daniel Salpius, Linus-Benedict Zosel, Cornelia Winkler) | Erstmals veröffentlicht am 08.01.2025